Und sie fliegen doch

Die schweren Vögel schreiten majestätisch wie ein Strauß oder ein Pfau. Dann hüpfen sie zweimal auf der Stelle und fliegen los. Wenn auch selten. Sie erreichen dabei erstaunliche 100 Kilometer in der Stunde. Großtrappen sind die schwersten flugfähigen Vögel Europas, mit einem Gewicht bis zu 16 Kilo. Das Weibchen ist wesentlich kleiner als das Männchen und wiegt nur etwa ein Drittel, auch das ist einmalig in der Natur. Sie gehören wie alle Trappen zu den Kranichvögeln. Größer und schwerer sind nur noch die in Afrika beheimateten Riesentrappen. Hierzulande lebt der „märkische Strauß“ auf Ackerflächen, in steppenartigen Gebieten und auf Grünwiesen. Die Vögel lieben weites offenes Gelände mit möglichst wenigen Störungen. Ausgewachsene Tiere ernähren sich vor allem von Samen, Kräutern und Früchten. Insekten und Mäuse kommen hinzu. In der allerersten Lebenswoche akzeptieren die ganz kleinen Großtrappen nur tierische Nahrung.

Eine besondere Attraktion für alle Naturliebhaber ist die Balzzeit der Vögel im Frühjahr. Dann blasen die Männchen ihren Hals auf, lüpfen die weißen Unterfedern und den Schwanz, um auf die Hennen Eindruck zu machen. Aus der Ferne sind die sonst braun gescheckten Vögel dann gut zu erkennen. Dass Großtrappen im offenen Gelände leben, macht die Beobachtung einfacher. Hobbyornithologen aus ganz Europa sind begeistert. Auf entsprechenden Aussichtstürmen werden Riesenfernrohre in Stellung gebracht. Die Naturschützer in Brandenburg freuen sich über das ungebrochene Interesse an den Vögeln. „Zur Beobachtung eignet sich aber auch die Zeit ab Oktober, dann stehen die Trappen in großen Trupps beisammen“, so Henrik Watzke vom Förderverein Großtrappenschutz e. V.

Nach starker Dezimierung gerade auch im 20. Jahrhundert ist die Großtrappe heute ein überaus seltener Brut- und Jahresvogel. Der Tiefpunkt war Ende der 1990er Jahre erreicht. Durch die industrielle Landwirtschaft fehlten Lebensräume und Nahrung. Man zählte in ganz Deutschland nur noch 57 Tiere. Das Aussterben schien besiegelt. Doch Brandenburg ist es zu verdanken, dass die Trappe vorerst gerettet ist. Es gibt drei Standorte in der Mark, wo Großtrappen anzutreffen sind: im Havelländischen Luch bei Buckow, im Fiener Bruch (ein Teil liegt in Sachsen-Anhalt) und auf den Belziger Landschaftswiesen. Die Zahl der Großtrappen hat mittlerweile einen neuen Höchststand erreicht. Bei ihrer letzten Bestandsaufnahme haben die Mitarbeiter des Fördervereins Großtrappenschutz e.V. insgesamt 259 Vögel gezählt. Daran haben die Naturschützer einen nicht unwesentlichen Anteil. „Immer noch müssen wir beim Ausbrüten der Eier helfen. Aus eigener Kraft hätten es die Großtrappen nicht geschafft“, so Henrik Watzke, Geschäftsführer des Vereins.

Ganze Gelege, die Weibchen legen zwei bis drei Eier, werden eingesammelt und in den Brutkasten der Naturschutzstation gebracht. Die Bodennester werden sonst gern von Krähen und Füchsen geplündert. Außerdem sind die Hennen während der Brutzeit sehr störungsanfällig und geben nach Gelege schnell auf. Ein Zaun hilft da nur bedingt. „Vor allem im Havelländischen Luch sind aber auch in der freien Natur aufgewachsene Junge beobachtet worden“, erklärt Henrik Watzke. An den anderen beiden Standorten sind die jungen Trappen vor allem ausgewildert worden. Im Alter von acht bis zehn Wochen werden sie ausgesetzt, aber weiterhin betreut. Später schließen sich die Vögel ihren Artgenossen in der freien Wildbahn an. Großtrappen leben gesellig in Gruppen zusammen, nach Geschlechtern getrennt. Ist der Winter nicht zu streng, bleiben sie an ihrem Standort, nur bei Schnee und strengem Frost ziehen sie in etwas mildere Gefilde, meist nur einige hundert Kilometer, aber auch bis in die Niederlande und nach Frankreich.

Dass es die Großtrappen heute in Brandenburg gibt, ist auch und vor allem dem Biologenehepaar Bärbel und Heinz Litzbarski aus Nennhausen zu verdanken. Sie kümmern sich seit über 40 Jahren um die Vögel und haben dafür gesorgt, dass es die drei Schutzgebiete in Brandenburg gibt. Als in den 1990er Jahren die Schnellbahnstrecke Hannover – Berlin direkt durch das Trappengebiet gebaut werden sollte, haben sie bewirkt, dass zahlreiche Maßnahmen zum Schutz der Vögel ergriffen wurden. Bis heute profitiert die Population davon. Gleichzeitig war der Beweis erbracht, dass Verkehrsinfrastrukturinteressen und Naturschutz nicht nur unversöhnlich gegeneinander stehen müssen.
 
Karen Schröder

 

76 – Herbst 2018