Wachsendes Umweltbewusstsein und Absatzkrise beschwören ein Umdenken in der Automobilindustrie. Der „Nationale Entwicklungsplan Elektromobilität“ markiert den Aufbruch in ein neues Autozeitalter.
Elektrisch angetriebene Fahrzeuge sollen weltweit zu einer effizienteren und umweltschonenderen Automobilität führen. Dass alles im Eiltempo zu gehen scheint – im vergangenen Jahr sprach noch niemand über Elektromobilität –, beweisen nicht nur die vorgestellten Elektroautos auf der diesjährigen IAA in Frankfurt, sondern längst sind auch Modellregionen als Testgebiete auserwählt. Sie sollen in den kommenden zwei Jahren beweisen, welches Konzept praktikabel und zukunftsträchtig ist. Denn neben der Erprobung der Elektrofahrzeuge selbst kommt den „Tankstellen der Zukunft“, dem Aufbau und Betrieb einer geeigneten Infrastruktur für Elektromobilität, besondere Bedeutung zu. So hat die augenblickliche Elektrofahrzeug-Euphorie – die Rede ist gar von „Revolution in der Automobilbranche“ – einen großen Reiz, zeigt sie schließlich einen möglichen Ausweg, die enormen Schadstoffemissionen im Verkehr zu reduzieren.
Vergessenes Erbe
Dass das Elektroauto keine heutige Erfindung ist und anfangs sogar dem Benzinauto im wahrsten Sinne davonfuhr, erstaunt aber doch einigermaßen. Als nämlich Ende des 19. Jahrhunderts elektrischer Strom aus kleinen Zentralstationen die ersten Glühlampen zum Leuchten brachten, war das auch die Geburt des Elektroautos. Die „Wunderkraft“ Elektrizität beflügelte zahlreiche Techniker damals, in ziemlich kurzer Zeit auch Straßenbahnen, Aufzüge, Grubenbahnen, Pflüge, Nähmaschinen und sogar Autos mit elektrischem Strom zu betreiben. Um die Jahrhundertwende fuhren bereits Elektro-Omnibusse, und Elektro-Droschken sah man vor allem sonntags in allen Großstädten. Diese „elektrischen Selbstfahrer“ mit 20 Kilometern pro Stunde und einem Aktionsradius von rund 50 Kilometern waren durchaus für einen gemütlichen Wochenendausflug geeignet. Aufsehenerregend präsentierten sich die „Victoriachaise“, ein Sportzweisitzer mit Dienersitz, und das „Elite Elektromobil“. Berühmtheit erlangten auch der vom jungen Ferdinand Porsche entwickelte Lohner-Porsche, angetrieben mit vier Radnabenmotoren, die Dreiräder „Electro“ und das „Elektroauto NAG“. Bis in die zwanziger Jahre dauerte die Blütezeit dieser Elektromobile. Inzwischen hatte allerdings der Benzinmotor stark aufgeholt. Anfangs wegen des umständlichen Ankurbelns und der lauten Nebengeräusche noch belächelt – außerdem musste Benzin aus der Apotheke stets mitgeführt werden –, galt das Interesse der Automobilisten zunehmend mehr den immer leistungsstärker werdenden Benzinautos. Und ein wichtiges Detail war von Anfang an die technische Schwachstelle der Elektroautos: die Batterie – der schwere, riesige Blei-Akkumulator, der nach kurzer Zeit in einem „Akkumulatoren-Depot“ aufgeladen werden musste. So kam schließlich das endgültige Aus für das Elektroauto. Für seine Weiterentwicklung gab es scheinbar keine Veranlassung mehr. Schnelle Benzinautos faszinierten in der Folgezeit mehr als die fast lautlos und gemächlich dahinfahrenden Elektromobile.
Neue Elektromobilität
„Alles elektrisch“, ein euphorischer Leitspruch damaliger Zeit, galt zumindest nicht mehr für Automobile – bis heute. Nun aber heißt es wieder „Elektrisch in die Zukunft“. Als wäre man in puncto Fahrzeugentwicklung jahrzehntelang den falschen Weg gegangen. Dabei folgen wir nur den Erfordernissen der Zeit, mit alternativen Antrieben und neuen Mobilitätskonzepten und Verkehrsangeboten dem Auto eine neue Zukunft zu geben. Das Rezept dazu, Benzin- und Dieselmotor samt Kraftstofftank gegen Elektromotor und Batterie auszutauschen, ist zwar technisch kein Problem, doch kann das Elektroauto schon wegen seiner geringen Mindestreichweite niemals zum Universalauto werden und deshalb allein kaum zu einer wirklich nachhaltigen Mobilität beitragen. Aber es könnte den öffentlichen und privaten Verkehr erheblich entlasten, wenn es überall dort zu finden wäre, wo öffentliche Verkehrsmittel nicht fahren, und dort, wo kurze Strecken zurückzulegen sind. Denn alle Autobauer scheinen sich neuerdings in einem einig zu sein: Elektroautos, die fast 95 Prozent der eingesetzten Energie in Bewegung umwandeln, könnten ihnen den kräftigen Innovationsschub verleihen, den die krisengeschüttelte Autobranche derzeit dringend braucht.
