Harriet Wallace-Jones und Emma Sewell in Großbritannien entwerfen feine Webwaren mit Wiedererkennungswert.
Einen Schal von „Wallace Sewell“ erkennt man. Liebhaber feiner Accessoires werden gleich magisch angezogen von den grafischen Mustern, sorgsam gewebt in verschiedenen Farbverläufen zu Streifenkombinationen aller Art: aus schimmernder Seide, Baumwolle, aus kuschliger Wolle, kostbarem Kaschmir und flauschigem Mohair. Wallace Sewell ist das perfekte britische Label für Understatement. Seit bald 30 Jahren sind die beiden Ladys Harriet Wallace-Jones und Emma Sewell eine schier unerschöpfliche Quelle immer neuer Linien. Jedes Stück ist irgendwie wiedererkennbar: Wallace Sewell pur.
Ein überschaubarer Shop in London. Wer ihn betritt, ist schnell verloren. Nicht nur Schals für alle Jahreszeiten in warmen matten Farben liegen bereit. Auch Kissen, prachtvolle Bettüberwürfe, Cardigans und Teppiche stapeln sich. Die Weberinnen des Bauhauses vor hundert Jahren hätten zufrieden mit dem Kopf genickt wegen der verwandten Seelen, die hier am Werk waren. Ganz sicher waren und sind sie Inspiration für die beiden Textilkünstlerinnen Harriet und Emma. Beide studierten am berühmten Londoner Royal College of Art – eine Kultur- und Kunstschmiede mit Weltruf.
Streifenkombinationen mit Wiedererkennungswert
Zusammen starteten die beiden Frauen 1992 mit ihren kühnen konsequenten Künsten als Unternehmerinnen durch. Alles beginnt mit dem Garn. Oder doch mit dem Tuschkasten? Das Studio von Wallace Sewell befindet sich in London so wie der Shop. Da sitzt Emma am Zeichentisch oder in Dorset, der Grafschaft im Südwesten Englands, wo auch die Weberei ist, betrieben von einer Familie von Webern seit Generationen. Emma und Harriet lassen sich aber nicht nur vom Bauhaus inspirieren. Auch die Farben in berühmten Gemälden sind ein ständiger Quell ihrer Inspiration.
Emma tuscht Muster um Muster in immer anderen Zusammenhängen aus verschiedenen Farbfamilien auf ein Blatt Papier. Genauso gern entwirft sie aber am Computer, bevor dann die beiden Frauen an einem handbetriebenen Webstuhl die neuen Muster auf ihre Wirkung überprüfen. Erst dann geht es nach Dorset an die großen eisernen Webstühle, wo so manche Idee in vertrauter Zusammenarbeit mit den erfahrenen Weberinnen und Webern spontan einfließt. Dem Weben folgt das so genannte Finishing. Das Webstück wird gewaschen und gepresst und bekommt erst dadurch seinen luxuriösen Touch.
Zurück in der Weberei werden Schal für Schal und Kissen für Kissen aus dem großen Ganzen getrennt. Weben ist wie Mathematik, nicht nur die Umsetzung von Wallace und Sewells erdachter Ideen. Es ist aber auch Malen mit Garn und ein großartiges Handwerk. Am Ende soll das fertige Bild immer die berühmte Balance des Labels haben. Weben ist fast so alt wie Welt. Alle Kulturen haben sich seiner bedient und damit Geschichte gemacht.
Für Harriet und Emma ist es sehr bewegend, wenn ihnen auf der Straße jemand begegnet, der vielleicht einen Schal aus einer ihrer ersten Kollektionen umgeschlungen hat. Das sagt ihnen, sie haben etwas ganz und gar Zeitloses und Einmaliges geschaffen, was Jahrzehnte überdauern kann: weil die Qualität sich bewährt und ihr Style sich nicht den Modetrends an den Hals geworfen hat.
Wallace und Sewell haben es weit gebracht. Heute kann man ihre Textilarbeiten in 200 bis 300 Geschäften in nahezu 20 Ländern kaufen; dazu in den großen Kulturpalästen auf der Welt, wie im Museum of Modern Art in New York oder in der Londoner Tate Modern. Für die Londoner U-Bahn schufen sie einst die mehrfarbig gemusterten strapazierfähigen baumwollenen Polster. Das ist schon lange her. Ihre Arbeit hat sich gut bewährt.
Aktuell haben die Ladys 48 neue Schals in neun verschiedenen Styles im Angebot. Ein besonders schönes Exemplar zeigt eine Art Honigwabenmuster. Ein Wallace-Sewell-Klassiker. Zwei Dessins haben sie einen zeitgenössischen Dreh verpasst. Manche der Schals haben eine sportliche Länge. Andere sind üppig zum Einwickeln gefertigt.
Wie zu Beginn teilen Wallace und Sewell mit Begeisterung ihre Zuneigung für Farbtheorie und das Weben. Jedes Mal aufs Neue sind der kreative Prozess und dann die gemeinsame Umsetzung für sie wie eine spannende Reise. Das erkennt man in jedem ihrer Stücke, und das macht sie so einmalig. Diese Muster mit der ganz besonderen Geometrie, der Struktur des Gewebes und der Mixtur der Garne. Schön, wie gemalt.
Inge Ahrens
Information
Einige der Produkte von Wallace Sewell bekommt man in Berlin u. a. bei www.elements.com und in Potsdam im Shop des Museums Barberini, www.Museum-barberini.de