In die Seele geschaut

Jim Rakete gehört zu den begehrtesten Porträtfotografen in Deutschland. Jetzt ist ein Buch erschienen, in dem er seine fotografischen Werke von prominenten Persönlichkeiten zeigt.

Jüngst stellte er seine neuen Arbeiten, die hauptsächlich im letzten Jahr entstanden sind, in der Berliner Galerie Camerawork aus. Und in seinem neuesten Fotoband zeigt der ehemalige Musikproduzent Menschen aus sämtlichen Bereichen des öffentlichen Lebens, wie Angela Merkel, Mario Adorf, Klaus Maria Brandauer, Cosma Shiva Hagen. Als „vertraute Fremde“, so der Untertitel des Buches, stehen sie dem Betrachter gegenüber und scheinen ihm näher zu kommen, als ihr Image es eigentlich erlaubt. Jim Rakete darf so nah kommen. Mit seiner Plattenkamera kehrt er ehrfürchtig zu den Wurzeln der Fotografie zurück und zögert den Abschied von der analogen Silberfotografie hinaus. Ein Geräusch treibt ein Lächeln auf Raketes Gesicht: Das Klicken des Verschlusses seiner riesigen Linhof-Plattenkamera. Mit diesem monströsen Apparat hat er seine Protagonisten festgehalten: „Ich wollte die Technik nochmal feiern“, sagt Rakete. Mit 1/8 Sekunden Verschlusszeit hat er die Porträts geschossen. Im Zeitalter der digitalen Fotografie heißt das ungewohnt langes Stillhalten. Die Linhof benötigt außerdem viel Handarbeit und natürlich beidseitige Konzentration. Dadurch gibt er sich und den Porträtierten und letztlich auch dem Betrachter den Moment, die Zeit anzuhalten.

Alle Fotos sind analoge Fotos in Schwarz-Weiß ohne Effekte und digitale Nachbearbeitungen.

Zwischen Fotograf und Modell entstanden so intime Augenblicke, dass es scheint, als würde man bekannten Persönlichkeiten wie Til Schweiger, Heike Makatsch, Jürgen Vogel oder Otto Sander durchs Foto in die ungeschminkte Seele schauen.
„Die Persönlichkeit wirft immer das Bild von sich selber.“ Auch Götz George ist verewigt, wie er lässig nach vorn gebeugt auf einem Stuhl sitzt. „Er brauchte schnell ein Foto von sich. Die meisten Bilder sind im Arbeitsumfeld der Person entstanden.“ Jim Rakete wurde am 1. Januar 1951 geboren. Er arbeitete zunächst für diverse Zeitungen und Magazine, bis er 1977 in Berlin-Kreuzberg die Fabrik Rakete gründete.

Mit seinen Aufnahmen will er im besten Sinn Zeitzeugnisse schaffen. Zugleich möchte Jim Rakete mit seinen Fotos die Zeit ein wenig anhalten. Wie er sich selbst einschätzt: „Ich kann meine Arbeit nicht beurteilen, ich bin ein Jäger, hinterher sieht man etwas oder auch nicht. Was Leute darin sehen, liegt im Auge des Betrachters.“ Eines der ältesten Fotos ist übrigens von 1965 und zeigt Willy Brandt. Rakete schoss es als Schüler und fand es neulich wieder – auf demselben Film, auf dem auch das Meerschweinchen seiner Schwester verewigt ist.

Götz Gerson

 

 

Buchtipp

Jim Rakete, „1/8 sec./Vertraute Fremde“.
Gebunden, 272 Seiten, 68 Euro,
Verlag Schirmer/Mosel

 

34 - Frühjahr 2008