Ich küsse Ihre Hand, Madame

Eine Ausstellung im Museum für Film und Fernsehen erinnert an die großen Kassenerfolge zum Ende der Weimarer Republik.

Als 1927 in den USA mit „The Jazz Singer“ der erste Film gezeigt wurde, bei dem Grammophon und Filmbild zusammen liefen, markierte das den Beginn einer neuen Ära: Der Tonfilm war geboren. Das anfängliche Nadeltonverfahren wurde allerdings sehr bald vom überlegenen Lichttonverfahren abgelöst, bei dem die Tonspur direkt neben den Bildern auf dem Filmstreifen aufgebracht ist. Im Zuge dieser Entwicklung entstand die Tonfilm-Operette. Erstmals 1929 in „Ich küsse Ihre Hand, Madame“ präsentiert, setzte sich diese spezielle Art des Musikfilms schnell durch. Die Filmgesellschaften bauten Musikabteilungen auf, und jeder Film bekam seine eigene Musik. Für die Kinomusiker, die bis dahin die Stummfilme musikalisch beispielsweise am Klavier begleitet hatten, bedeutete das in den meisten Fällen Arbeitslosigkeit. 40000 Berufsmusiker als Opfer des Tonfilms beklagte ein Flugblatt von 1929. Dagegen erlebte die Tonfilm-Operette einen wahren Boom. In so legendären Filmen wie „Die Drei von der Tankstelle“, mit Lilian Harvey, Willy Fritsch, Oskar Karlweis und Heinz Rühmann, wird zudem auch getanzt. In vielen Filmen war der Tanz sogar ein wichtiger Bestandteil der Inszenierung und forderte von den Choreographen und Schauspielern oftmals Höchstleistungen. Ein Beleg dafür, dass manche damaligen Leinwandstars nicht nur als Schauspieler, sondern auch als gute Sänger und Tänzer Bewunderung fanden.

Die Tonfilm-Operetten kamen so gut an, dass Musikauskopplungen als Schlager im Radio, auf Schallplatte oder von Tanzkapellen gespielt ein Millionenpublikum begeisterten. Für den ausländischen Markt wurden die Filme aus den neuen Babelsberger Tonfilmstudios gar in mehreren Fassungen gedreht, weil die Technik des Synchronisierens noch nicht verfügbar war. Auf diese Weise geriet beispielsweise „Der Kongreß tanzt“, mit Lilian Harvey, Willy Fritsch, Adele Sandrock, Lil Dagover, Conrad Veidt und Paul Hörbiger, 1931 zum Welterfolg.

Insofern ist die Tonfilm-Operette auch ein Musterbeispiel moderner Vermarktungsstrategien. Freilich im Zusammenhang mit ihren Inhalten, die dem Zeitgeist geschuldet waren. Die Zeit zwischen 1929 und 1933 stand zwar im Zeichen von Weltwirtschaftskrise, Arbeitslosigkeit und politischen Auseinandersetzungen, doch sie war auch geprägt von Liberalismus und den Errungenschaften und Vergnügungssüchten der modernen Großstadt. So sind die Hauptdarsteller mit Titeln wie „Irgendwo auf der Welt gibt‘s ein kleines bißchen Glück“ oder „Einmal schafft‘s jeder!“ meist auf der Suche nach ihrem privaten Glück, ironisieren und hinterfragen die sozialen Verhältnisse, oder aber sie besingen als gutsituierte Lebedamen mit „Wir sind jung, und uns gehört das Leben“ das tolle, aufregende Großstadtleben.

Reinhard Wahren

 

 

Ausstellung

Wenn ich sonntags in mein Kino geh‘.
Ton – Film – Musik 1929–1933

Bis 27. April 2008

Museum für Film und Fernsehen
Potsdamer Str. 2, 10785 Berlin.

Geöffnet von Di bis So 10–18 Uhr, Do 10–20 Uhr

 

34 - Frühjahr 2008