Natur pur: Albrecht Freiherr Knigge lüftet die Geheimnisse des Rollrasens.
Fertigrasen ist längst Geschichte. Es gibt ihn länger als man glaubt: bald 400 Jahre. Heute nennt man ihn lieber Rollrasen. Das klingt nicht so künstlich. Das Aussäen kam später: im 19. Jahrhundert. Im England des 17. Jahrhunderts war nämlich bei Hofe das Ballspiel beliebt. Marl hieß der Vorläufer vom Golfen. Krocket folgte. Das „Green“ jedenfalls für die weiche gritzegrüne Spielwiese der Erlauchten wurde kurzerhand aus dem reichlich vorhandenen Naturgras abgestochen und einfach an die erwünschte Stelle verpflanzt.
Rollrasen im 21. Jahrhundert ist ein aufstrebendes Naturprodukt. Etwa 2000 Hektar werden übers Jahr in Deutschland verkauft. 70 Produzenten ziehen ihn auf ihrer Rasenfarm, die auch Rasenschule genannt wird. Diese Spezialisten Gärtner zu nennen, wäre zu kurz gefasst. Hier geht es um riesige landwirtschaftliche Flächen von durchschnittlich 30 Hektar. Manche Rollrasenproduzenten bewirtschaften sogar 150 Hektar.
80 Prozent der Produktion in ganz Deutschland geht an private Kunden. Der Rest wächst für den öffentlichen Raum, für Sportplätze, Industrieanlagen und zur Deichsicherung. „Beim Elbehochwasser haben wir ihn gegen das Aufweichen eingesetzt“, sagt Albrecht Knigge. „Das hat den Deich sehr schnell stabilisiert.“
Albrecht Freiherr Knigge, ein Nachfahre des großen Aufklärers und Philosophen im ausgehenden 18. Jahrhundert, Adolph Knigge, ist selbst Rollrasen-Produzent und Vorstand des Deutschen Rollrasenverbandes. Knigge liebt sein Produkt. Der 36-Jährige studierte Betriebs- und Landwirtschaft in England und hat schon Rollrasenpyramiden zur Expo 2000 in Hannover aufgebaut. Anlässlich der Fußball-Weltmeisterschaft hat er das Grün sogar in einer Halle verlegt, und die Innenhöfe des Dresdner Zwingers stattete er aus. „250 qm Rollrasen produzieren so viel Sauerstoff, wie eine Familie ein Jahr lang zum Atmen benötigt“, ist er sich sicher.
Jedenfalls ist Rollrasen ein kultiviertes Natur- und kein Kunstprodukt. Er wächst in der Rasenschule. „Der Produzent überwacht seine Jugend“, lacht Knigge. Die könnte besser nicht sein. Keine Starenschar zieht mit der Saat davon, kein Regen peitscht die winzigen Pflänzchen zunichte. Keine Trockenheit bringt Gilb ins Gras. „Unser Kunde bekommt schließlich einen erwachsenen properen Rasen geliefert.“
Die Anzucht im Betrieb will lehmigen bis sandigen Boden. Der wird von wirklich allen Steinen befreit, planiert und gedüngt. Dann erst wird ausgesät. Was folgt, sind zahlreiche Beregnungen unter freiem Himmel. Immer wieder wird gemäht, gedüngt, gewalzt. Geerntet wird frisch nur auf Bestellung. Quer durch die dichte Wurzelfilzschicht. In Platten von 40x2,50 Metern oder 60x1,70 Metern Größe. Was bloß an den amerikanischen Erntemaschinen liegt. „120 Arbeitsgänge sind das bis zum fertigen Produkt“, erklärt der Fachmann. Und mindestens zehn verschiedene Maschinen sind im Einsatz.
Entweder der Kunde holt kleinere Mengen selber ab und macht sich zu Hause gleich selbst an die Arbeit. Größere Mengen werden als Palette angeliefert und meist vom Gartengestalter verlegt. Der neue Lebensraum des Rollrasens darf kein altes Kraut mehr haben, und kein Stein darf rumliegen. Erst mal ordentlich durchharken. Dann Langzeitdünger in die Erde, anwalzen und die Rollrasenplatten schön Kante an Kante verlegen. Nochmal anwalzen, damit er sich ordentlich anschmiegt an den Grund, und: Wasser marsch! „Sprenger drauf“, rät Albrecht Knigge, „und tiefgründig durchwässern.“
Nach zehn Tagen ist das gute Stück verwachsen. Jetzt weiterhin feucht halten und ganz wichtig: alle sechs Wochen düngen. Sonst wird er unansehnlich. Das Schönste am Rollrasen: Er ist unkrautfrei. Das hatte in der Rasenschule nämlich so gar keine Chance. Und im eigenen Garten dringt es nicht durch die feste Wurzelschicht. Unkraut braucht Licht. Wie übrigens auch der Rollrasen. „Unter brandenburgischen Kiefern wächst nun mal kein Rasen“, konstatiert Albrecht Knigge. Staunässe und schattige Lagen machen jedem Rasen zu schaffen. Ansonsten kommt es auf die Saatmischung an. Rollrasen sind nämlich keine Monokulturen.
Die gängigste Mischung heißt Spiel- und Sportrasen. Aber nicht nur dort wird sie gern verwendet. Die Mischung besteht aus mindestens drei Grasarten und sieben verschiedenen Sorten. Albrecht Knigge bezeichnet sie als besonders anpassungsfähig, an fast jeden Standort. Nur für das Golfgreen nimmt man nur eine Art und eine Handvoll weiterer Sorten. Mit Hausrasen hat das wiederum gar nichts zu tun. Das feine Produkt hat nur einen kleinen Markt in Deutschland. Die Firma Peiffer in Willich bietet es an.
Wer Fragen hat in Sachen Rollrasen, schaut vielleicht auf die Website des Deutschen Rollrasenverbandes und findet dort seine ortsnahe Rasenschule. Der Verband ist ja eher für die Produzenten da, um das Produkt ordentlich zu vermarkten und einen Qualitätsstandard zu entwickeln, an dem sich auch der Verbraucher orientieren kann. Je näher der Anbaubetrieb am Verbraucher ist, desto schneller und frischer ist die Ware angeliefert. Sie steht dann 3½ bis 4 Zentimeter hoch im Blattgrün. Die Sode ist 1½ bis 2½ Zentimeter tief. Das greift schön.
Der Preis für Rollrasen richtet sich natürlich nach der Qualität, aber auch nach der bestellten Menge. Wer einen 250 Hektar großen Hausgarten neu belegen will, zahlt etwa vier Euro für den Quadratmeter. Albrecht Freiherr Knigge schaut von seinem Büro aus auf rundum Rollrasen satt. Wenn er nicht gerade auf einer der Erntemaschinen in seinem Betrieb sitzt. „Vor 20 Jahren baute man auf einem Drittel der Fläche von heute an“, erzählt er. „Jetzt steigern wir unsere Produktion seit Jahren: Jedes Jahr um etwa zehn Prozent“, ist er zufrieden. Rollrasen ist ein Produkt mit Vergangenheit und Zukunft.
Inge Ahrens
Kontakt
Deutscher Rollrasenverband
Lüderser Weg 35, 30982 Pattensen
Telefon: 05101/91 53 51
www.rollrasen-verband.de
Rasenland Brandenburg
Am Wiesengrund 1, 16515 Oranienburg
Telefon: 0800/127 27 36
www.rollrasen.de
Potsdamer Rasenschule
Baumschulenallee 1, 14558 Nuthetal
Telefon: 033/20 08 61 53
www.potsdamer-rasenschule.de