Die Eden-Idee

Das Paradies fängt gleich hinter Oranienburg an, wenn man es dort sucht. Und das nicht nur während der Apfelernte. Am 28. Mai 1893 beschlossen 18 reformbegeisterte Männer im vegetarischen Wirtshaus „Ceres“ in Berlin-Moabit, einen Garten Eden zu begründen.

Eden ist Deutschlands erste ökologisch ausgerichtete Siedlung. Man erwarb vorerst 160 Morgen Land, das man genossenschaftlich verwaltete, und begann mit der Pflanzung von Obstbäumen. Bereits fünf Jahre später konnte die Fläche auf 500 Morgen ausgedehnt werden, und eine „Eden-Obstverwertung“ kam dazu. Nach der Jahrhundertwende nahm man auch andere Reformwaren mit ins Sortiment. Bekannt geworden ist vor allem die von dem Arzt Dr. Friedrich Landmann entwickelte „Edener Pflanzenbutter“. Die drei Bäumchen im Wappen der Eden-Siedlung stehen für Lebensreform, Bodenreform und Wirtschaftsreform. Eden war ein in sich geschlossenes Gemeinwesen mit Infrastruktur und entsprechenden gemeinnützigen Einrichtungen geworden. Man besaß eine eigene Schule, ein Kinderheim, ein Gemeinschaftshaus, ein eigenes Entbindungsheim und eine Kureinrichtung.

Im Laufe seiner Geschichte wurde Eden immer wieder auch ein Anziehungspunkt für Künstler und Intellektuelle. Der originellste Geist unter ihnen war zweifellos Silvio Gesell. Der bekannte Theoretiker von Freiland und Freigeld siedelte über mehrere Jahre in Eden. Die über das Wirtschaftliche hinausgehenden Ziele der Obstbau-Kolonie spiegelten sich auch in der Gemeindeordnung aus dem Jahre 1904. Dort heißt es: „Jedes Gemeindeglied hat eingedenk zu sein, dass die Kolonie Eden nicht nur eine Produktionsgenossenschaft zur Erzielung materiellen Gewinns ist, sondern dass sie in erster Linie gegründet ist, um ein Sammelpunkt sittlich-strebender Menschen zu sein.“ Ein Höhepunkt in der Edener Geschichte war der 8. Internationale Vegetarierkongress 1932, von dem viele Bilddokumente zeugen.

Wie viele andere Vertreter der Lebensreformbewegung, so war auch manch Edener Siedler anfällig für nationalsozialistisches Gedankengut. Was sich schon während des Ersten Weltkrieges angedeutet hatte, das bekam in den Jahren nach 1933 auch staatlicherseits Rückenwind. Vom Zweiten Weltkrieg blieb jedoch auch Eden nicht verschont. Nicht nur dass Männer aus der Siedlung im Krieg fielen, durch Bombenangriffe und Kampfhandlungen entstand auch beträchtlicher materieller Schaden. Das Jahr 1945 markierte in der Geschichte Edens durch das veränderte wirtschaftspolitische Umfeld einen entscheidenden Bruch. Die Genossenschaft wurde Bestandteil in der Planwirtschaft der DDR. In Westdeutschland gab es einen Sonderweg. Der einstige Edener Kurt Großmann gründete 1950 in Bad Soden im Taunus die Eden-Waren GmbH. Markenzeichen, Rezepturen und Kundenlisten konnten übernommen werden. „Eden“-Produkte fanden sich so auch nach dem Krieg in den Reformhäusern der Bundesrepublik Deutschland. Nach 1989 musste sich die Siedlung bei Oranienburg neu finden. Vor ihr stand die Frage, welche Traditionen sind noch zeitgemäß, was muss man verändern? Mit einer genossenschaftlich geführten Baumschule, spezialisiert auf alte Apfelsorten, und einer Streuobstwiese knüpft man an alte Zeiten an. Eine ortsansässige private Mosterei verarbeitet das Obst dann weiter. Gemeinsame kulturelle Aktivitäten wie Töpfern, Theaterspielen und Singen sollen den Zusammenhalt der Edener fördern. Das alte Presshaus wurde unlängst zum Veranstaltungszentrum umgebaut. Engagierte Eltern gründeten eine Freie Schule, und der 2002 eingeweihte Kindergarten machte allein durch seine aus 7000 Lehmsteinen gebaute Kuppel von sich reden. Um den Fortbestand und die Vitalität des Projekts Eden muss man sich jedenfalls keine Sorgen machen. Deshalb ist Eden auch einer der 365 deutschen Orte im Land der Ideen.

Karen Schröder

 


Ausstellung

Eden-Ausstellung mit Sonderausstellung
Gustav Lilienthal – Silvio Gesell – Freiland – Geldreform

Oranienburg-Eden, Struveweg 505
Geöffnet So 14–17 Uhr oder nach vorheriger Anmeldung

www.eden-eg.de

 

34 - Frühjahr 2008