Die opulente Ausstellung „Die Schönheit der großen Stadt“ im Ephraim-Palais versammelt 117 Berliner Stadtansichten mit programmatischem Anspruch. Die Tradition, Berliner Motive ins Bild zu setzen, sie auf Leinwand zu bringen, ist lang. Viele Maler aus der Vergangenheit und Gegenwart haben mit ihren Bildern, mit ihrer Sicht auf die Stadt und ihre Bewohner versucht, Licht und Schatten, aber auch die Einzigartigkeit der Metropole zu erfassen und darzustellen. Berlin allerdings als schöne Stadt zu bezeichnen, fällt zumindest den meisten Touristen schwer. Sie sind zwar neugierig auf die Metropole, doch vermuten und suchen sie wohl kaum schöne Architektur oder historische Bauwerke von Weltruf. Sie möchten vielmehr ein wenig vom sprichwörtlichen Mythos Berlin spüren und dem Besonderen der Stadt, vielleicht auch ihrem verborgenen wahren Wesen, etwas näherkommen.
Das hatten auch die Kuratoren des Stadtmuseums im Sinn und konzipierten eine Ausstellung, deren Titel „Die Schönheit der großen Stadt“ den Blick auch hinter die Bilder schärfen sollte. Entlehnt ist der Titel dem gleichnamigen kunstphilosophischen Werk von August Endell, das 1908 im Verlag von Strecker & Schröder in Stuttgart erschien. Bekannt wurde Endell u. a. als Mitherausgeber der Zeitschrift Pan und als Architekt des Endell’schen Hofes, des ersten der Hackeschen Höfe. „Denn das ist das Erstaunliche, dass die große Stadt trotz aller hässlichen Gebäude, trotz des Lärms, trotz allem, was man an ihr tadeln kann, dem, der sehen will, ein Wunder ist an Schönheit und Poesie, ein Märchen, bunter, farbiger, vielgestaltiger als irgendeines, das je ein Dichter erzählte.“ So beschreibt er in „Die Schönheit der großen Stadt“ Berlin zu Beginn des 20. Jahrhunderts vor allem als Mikrokosmos menschlicher Vielfalt, als ein Ort der Begegnung von Menschen unterschiedlichster Couleur in Wirtschaft, Kunst und Kultur. Die Ausstellung im Ephraim-Palais versucht, anhand von nahezu 120 Gemälden von Künstlerinnen und Künstlern aus Vergangenheit und Gegenwart dem Endell’schen Credo nahezukommen und dessen Impetus gerecht zu werden. Ob ihr das gelingt, hängt freilich vom Betrachter ab, der aufgefordert ist, die verborgene Schönheit der Stadt im Spiegel der Kunstwerke zu entdecken. In siebzehn thematisch eingerichteten Räumen sind die hochkarätigen, historischen wie zeitgenössischen Arbeiten versammelt, beispielsweise von Eduard Gaertner, Carl Eduard Biermann, Adolf Menzel, Hans Baluschek, Ernst Ludwig Kirchner, Lovis Corinth, Max Beckmann, Lyonel Feininger, Oskar Kokoschka, Conrad Felixmüller, Oskar Nerlinger, Wolfgang Frankenstein, Jürgen Böttcher, Matthias Koeppel, Harald Metzkes, Rainer Fetting, Barbara Quandt, Trak Wendisch. Ihre Motive und Bildwelten zeigen sowohl die Stadtlandschaften selbst als auch ihre Bewohner und deren Eigenarten. Die Themenräume sind denn auch entsprechend erklärend benannt, beispielsweise mit „Über den Dächern“, „Baustelle Berlin“ und „Die Großstadtnacht“ oder eben mit „Der Mensch und die Stadt“, „Im Kiez“ und „Die zerissene Stadt“. Die Ausstellung füllt das gesamte Ephraim-Palais. So gerät die imposante Bilderschau aus unterschiedlichen Epochen vom Biedermeier bis heute im Kontext der Stadtgeschichte und im Wandel der Zeiten allein durch den Blick der Künstlerinnen und Künstler für den Besucher zu einer erhellenden Stadtvisite, indem der eine oder andere vielleicht dem Genius Loci der Stadt erliegt, oder wenigstens ihrem „Geheimnis“, das August Endell offenbar für sich entschlüsselt hat, ein wenig näherkommt.
Reinhard Wahren
Information
Ausstellung
Die Schönheit der großen Stadt
Berliner Bilder von Gaertner bis Fetting
Bis 26. August 2018
Museum Ephraim-Palais
Poststraße 16, 10178 Berlin