Backsteinrefugium in Hohenlage

Wer in der kalten Jahreszeit auf den Pfefferberg steigt, wird sich an die Sommertage er­innern, an die Flamenconächte, an Festivalatmosphäre und Biergartenbetrieb. 

1871 gründete der bayerische Braumeister Joseph Pfeffer das heute äl­teste Brauereigelände in Prenzlauer Berg. Bis 1920 wurde ausgebaut. Danach begann eine wechselvolle Geschichte gewerblicher Nutzung, bis sich 1990 Bürgerinitiativen für den Denkmalschutz des Areals sowie für eine Nutzung als soziokulturelles Zentrum engagierten. Seit 2001, nachdem die Eigentumsfrage zugunsten der Stiftung Pfefferberg geklärt war, begann die Sanierung unter der Leitung des Architekturbüros Faber & Krebs.

Seine Höhenlage fünf Meter über der Schönhauser Allee verdankt das älteste Brauereigelände Prenzlauer Bergs den Ausläufern des Barnim. Berlin hat ­wenig Barock, dafür aber hat die ­Spreemetropole Backstein und denkmalwürdige Industriearchitektur. Der Pfefferberg mit seinen 21 Gebäuden, Sommergarten und Ausschankhalle ist ein Kleinod industrieller Backsteinarchitektur. Nach einer wechselvollen Geschichte – Schokoladenfabrik in den Zwanzigern, in der NS-Zeit Bäckereizentrum, Großküche und Zeitungsdruckerei in der DDR – konnte die Stiftung Pfefferberg 1999 das Areal erwerben. Sie ist für die Bespielung und Entwicklung des Biergartens, der Höfe und Häuser mit ihren gran­diosen Kelleranlagen zuständig. Um den gemeinnützigen Aufgaben der Stif­t­ung, gefährdete Erwerbstätigkeit und Ausbildung zu fördern, und einer behutsamen Sanierung der Anlage ­zugleich gerecht zu werden, wurden nach Jahren der Stagnation ab 2001 einige der Häuser per Erbpacht ver­äußert. Diese werden von den Eigentümern in eigener Kosten­regie saniert. Einer der ersten, die dem Pfefferberg zu neuem Leben verhalfen, war die japanische Akira Ikeda Gallery, die im Jahr 2001 neben den Standorten in New York und dem japanischen Taura hier ihre Berlin-Dependance eröffnete. Das seien „Räume voller Energie“, schwärmte der Galeriebegründer und ließ das einstige Heizhaus mit seinen schlanken, eisernen Säulen und den Kappendecken sowie das daneben liegende Gebäude aufwendig sanieren. Die Architekturgalerie Aedes, ehe­mals in den Hackeschen Höfen, zog als nächste auf den Berg ins frisch ­sanierte Maschinenhaus. Haus zwei, einen dreigeschossigen, fast sakral anmutenden Bau, hat Olafur Eliasson mit Studio, Kantine und Büro bezogen. Hier soll eine international vernetzte Denkwerkstatt entstehen, plant der in diesem Herbst zum Professor an die UdK berufene, weltweit umworbene Künstler und wehrt neu­gierige Besucher ab: Kein Touristenspektakel! Nahezu zeitgleich zog der renommierte dänische Galerist Mikael Andersen von der Sophienstraße hierher und richtete neben der Galerie auch Atelierräume ein. „Die wilden Jahre sind vorbei“, erklärt Stiftungsvorstand Torsten Wisch­news­­ki, als hier allein schon die World­Music-Partynächte tausende Besucher anzogen und die Ateliergemeinschaft „Meinblau“ alleiniger Kunstort war. Der Pfefferberg nebst seinen Betreibern ist erwachsener geworden, Berlin weltstädtischer, die Globalisierung wiederum hat ihre romantische Phase hinter sich. Man muss nach neuen Formen und Inhalten suchen. Zur Not auch mit Spagat zwischen Mainstream und Avantgarde.
Fast nostalgisch klappert neben dem Kolonnaden-Eingang noch der knallgelb angestrichene Festerladen vom Club V.U.P. und bröckelt rosa Putz von der einstigen Trinkhalle, die den Biergarten flankiert und spätestens bis 2010 saniert sein soll. Die Südseite des Brauereiareals hat zwar schon ein fertiges Portal und sieben Kugellampen, welche die Kolonnaden schmücken, vermittelt aber noch den trashigen Berliner Charme. Das Res­taurant mit seiner langen schwarzen Tafel und einem kühlen Ambiente ist im ältesten Gebäude untergebracht.

Es wird quasi im Endspurt gebaut auf dem Pfefferberg. Die Gebäude 9 und 10 sind einer zukünftigen Architektur­akademie vorbehalten. 2009 sollte fertig saniert sein. Kommt man von der Christinenstraße, werden gerade noch die letzen Pflastersteine in den Hof geklopft, derweil in den Galerien schon die nächsten Vernissagen vorbereitet, im Kulturlabor ICI gedacht und geforscht und im Pfefferwerk bis zu dreißig junge Leute in Gastronomieberufen und Veranstaltungstechnik ausgebildet werden. In der Mittagspause können sie Weltklassekunst, besichtigen, etwa Noriyuki Haraguchis schwarze Quadratvariationen. „Das sei doch eine Chance“, sagt Michael Pauseback (Ikeda Gallery), der Orte mit Widersprüchen und Reibung mehr liebt als das Fertige. Andreas Kranhold von der Entwicklungsgesellschaft GmbH kann 2008 als ein echtes Erfolgsjahr betrachten: Neben den hoch­rangigen Kunststätten und einem erstklassigen Veranstaltungssaal eröffneten in diesem Frühjahr noch das Hostel „Pfefferbär“ mit einer schilfgrünen Lounge nebst Kamin, mit erstaunlich komfortablen Räumen. Einhundertachtzig Betten stehen in ­Gruppen- oder Doppelbettzimmern zur Verfügung. Der Geschäftsführer Wolbert Schäfer freut sich über die tolle Auslastung und die gegenseitige Hilfe aller Hostels rundherum. Das klappt prima. Ebenso die Zusammenarbeit mit den VIA-Werkstätten, dem Verbund für integrative Angebote. Menschen mit Behinderungen sorgen sich zum Beispiel um den üppigen ­Garten. Mitten im Großstadtrummel ist dieser ein sinnliches Fleckchen mit einem skulpturalen Holzsteg durchs Dickicht.

Anita Wünschmann

37 - Winter 2008
Kultur