„Lebensgemeinschaftsschulen“ sollten die Integration der Schüler fördern und die Bildung näher an das Leben rücken. Man plante nichts Geringeres als die größte Schule Deutschlands für 2800 Schülerinnen und Schüler.
Lichtenberg hat nicht das beste Image in der Stadt, und das nicht nur wegen der rechten Szene, die hier regelmäßig auf sich aufmerksam macht. Lichtenberg gilt auch als kulturelle Wüste. Umso mehr ist die Eröffnung der Max-Taut-Aula am Nöldnerplatz ein Lichtblick für den Bezirk. Eine der letzten großen Kriegsruinen Berlins ist damit verschwunden und ein beeindruckendes Zeugnis des „modernen Bauens“ der 1920er Jahre wieder erstanden. Symphoniekonzerte, moderner Tanz und Kongresse sollen in dem geschwungenen Ziegelbau stattfinden. Die Gesamtkosten für Restaurierung und Rekonstruktion betrugen etwa neun Millionen Euro, zum großen Teil getragen von der EU.
Für die moderne Architektur waren die späten 20er Jahre in Berlin tatsächlich golden gewesen. Nicht zuletzt dank Martin Wagner, dem engagierten Stadtbaurat. Er war es, der neben den bekannten Wohnsiedlungen auch den Bau neuartiger Schulgebäude möglich machte. Aus einem entsprechenden Architektenwettbewerb für das ehrgeizige Lichtenberger Schulprojekt ging Max Taut, der jüngere Bruder Bruno Tauts, 1927 als Sieger hervor. Beteiligt hatte sich seinerzeit unter anderen auch Hans Scharoun. Die Anlage am Nöldnerplatz umfasste drei jeweils dreigeschossige Schulen und eine repräsentative Aula. Reform war das Schlagwort dieser Jahre auch in der Bildungspolitik. „Lebensgemeinschaftsschulen“ sollten die Integration der Schüler fördern und die Bildung näher an das Leben rücken. Man plante nichts Geringeres als die größte Schule Deutschlands für 2800 Schülerinnen und Schüler. In den Jahren 1931 bis 1935 wurde die mehrgliedrige Einrichtung als Berufsschule für Jünglinge, Knabenmittelschule, Mädchenmittelschule und Hauswirtschaftliche Berufsschule für Arbeiterinnen eröffnet.
Gerade mit der Aula vertrat Max Taut konsequent die Architektur des „Neuen Bauens“. Stilprägend waren die Farbgebung und die für ihn typische Stahlbeton-Rahmen-Konstruktion. Zum Nöldnerplatz hin ist der schmucklose Baukörper mit dunkelroten Ziegeln verblendet. Nicht nur von den Schulen sollte der Bau genutzt werden können, sondern vielmehr dem gesamten Stadtteil als kultureller Begegnungsort dienen. Während die eigentliche Schule den Zweiten Weltkrieg beinahe unbeschadet überstand, wurde die Aula im März 1945 von mehreren Brandbomben getroffen. Das charakteristische Lichtdach brach in sich zusammen. Als Ruine hat die Aula schließlich die DDR-Zeit überdauert, so dass man nach der Wende eine Restaurierung ins Auge fassen konnte. Ein erster Schritt war die Anbringung eines Schutzdaches, um die erhaltene Bausubstanz zu sichern. Schließlich folgte 2002 die Ausschreibung eines Architektenwettbewerbs, den das Büro Max Dudler für sich entschied. „Es war glücklicherweise doch viel mehr vorhanden, als man beim ersten Anblick der Ruine vielleicht hätte denken können“, so Claudia Kruschel, die zuständige Projektleiterin.
„Für uns war es etwas ganz Besonderes, ein solches Bauwerk planen zu dürfen.“ Dabei war die Aufgabe nicht ganz einfach. So viel Denkmal wie möglich sollte erhalten beziehungsweise geschaffen werden, bei gleichzeitiger Nutzung des Gebäudes als moderner Multifunktionsraum. Nicht einfach sei zum Beispiel die Beschaffung der speziellen mit Kohle gebrannten Fassaden-Klinker gewesen. In Polen sei man nach längerer Suche fündig geworden. Das gläserne Dach und Stahlfenster wurden rekonstruiert. Der große Saal trägt mittlerweile wieder die historischen Farben Max Tauts: Beige und Rotbraun. Doch gibt es hier vieles, was man auf den ersten Blick nicht sieht.
Karen Schröder