Angriff der Füchse

Berlin hat sich als einstige Handball-Hochburg wieder einen festen Platz in der Szene gesichert. Jetzt richtet sich der Blick auf die Spitze der Bundesliga.

Die Zeit des Beobachtens und des Abwartens ist vorüber. Bei den Füchsen Berlin stehen die Zeichen auf Angriff. „In den nächsten zwei bis drei Jahren werden wir in die Spitzengruppe der stärksten Liga der Welt vorstoßen und auch international angreifen“, formuliert Vereinschef Frank Steffel den geplanten Quantensprung. Als solchen kann man die Entwicklung der Berliner in der deutschen Handballszene durchaus bezeichnen. Vor drei Jahren hat der damals stark abstiegsbedrohte Zweitligist erst im allerletzten Anlauf überhaupt vom Verband die Lizenz zum Überleben erhalten. Jetzt sind bereits die nationalen Überflieger-Mannschaften aus Kiel, Mannheim, Flensburg, Hamburg und Magdeburg die Orientierungslinien.

Der Grund für den berechtigten Optimismus liegt – wie im Profisport heute üblich – auf der wirtschaftlichen Schiene. „Wir haben mit IMG einen Vertrag abgeschlossen, der uns künftig große Möglichkeiten gibt, umfangreich in die Verstärkung der Mannschaft zu investieren“, so Steffel. Der weltweit agierende amerikanische Vermarktungs-Riese übernimmt für die nächsten zehn Jahre die Außendarstellung der Füchse und kümmert sich professionell um die Sponsorenbetreuung und Gewinnung neuer Förderer.

Damit wird vor allem Bob Hanning entlastet. Der Manager und ehemalige Trainer des HSV Hamburg hat in den drei Jahren seines Engagements die im Niemandsland und unter Ausschluss der Öffentlichkeit dahindümpelnden Handballer ans Tageslicht geholt. Für den verschlafenen Provinzverein modellierte er die in der Vergangenheit traditionsreiche Abteilung – vor zwei Jahrzehnten bestimmten die Füchse schon einmal die deutsche Spitze mit und wirbelten auch den Europapokal durcheinander – zum Leuchtfeuer. Innerhalb dieser drei Jahre verwandelte der ruhelose Ruhrpottler eine Schuldenlast von einer halben Million Euro in das stattliche Budget von 3,5 Millionen.
Obwohl nach der Kontrakt-Unterzeichnung mit IMG keine Zahlen nach außen dringen, sollte sich der im Vorjahr mit selbigen 3,5 Millionen Euro bezifferte Etat des Erstligisten dadurch in der nächsten Zeit fast verdoppeln, schätzen Insider. „Wir werden durch das Engagement von IMG etliche Millionen zusätzlich bewegen können“, ließ Steffel verlauten.

Damit ist das Umfeld federweich ausgestattet. Immerhin stellt IMG den Füchsen vier hauptamtliche Mitarbeiter zur Verfügung. Deswegen gilt das Augenmerk der Berliner nun sportlichen Höhenflügen. Im Mannschaftsgefüge, das Anfang Juli bei den ersten Trainingseinheiten für die Bundesliga-Saison vorgestellt wurde, wird das noch nicht deutlich. „Wir sind mit der personellen Zusammensetzung zufrieden. Nachdem wir wegen der unerwartet hohen Einnahme an Eintrittsgeldern bereits im Winter die polnischen Nationalspieler Bartlomiej Jaszka und Michal Kubisztal zusätzlich verpflichtet haben, ist unser Team jetzt erst einmal komplett“, sagt Manager Hanning und fühlt sich dort mit Trainer Jörn-Uwe Lommel auf einer Linie.

Neu im Team ist bisher lediglich der Spanier Jonathan Rivera, der bereits vor drei Jahren für die damals abstiegsbedrohten Füchse auflief. Der Abwehrspezialist kehrte aus Dessau zurück an die Spree. Dafür hat der junge Frankfurter Toni Kern Berlin verlassen. „Wir wollten seinem Wechsel keine Steine in den Weg legen. Er ist ja auch weich gefallen“, umschreibt Hanning die Auflösung des noch laufenden Vertrages mit dem gelernten Mechatroniker. Der Rückraumspieler steigt sportlich nicht ab: Mit dem Schweizer Meister Amicitia Zürich spielt der 19-Jährige sogar in der Champions League, dem späteren Ziel der Füchse.

Die Zusammenarbeit mit IMG und der breitere finanzielle Spielraum sollen die Mannschaft aber nicht zum Kunstprodukt internationaler Stars verkommen lassen. „Wir legen weiter sehr viel Wert auf die Berlinisierung“, garantiert Hanning. Dafür übernimmt der frühere Co-Trainer der Nationalmannschaft selbst die Ausbildung der jungen Handballer an der Eliteschule des Sports. So ganz kann der ehemalige Assistent von Bundestrainer Heiner Bank die Coachingzone doch nicht verlassen. Zuletzt hatte er die A-Jugend des Vereins betreut und war zum zweiten Mal hintereinander in die Endrunde der besten vier deutschen Nachwuchsmannschaften vorgestoßen. Hier unterlagen die Jung-Füchse im Halbfinale nur hauchdünn. „Das war richtig bitter. Wir waren nicht schlechter, aber eben auch nicht so viel besser, als dass es ungerecht gewesen wäre“, umschreibt Hanning das Ergebnis. Immerhin verhalf diese Niederlage dazu, dass der 40-Jährige die Tür zu seiner Trainerkarriere nicht – wie geplant – völlig zugeschlagen hat. Den höheren Anspruch werden die Füchse auch einige Male am Zuschaueraufkommen testen. Der Zuspruch in der Handball-Hochburg Berlin hat im Premieren-Jahr der Erstliga-Zugehörigkeit alle Erwartungen übertroffen. Deswegen werden die drei Punktspiele gegen Lemgo, Magdeburg und Kiel in der um die 17 000 Besucher fassenden neuen O2 World am Ostbahnhof ausgetragen. „Wir hätten in der vergangenen Saison gegen Kiel sage und schreibe 45 000 Karten verkaufen können. Diesem Ansturm und dieser Begeisterung wollen wir gerecht werden. Ansonsten bleibt aber die Max-Schmeling-Halle unsere Heimstatt“, versichert Hanning.

Hans-Christian Moritz
 

36 - Herbst 2008
Sport