In Berlin zu Hause

Die Berliner Stadtreinigung bringt Müllentsorgung, Umweltschutz und Energiegewinnung unter einen Hut.

Orange fällt auf und räumt auf – Orange ist Kult in Berlin. Orange ist die Berliner Stadtreinigung (BSR), und die leuchtet und lässt die Stadt vor Sauberkeit leuchten. Das ist nicht übertrieben, denn Berlin ist eine saubere Stadt. Irgendwer hat sich irgend­wann diese grelle Farbe mal für Müll­autos, Müllmänner, Papierkörbe etc. ausgedacht. „Es ist“, sagt Vera Gäde-Butzlaff, Vorstandsvorsitzende der BSR, „zunächst eine Schutzfarbe für die Mitarbeiter, die auf der Straße arbeiten, egal ob sie den Berliner Müll entsorgen oder die Straßen und Plätze kehren. Aber durch die humorvolle Werbung auf Papierkörben und den großen Werbetafeln ist dieses Orange Kult geworden.“ In der jüngsten Werbekampagne wirbt das Unternehmen mit dem Slogan „Wie zuhause. Nur größer.“ Auf den Werbetafeln sieht man, wie die Mitarbeiter der BSR Straßen und Plätze vom Schmutz befreien, dabei erscheint die Umgebung fast wie eine Puppenstube, und die Männer in Orange wirken wie Riesen. „Dahinter steckt die Idee“, sagt Vera Gäde-Butzlaff, „dass zu Hause natürlich auch alle mithelfen, wenn es um die Ordnung geht, und wir schaffen es auch nur, wenn sich die Berliner angesprochen fühlen und auf Sauberkeit achten. Wir sind ein Berliner Unternehmen, immerhin schon seit 1875, sind mit der Stadt verwurzelt wie kaum ein anderes. Neben der konstant guten Qualität der Dienstleistungen, die für die Akzeptanz der BSR das wesentliche Kriterium ist, hilft die Verwurzelung mit der Stadt und die darauf aufbauende Kampagne dabei, Vertrauen zu stärken.“

Doch würde, das weiß die Chefin sehr genau, diese freundliche Werbung nicht von echten Leistungen untersetzt sein, dann würde sie nicht akzeptiert werden. Hier einige Fakten: Die Berliner Stadtreinigung hat zirka 890 Quadratkilometer Fläche zu reinigen. Diese wenig vorstellbare Zahl bringt Frau Gäde-Butzlaff in Relationen, die tatsächlich Staunen machen: „München, Frankfurt/Main und Stuttgart, diese drei Städte könnte man in Berlin unterbringen.“ Und Berlin ist eine grüne Stadt – schön –, aber da fällt im Herbst auch eine ganze Menge Laub an. Ganz wichtig ist natürlich die Müllentsorgung, pünktlich, ohne viel Aufhebens. Mit 300 Fahrzeugen werden über eine halbe Million Mülltonnen teilweise mehrmals in der Woche geleert. Rund eine Million Tonnen Müll produzieren die Berliner etwa pro Jahr. Dazu kommen noch die getrennt gesammelten Bioabfälle aus den BioGut-Tonnen und den Laubsäcken, die Wertstoffe, die auf den Recyclinghöfen abgegeben werden, die Sperrmüllabholung aus den Haushalten und, nicht zu vergessen, die über 20 000 Papierkörbe, die teilweise mehrfach täglich geleert werden.

