Bildikonen, die nachwirken

Zu den Freunden und Wegbegleitern von Helmut Newton gehören Guy Bourdin und Angelo Marino. Ihre Arbeiten vereint die neue Gruppenausstellung der Helmut Newton Stiftung unter den Titeln „Image Maker“, „A Gun for Hire“ und „Another Story“.

Neben Helmut Newton zählte auch der in Paris 1928 geborene Guy Bourdin zu den Avantgardisten in der Modefotografie der 1960er und 1970er Jahre. Auch er verschrieb sich dem sogenannten Radical Chic und führt uns mit seinen fantasievollen Bildern, die zu Ikonen wurden, noch heute den Zeitgeist jener Jahre vor Augen. Das zeigt die neue Ausstellung der Helmut Newton Stiftung nur allzu deutlich. Unter dem Ausstellungstitel „Image Maker“ sind Aufnahmen aus seiner gesamten Schaffenszeit zu sehen, in der Bourdin in einer Dreiteilung als „The Narrater“, „The Art Director“ und „The Surrealist“ auftritt. Seine Bildinszenierungen ähneln bisweilen zwar denen Helmut Newtons, doch sie sind experimenteller, überraschender, extremer. Werbung, beispielsweise für Schuhe des französischen Designers Charles Jourdan, oder Erotik kombiniert Bourdin meist mit einer außergewöhnlichen Bildidee. Auch seine surrealistisch anmutenden Aufnahmen zeigen ihn als einen Modefotografen, dessen Aufnahmen damals in Modemagazinen mit Sicherheit für Aufsehen sorgten, herausforderten, zum Teil sogar schockierten.

Weniger übertrieben oder provokant dagegen erscheinen die Arbeiten von Helmut Newton, der allerdings vornehmlich für Modehäuser wie Chanel, Yves Saint Laurent oder Blumarine fotografierte. Unter dem Ausstellungstitel „A Gun for Hire“ sind Auftragsarbeiten der beiden Fotografen erstmals gegenübergestellt, die von Newton aus den 1990er Jahren als Teil der gleichnamigen Ausstellung aus dem Jahr 2005.

„Ich bin der Meinung, dass ein perfektes Modefoto nicht wie ein Modefoto aussieht, sondern eher wie ein Foto aus einem Film, ein Portrait oder ein Erinnerungsfoto ...“ So sind bei Helmut Newton auch die Auftragsarbeiten mit teilweise erheblichem Aufwand inszeniert und genau komponiert, um jene Wirkung zu erreichen, die so schwer zu beschreiben ist. Man weiß als Betrachter nie genau, woraus sich die Magie der Fotos erklärt: aus der Komposition des Bildes, der Körpersprache des Models oder der mentalen Übereinstimmung zwischen Model und Fotograf.

Beide Fotografen, Newton wie auch Bourdin, revolutionierten die Modefotografie mit ähnlichen Mitteln und sie erschufen dabei Bildikonen, die bis heute nachwirken.

In „June´s Room“, der hinteren Räumlichkeit der Helmut Newton Stiftung, sind Arbeiten unter dem Ausstellungstitel „Another Story“ von Angelo Marino zu sehen. Marino war von 1997 bis 2004 Newtons Assistent und Archivar. Auf dem Weg von seinem Wohnort Cannes zum Arbeitsort Monte Carlo fotografierte er mit seinem Handy ein Jahr lang täglich aus dem Zugfenster. Auf diese Weise entstanden 260 Einzelbilder, die in Form von Tableaus wochenweise das Unterwegssein Marinos mit all seinen visuellen Wahrnehmungen festhalten.

So steht diese Art der Fotografie freilich ganz im Gegensatz zur Modefotografie, soll aber als „assoziative Sequenz“ zur Realität die neue Gruppenausstellung ergänzend bereichern. Inwieweit Angelo Marino von der Kunst seines Meisters beeinflusst wurde, ist allerdings formal sichtbar: Er benutzt das gleiche Bildformat und die Farben, die Newton für seine Ideenskizzen verwendete. Zur Frage der Kunst in der Fotografie gab Helmut Newton im Übrigen einst ein bemerkenswertes wie skurriles Statement ab: „Die Fotografie einiger Kollegen ist Kunst, meine nicht. Wenn meine Bilder in Galerien oder Museen ausgestellt werden, soll es mir recht sein. Aber das ist nicht der Grund, warum ich sie mache. Ich bin ein Auftragskiller.“ 

Reinhard Wahren

 

73 - Winter 2018
Kultur