Die Decken für ein Frühstück unter Bäumen sind ausgebreitet. Die Schaukeln festgezurrt, die Balkone sind bepflanzt und Stühle und Tische stehen bereit. Gäste kommen. Der Sommer naht und es wird Zeit daran zu denken, dass es mancherorts hilfreich wäre, einen Baum zu pflanzen oder eine Bank aufzustellen zum Ausruhen oder um im Freien ein Buch zu lesen. In diesem Sinne sich etwas einfallen zu lassen, dafür ist jetzt Zeit.
Der Sommer kommt, es gibt keine Ausreden mehr. Wozu brauchen wir denn sonst die Sonnenschirme und Strandkörbe, die bunten Liegen, die Holz- und Rattanmöbel? Was werden die schönen Monate bringen? Lust zum Baden, Lust darauf, Rucksäcke und Korbtaschen zu packen. Auf geht’s zum Wandern. Und wie beliebt das Unterwegssein ohne oder mit Kilos auf dem Rücken seit mehr als einem Jahrhundert ist, zeigt eine große Ausstellung in der Alten Nationalgalerie auf der Museumsinsel.
Die Korbtaschen packen für den Strand oder den Park. Draußen sein, und Schönes entdecken – der Sommer wird bunt. Dabei scheinen die Farben der Natur nicht zu genügen, denn Designer legen noch eins drauf. Es wird nicht gespart an Leuchtkraft und Streifen, Karos und Blumen. Blumen draußen. Blumen drinnen. Kleider mit Blumen, Taschen und Kissen. Offenbar wollen alle auf der sicheren Seite sein.
Für die Abende gibt es seit der LED-Revolution auch jede Menge Leuchten, bei Ikea knallbunte Lichterketten. Die Pastelltöne der Skandinavier überhaupt, das zarte Grau im Besonderen ließen sich als Farbbasislager beschreiben. Ein blasses Rosa kommt noch dazu; vielleicht eine Reverenz an Frankreichs Belle Époque. Ein recht frisches Türkis und Körbe aus Kunstfaser, und zwar auch als Blumenübertopf, zeigen, dass der Spielerei keine Grenzen gesetzt sind. Und dann: Gelb und gelb. Schon wieder entwickelt die Farbe Gelb ihre nicht ganz unumstrittene Strahlkraft – osterglockengelb, mimosenblütengelb. Dazu violett. Zu „violett“ sagen die meisten gern „lila“, aber das trifft nicht die Eleganz und auch nicht das geheimnisvoll Dunkle des Blaurottons. Varianten sind erlaubt und Picknickdecken könnten schon mal ob ihrer Lila-Nuancen den Duft von Lavendelfeldern ausströmen. Modern sind diese auch mit grafischen Mustern.
Der französische Designer Frédéric Sofia hat die für den Pariser Luxemburggarten 1923 geschaffenen berühmten Stühle und Bänke neu interpretiert. Jetzt gibt es diese Modelle leichter und sonnenbeständiger in 24 Metallfarben.
Die Balkonmöbel von der Firma Fermob sind seit Jahren nicht wegzudenken, weil sie so leicht, so minimalistisch, wie in eine Landschaft hineingezeichnet, herumstehen und dennoch ganz und gar unmissverständlich einer Tradition entsprungen sind. In den letzten zwei Jahren warteten sie mit pudrigen Pastelltönen auf und erzählten vom skandinavischen Design-Frühling. In diesem Jahr leuchten sie in knalligen Tönen, als wollten sie selbst die Gartenschau sein. Die runden stapelbaren Bistrotische zeigen sich in bunten Kreisformen, die einem Kandinsky-Gemälde entsprungen sein könnten. Nicht jeder ist ein begabter Maler, aber ein paar farbige Stühle zu drapieren ist schon das halbe Bild. So werden nicht nur Balkone abwechslungsreich, sondern auch Städte mit ihren sommerlichen Straßenplätzen. Geometrie, Linie, Farbe, Klänge – das Auge fühlt sich erinnert. Der französische Maler Robert Delauny hat abstrakte Farbkreise über die Leinwand flirren lassen. Der Bauhaus-Meister Johannes Itten lehrt, dass wir Menschen uns bei bestimmten Farben und Farbzusammenstellungen wohler und harmonischer fühlen als bei anderen.
Farbcodes spielen mit Assoziationen und lenken die Aufmerksamkeit. Etwa auch bei Vitra mit seinen immer wieder neu aufgelegten Panton-Chairs. In dieser Saison morgenhimmelblau, orange, gelb, weiß, schwarz. Die geschwungenen Hartschaumklassiker von Verner Panton aus den Sechzigern erinnern an ein Piet-Mondrian-Gemälde.
Es geht aber auch in diesem Sommer nicht allein um Farbe oder Herkunftsgeschichte und Rezeption, sondern um neue Funktionen und noch einmal mehr ums Wohlfühlen.
Jan Kurz hat für den Aufenthalt im Freien die praktischen Tragetaschen mit dem koboldhaften Namen „Hhooboz“ entwickelt. In Lila-orange oder Pink und Melone gibt es die weichgepolsterten Taschen. Aufgeklappt bieten sie das, was früher die Iso-Matte plus Kissen war sowie Platz „für die notwendigen sieben Sachen“. Wenn wir viel wollen und das ohne zusätzlichen Aufwand, muss alles mehr können, so etwa funktionieren die hybriden Alltagsprodukte. Etwa auch der Sitzsack von Jan Kurz. Das Spaßmöbel darf auch ins Wasser und funktioniert dort als Schwimmkissen oder Miniluftmatratze. Fatboy hat mit dem Strandprodukt „Lamzac“ vielleicht an „Luft und Liebe und mehr nicht“ gedacht oder eben technisches Wissen angewandt und luftgefüllte Strandsofas kreiert, die nicht viel wiegen und auf Handtuchgröße faltbar sind. Die bananenförmigen Nylondinger sind schon deshalb lustig, weil Sonnenanbeter zumeist mit kuriosen Schwüngen versuchen, die Luft einzufangen. Aufblasen war gestern.
Die kantigen Piazzasessel „Toy“,1999, von Philipp Starck, noch vor Kurzem der Rebell der internationalen Designszene, heute Grandseigneur, haben eine Husse bekommen. Nun sind die eleganten Sitze weicher und auch für einen kühlen Abend an der Spree gut geeignet. Für die meisten Produkte gilt der Satz, was sich bewährt hat, muss nicht verschwinden, aber es darf sich verwandeln. Über Upcycling und Relaunch denken Designer seit einigen Jahren nach. Es ist eine Haltung gegen Verschwendung und eine Mobilisierung der Fantasie. Die entfaltet sich übrigens am besten, wenn die Seele baumelt. Nick McDonald hat das Baumelnest für die Seele Vögeln in Mexiko abgeguckt. Das Hängezelt wäre doch etwas für den Tiergarten. Eine Mittagspause ohne Straßenlärm – und danach mit neuen Ideen an die Arbeit. Irgendwer muss ja auch im Sommer etwas tun.
Anita Wünschmann