Kunsthaus ohne Attitüde

Die Galeristen-Dynastie Bastian ist zurück in Berlin und hat sich in Dahlem einen Galerie-Pavillon von John Pawson bauen lassen. Nachdem im letzten Jahr die staatlichen Dahlemer Museen in das Humboldtforum nach Mitte gezogen sind, tut die private Kunstwelt das Gegenteil: Die Galerie Bastian hat einen bemerkenswert schlichten Ausstellungspavillon in Zehlendorf eröffnet. Der Neubau in der Taylorstraße entstammt dem Entwurf des britischen Architekten John Pawson, ein Meister des Minimalismus. Er lebt vor allem von seiner „metaphernlosen asketischen Architektursprache,“ so formuliert es Aenes Bastin, Kunstsammler und Leiter der Galerie.

Pawsons Entwurf respektiert den umliegenden kleinen Park mit seinen alten Eichen und Waldkiefern, die das neue Kunsthaus auf zwei Seiten umschließen. Von jedem Standpunkt in der Galerie sind durch die mehr als fünf Meter hohen Fenster Bäume zu sehen. Auf dem benachbarten Gelände, auf dem es früher ein Einkaufszentrum für amerikanische Soldatenfamilien gab, ist ein Wohnviertel gebaut worden. Die Vegetation filtert den Anblick der neuen Siedlung.

Das Renommee des Architekten beruht auf Klarheit und subtiler Schlichtheit. Die Vereinfachung bis zum „Fast-nichts“ gelingt dem Briten mit genauer Kontrolle aller Details. Dagegen lehnt Bastian „exzentrische Architektur, die sich selbst als Exponat versteht“, ab, wie er sagt. Das wäre ein Seitenhieb auf die spätestens seit dem Guggenheim-Museum in Bilbao verbreitete Museums-Architektur „mit Attitüden“, wie Bastian sie nennt. „Kunst braucht die Formen dieser Architektur nicht“, sagt er. Aber eine klinisch-kühle „white box“ ist sein neues Berliner Haus glücklicherweise auch nicht. Kein „Haus ohne Eigenschaften“, sondern belebt durch Tageslicht und Parklandschaft. „Große Konzentration in kleinen Räumen“ wünscht sich der Galerist, der, nachdem die Eltern 2019 ihr „Galeriehaus Am Kupfergraben“ in Berlin der Stiftung Preußischer Kulturbesitz als Bildungszentrum schenkten, zunächst einen Ausstellungsraum in London Mayfair eröffnete. Zurück in Berlin, wollte Aenes Bastian nicht wieder mit David Chipperfield zusammenzuarbeiten wie beim Haus Am Kupfergraben. Als er Pawson in London kennenlernte, bat er ihn um einen Entwurf.

Vorbild für das neue Berliner Kleinod der Kunst war der Pavillon, den Renzo Piano für Cy Twombly 1995 in Houston entwarf. Obwohl die Fassaden dieser beiden Kunsträume in Berlin und Texas tatsächlich ähnlich gediegen und edel wirken, ist die Raumwirkung in beiden Häusern grundverschieden. Während Piano in Amerikas Öl-Metropole sein Faible für elegante Lichtdecken ausspielte, setzt Pawson in Berlin ganz auf das Streiflicht, das durch die umgebenden Bäume in die Galerie fällt. Die Decke des Berliner Neubaus ist fast ganz geschlossen. Zwei dimmbare Lichtröhren müssen abends für die Präsentation der Kunstwerke genügen.

Das Haus hat eine gemauerte Natursteinfassade und hohe Fenster mit Rahmen aus verzinktem Stahl. Im Inneren verströmen die Türen aus Eiche und der Kalksteinboden eine „archaische Anmut“, wie Bastian es nennt. Die Galerie hat Deckenhöhen von 5,60 Meter. Die Schwellen zwischen innen und außen und damit von Kunst und Natur sind sorgfältig gestaltet. Für Pawson ist die Bastian Galerie bereits der zweite Kunst-Ort in Berlin. In Kreuzberg hat er aus einem düsteren Bahnbunker einen beeindruckenden Ort für den Sammler Désiré Feuerle geschaffen. Pawsons Konzept der „Einfachheit als Vollkommenheit“ trägt in Berlin auch noch ein zweites Mal. Bastians Neubau erinnert an Alain de Bottons Sentenz, dass Architektur „im Idealfall dazu führt“, dass wir „an einem anderen Ort ein anderer Mensch“ sind.

Ulf Meyer

 

Information
Galerie Bastian, Berlin: Di – Sa von 11 – 18 Uhr
www.bastian-gallery.com

TIPP
Mit dem Ausstellungspavillon gesellt sich die Galerie Bastian zum altehrwürdigen Brücke-Museum, dem Haus am Waldsee und dem neuen „Fluentum“ im Berliner Bezirk Zehlendorf. Ein Spaziergang durch Dahlem lässt sich ideal mit dem Besuch erlesener Kunstorte verbinden.

 

88 - Frühjahr 2022
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