Quadratisch, praktisch, Blech

Sie sind eine architektonische Rarität, die 22 Kupferhäuser in der Region Berlin-Brandenburg. Sogar das MoMA in New York hat jetzt Interesse an ihnen signalisiert, oder besser an einer Ausstellung, die das Bezirksamt Reinickendorf vor einigen Jahren zum Thema „Kupferhaus“ gestaltete. Im Berliner Stadtgebiet gibt es insgesamt sieben dieser besonderen Bauten aus den 1930er Jahren mit ihren Fassaden ganz aus Kupfer und den Stahlblech-Innenwänden. Zu finden sind sie meist in den Außenbezirken, in Reinickendorf, Zehlendorf, Spandau und Köpenick. Längst sind die einst glänzenden Metalloberflächen nachgedunkelt. Da und dort hat sich Grünspan gebildet. Auch haben nicht mehr alle Häuser noch ihr ursprüngliches Kupferdach. Oftmals ist es durch normale Dachschindeln ersetzt worden. Ein Haus, wo noch vieles original erhalten ist, steht in der Alemannenstraße in Frohnau. Die derzeitigen Eigentümer leben ganz bewusst in diesem besonderen Haus. „Es ist angenehm, hier zu wohnen“, sagt die Eigentümerin. „Das Haus vom Typ Kupfercastell ist seit dem Bau in Familienbesitz.“ In einigen Räumen habe man die Metallplatten innen verkleidet, in anderen seien sie nur überstrichen worden, so dass man die verschiedenen Reliefmuster noch sehen könne.

Das Kupferhaus-Experiment hatte vor gut 80 Jahren angefangen. Die Hirsch Kupferwerke Eberswalde-Finow arbeiteten seinerzeit an einem neuartigen Patent für Fertigteilhäuser. Der Architekt Robert Krafft und der Ingenieur Friedrich Förster haben es gemeinsam entwickelt. Die Häuser bestanden aus einer Holzrahmenkonstruktion und vorgefertigten Kupfer-Eternitelementen. Zur Dämmung dienten Aluminiumfolie und Kokosmatten. Insgesamt ist die Wand etwa acht Zentimeter stark. Für die Auskleidung der Innenwände und Decken standen sechs verschiedene geprägte Stahlbleche in Nilgrün, Pastellblau oder Korallenrot zur Auswahl. In Eberswalde-Finow wurden zur Erprobung acht Musterhäuser als Teil der Werkssiedlung aufgestellt. Angestellte sollten erst einmal Komfort sowie Wetterbeständigkeit testen. Wie sich herausstellte, mit Erfolg.
1931 war es dann so weit, die Häuser wurden auf der Berliner Bauausstellung angeboten. Im Werbeprospekt berief man sich auf die Qualität und Haltbarkeit alter Kirchendächer.

Sechs unterschiedlich große Haustypen kamen unter wohlklingenden Namen wie Kupfercastell, Juwel, Frühlingstraum oder Lebenssonne auf den Markt. Die Einfamilienhäuser wurden komplett bezugsfertig übergeben, mit Zentralheizung, Küche, Einbauschränken und Elektroinstallation. „Unsere Vorfahren, die das Haus vor 75 Jahren bauen ließen, sind drei Wochen in den Urlaub gefahren, dann war das Haus fertig“, erzählen die Kupferhaus-Bewohner aus der Alemannenstraße. Und vergleichsweise preiswert sei das Gebäude auch gewesen. „14.000 Reichsmark haben sie damals für alles bezahlt, die Rechnung haben wir noch.“ Doch zunehmend mehrten sich auch die bautechnischen und architektonischen Bedenken. Die „Hirsch Kupfer Messingwerke AG“ entschlossen sich daraufhin zur Zusammenarbeit mit dem Bauhaus-Architekten Walter Gropius. Ihm schwebte seit den 20er Jahren eine fabrikmäßige Produktion von preiswerten Einfamilienhäusern vor. Seit seinem Rücktritt als Bauhausdirektor 1928 arbeitete Gropius als selbständiger Architekt in Berlin. Zwei Musterhauspläne für die Fertigbaureihe hat er für die Hirsch-Werke ausgearbeitet. „Leider können wir kein von Gropius geplantes Haus heute mehr nachweisen“, sagt Christian Wolsdorff vom Berliner Bauhaus-Archiv. Die wichtigsten Veränderungen, die Gropius an den Häusern vornahm, waren Aluminiumtafeln an Stelle des Stahlblechs im Innenbereich, einfachere Eckverbindungen und ein verändertes optisches Erscheinungsbild. Die Zusammenarbeit mit Hirsch-Kupfer dauerte allerdings nur einige Monate. Die Zeiten waren wirtschaftlich schwierig, und die Produktion der Häuser wurde in die Deutsche Kupferhausgesellschaft ausgegliedert. Bedenken, die von Kritikern gegen die Kupferhäuser vorgebracht wurden, betrafen immer wieder die befürchteten hohen Innentemperaturen im Sommer. Die heutigen Frohnauer Bewohner bestätigen: „Das Haus wird zwar von außen sehr heiß, aber durch die gute Wärmedämmung ist innen davon nicht so viel zu spüren.“ Von Hitzestau könne keine Rede sein.

Schließlich waren die Kupferhäuser 1931 für afrikatauglich erklärt und auf der Kolonialausstellung in Paris prämiert worden.
Durch die Auswanderungswelle deutscher Juden nach Palästina ab 1933 stieg der Bedarf an Wohnraum dort immens an und ebenso das Interesse an vorgefertigten Häusern, die sich für den Export eigneten. Doch Mitte der 30er Jahre kam der Metall-Wohnungsbau nach einem Erlass von Albert Speer zum Erliegen. Kupfer und Stahl wurden in der Rüstungsindustrie gebraucht. Der jüdische Besitzer der Kupfer-Werke Eberswalde war zuvor nach London emigriert. Heute gibt es weltweit nur noch etwa 50 Häuser dieser Art, ein Großteil in Berlin und im Umland.

Karen Schröder

 

35 - Sommer 2008
Stadt