Diese Zahlen und die dahinter stehenden Leistungen muss man erst mal verarbeiten. Doch für Vera Gäde-Butzlaff verzahnen sich diese Aufgaben mit Zukunftsplanung. Müllkippen gibt es schon lange nicht mehr. Müll ist heutzutage Wertstoff und muss so behandelt werden, dass er uns als Rohstoff oder klimaschonend in Form von Energie wieder zugute kommt“, sagt Vera Gäde-Butzlaff. „Erst jüngst wurde eine neue Sperrmüllaufbereitungsanlage in Betrieb genommen. Der Sperrmüll wird in seine Bestandteile zerlegt, Metall zum Beispiel geht dann wieder in die Produktion, andere Bestandteile werden zu einem Ersatz für fossile Brennstoffe, mit denen Strom und Wärme erzeugt wird und die so gleichzeitig zur Senkung des Kohlendioxid-Ausstoßes beitragen. Ge­plant sind derzeit zwei Bio-Vergärungsanlagen, mit denen dann aus ­BioGut Humus produziert, vor allem aber Bio-Gas gewonnen wird. Das ­­Bio-Gas will die BSR teils in Block­heizkraftwerken zur Erzeugung von Strom und Wärme nutzen, teils zur Betankung der eigenen gasbetriebe­nen Müllfahrzeuge verwenden. Letzte­res ist greifbare Kreislaufwirtschaft. Auch in unseren modernen Anlagen wird Müll entsorgt und gleichzeitig zu Energie umgewandelt. „Da schlagen wir zwei Fliegen mit einer Klappe, denn unsere Müllverbrennungsanlage trägt nicht nur zur Entsorgungssicherheit Berlins, sondern auch ganz erheblich zum Klimaschutz bei.“

Die BSR ist das erste öffentliche Unternehmen, das sich in einer Klimaschutzvereinbarung zur Einsparung von CO2 verpflichtet hat. Nicht nur die effektiven Anlagen tragen dazu bei, sondern viele Müllfahrzeuge fahren mit Gas, und gekauft werden ohnehin nur Autos, die dem höchsten technischen und umweltfreundlichsten Standard entsprechen.
Vera Gäde-Butzlaff plädiert gerade vor dem Hintergrund der notwendigen Ressourcenschonung für eine Mülltrennung. Beispielsweise sind Glas und Altpapier wertvolle Rohstoffe, die sauber getrennt gut stofflich verwertet werden können. Ebenso verhält es sich beim Bio-Abfall, sauber getrennt kann aus ihm nicht nur Humus, sondern auch Energie werden. Müll als Rohstoff und Energielieferant. Wer ahnt das schon, wenn er seinen Abfall in die Tonne wirft.

Diese echte Kreislaufwirtschaft und die effektive Organisation des Unternehmens tragen dazu bei, dass Berlin die niedrigsten Müllgebühren unter den deutschen Großstädten hat. Die BSR-Chefin betont, dass dieses Ergebnis nur erreicht werden konnte, weil die BSR ein kommunales Unternehmen ist. „Kostensenkungen kommen bei uns immer direkt den Berlinerinnen und Berlinern zugute. Und auch das ist wichtig, die Straßenkehrer und Müllwerker bekommen Tariflohn, bringen Kaufkraft in die Stadt und sind vor allem nicht auf soziale Transferleistungen angewiesen.“

Darüber hinaus engagiert sich die BSR bei vielen sozialen Projekten, insbesondere für Kinder und Jugendliche. Erziehung zu Sauberkeit, so banal es zunächst klingt, nicht nur in den eigenen vier Wänden, ist ein wichtiges Anliegen, und es kann nie verkehrt sein zu vermitteln, was passiert, wenn man Papier achtlos wegwirft. Welcher Kreislauf dabei in Gang gesetzt wird und was möglicherweise mit diesem Stück Papier passiert oder eben auch nicht. Das ist ein kleiner, aber wichtiger Beitrag zur Erziehung des Umweltbewusstseins. Aber es gibt auch ganz spezielle Projekte, wie die „ecopolicyade“ in Berlin. „Ecopolicy“ ist ein Computerspiel der besonderen Art. Das Land Kybernetien soll so regiert werden, dass alle Bewohner glücklich und zufrieden leben können. Tieferer Sinn ist es, den Schülern vernetztes Denken nahezubringen. Das ist praktisch BSR-live: Denn dieses Unternehmen muss täglich Qualität, Kundenzufriedenheit, Kosten und den Umweltschutz im Blick haben – und das natürlich auch alles noch mit Spaß und Freude.  

Martina Krüger

 

35 - Sommer 2008
Stadt