Amerika in Berlin

Fast zwanzig Jahre nach dem Fall der Mauer ist die Wiederbebauung des Pariser Platzes abgeschlossen.

Besonders freundlich haben die Medien die am 4. Juli offiziell eröffnete US-amerikanische Botschaft am Pariser Platz nicht aufgenommen: Von einer schlechten Architektur war die Rede, von unsorgfältigen Details und von einer mangelnden Offenheit gegenüber der Stadt. Doch hinter der Unzufriedenheit spürbar war noch ein ganz anderes Gefühl: die Erleichterung darüber, dass die Wiederbebauung des Pariser Platzes endlich ihren Abschluss gefunden hat.

Wer Anfang der neunziger Jahre in Berlin war, hat das damalige Bild noch vor Augen: Mutterseelenallein stand das Brandenburger Tor da, während der Pariser Platz mangels umstehender Häuser kaum als Platz wahrzunehmen war. Nicht alle umliegenden Gebäude wurden im Krieg zerstört; manche fielen erst den Abrissmaßnahmen der DDR zum Opfer, die im unmittelbaren Grenzgebiet keine Häuser stehen lassen wollte.

1957 traf das Abriss-Schicksal das an der südwestlichen Ecke gelegene Palais Blücher mit der Adresse Pariser Platz 2, an der jetzt die US-Botschaft entstanden ist. Schon einmal war an diesem Ort die diplomatische Vertretung der Vereinigten Staaten ansässig – allerdings nur für kurze Zeit: 1930 erwarben die Amerikaner das 1870 errichtete Palais Blücher mit der Absicht, es zum festen Domizil ihrer Botschaft zu machen, die bis zu diesem Zeitpunkt in wechselnden Mietobjekten untergebracht war. Besonders eilig hatten sie es jedoch nicht: Erst 1939 nahmen die Diplomaten ihre Tätigkeit neben dem Brandenburger Tor auf; doch zwei Jahre später, nach dem Kriegseintritt der USA, wurden die Beziehungen zwischen den beiden Staaten abgebrochen.

Kurz nach der Wende beschlossen die USA, an den alten Standort zurückzukehren. Bis zur Realisierung dieses Vorhabens dauerte es allerdings noch länger als seinerzeit bis zum Einzug ins Palais Blücher. Zwar lag bereits 1996 der aus einem Architektenwettbewerb hervorgegangene Entwurf des Büros Moore Ruble Yudell vor, und 1997 stellte der damalige US-Botschafter John Kornblum die Eröffnung der Botschaft für das Jahr 2000 in Aussicht. Nach Terrroranschlägen auf US-Vertretungen in Afrika im Jahr 1998 verschärften die Verantwortlichen in Washington die Sicherheitsanforderungen aber so massiv, dass es eine Zeitlang fraglich schien, ob sich der Neubau an diesem vielbesuchten Ort mitten in der Stadt überhaupt realisieren ließe. Erst die Verlegung von Behren- und Ebertstraße machte den Weg für den Baubeginn frei.

Damit ist jetzt auch die vierte Siegermacht des Zweiten Weltkriegs unweit des Pariser Platzes ansässig: Der russische Botschafter residiert in einem pompösen Gebäudekomplex aus den fünfziger Jahren Unter den Linden, während Großbritannien seine Botschaft in der Wilhelmstraße im Jahr 2000 und Frankreich seine Vertretung auf der Nordseite des Pariser Platzes 2003 eröffnete. Zusammen mit den weiteren Neubauten – dem Hotel Adlon, der Akademie der Künste, den Bankgebäuden von Dresdner Bank, DZ-Bank und Commerzbank sowie dem von einer Stiftung genutzten Haus Liebermann – hat der berühmte Platz jetzt wieder seine Kontur gewonnen, wie sie König Friedrich Wilhelm I. vor bald 300 Jahren als Quarrée (Viereck) angelegt hatte. Die Wunden der deutschen Teilung, so scheint es, sind nun auch an diesem weltgeschichtlich so bedeutsamen Ort verheilt.

Paul Munzinger

 

36 - Herbst 2008
Stadt