Deshalb ist es nicht verwunderlich, dass fast alle wichtigen Hersteller verstärkt die Serienfertigung von alltagstauglichen Elektroautos für die kommenden Jahre vorantreiben, aber auch mit spektakulären Studien die Faszination für das Auto erhalten wollen.
Elektrischer Volkswagen e-up
Volkswagen setzt beispielsweise auf den e-up, einen stadttauglichen, vielversprechenden Dreisitzer mit einem 60-kW-Elektromotor. Seine Lithium-Ionen-Batterie unter der Motorhaube lässt ihn 130 Kilometer weit fahren bis zur nächsten Aufladung an einer der Ladesäulen, die dann an Parkplätzen, in Parkhäusern, vor Supermärkten oder im eigenen Haus voraussichtlich stehen werden. Die Höchstgeschwindigkeit des e-up wird mit 135 Kilometern pro Stunde angegeben.
Toyotas Konzept-Elektroauto FT-EV II
Ähnlich wie VW hat Toyota mit dem Elektroauto „Future Toyota Electric Vehicle II“ den Nahbereichsverkehr im Blick. Gelenkt wird das rundherum sehr futuristisch angelegte Konzeptauto mit einer sogenannten Steampunkt-Steuerung, die die Fußpedale überflüssig macht. Mit einer Geschwindigkeit bis 100 Stundenkilometer und einer Reichweite von 90 Kilometern wäre es geradezu prädestiniert für die Innenstadt, zumal sogar vier Personen in dem Kleinwagen Platz finden. Reine Elektroautos stehen allerdings bei Toyota im Augenblick nicht auf der Tagesordnung, deshalb sei das erste vor 2012 nicht zu erwarten.
Opel Ampera
Opel will mit dem Ampera in zwei Jahren ein Elektroauto als Limousine für fünf Personen präsentieren, aber zu Lasten einer Reichweite von nur 60 Kilometern. Zur Sicherheit haben die Opel-Konstrukteure denn auch zusätzlich einen kleinen Vier-Zylinder-Ottomotor samt Generator mit eingebaut für den Fall, dass die Batterieladung einmal nicht ausreichen sollte.
Fluence Z.E. Concept von Renault
Elektroautos in ganzer Breite anzubieten, hat sich Renault zum Ziel gestellt. So avisiert der französische Autobauer ebenfalls für 2011 gleich eine ganze Modellfamilie mit vier Elektroautos, vom Zweisitzer namens Twinzy bis zur Stufenheck-Limousine Fluence. Der agile Stadtflitzer Twinzy erreicht eine Höchstgeschwindigkeit von 75 Kilometern pro Stunde und kommt 100 Kilometer weit. Das Modell Zoe, ein Kleinwagen ähnlich dem Clio, sowie die Limousinen-Modelle sind 140 Kilometer pro Stunde schnell, bei einer Reichweite von 160 Kilometern.
Bei der neuen Elektromobilität spielt das nötige Elektro-Know-how selbstredend die wichtigste Rolle. Deshalb kooperieren die Autokonzerne mit entsprechenden Elektronikfirmen: Volkswagen beispielsweise mit Toshiba und Sanyo. Im elektrischen Mini Cooper von BMW steckt eine Batterie von Partner SB LiMotive. Der Bayerische Autobauer schaut indes in puncto elektrischer Antrieb ebenso auf den Premiumbereich, wenn auch als Hybridversion. So zeigt der BMW Vision Efficient Dynamics, wie zukünftige Elektro-Sportwagen aussehen können. Elektromotoren an Vorder- und Hinterachse, im Zusammenspiel mit einem Turbodiesel, generieren eine Leistung von 356 PS. Seine hocheffizienten Lithium-Polymerakkus werden während der Fahrt durch eine neue Art der Bremsenergie-Rückgewinnung aufgeladen. Die Verbrauchs- und Emissionswerte sind nicht höher als die eines Premium-Kleinwagens.
Sportwagen E-tron von Audi
Elektrisch sportlich zeigt sich auch Audis Sportwagen E-tron. Das Auto soll zwar so nie in Serie gebaut werden, zeigt aber, wie leistungsfähig und faszinierend ein rein elektrisch angetriebener Sportwagen sein kann. Der Zweisitzer wird von vier Elektromotoren angetrieben und beschleunigt in 4,8 Sekunden von null auf 100 Kilometer pro Stunde. Die Batterie reicht für 250 Kilometer.
E-Smart von Daimler
Tatsächlich, aber leider erst 2012, kommt die neue e-smart-Generation als smart fortwo electric drive auf den Markt – die erste Generation der kleinen Stadtautos ist ja seit 2007 im Test. Die Neuen sind dann mit Lithium-Batterien von Tesla ausgerüstet, deren Leistung für 115 Kilometer ausreicht. Der Zweisitzer kann an einer normalen Steckdose in relativ kurzer Zeit aufgeladen werden. Die Testphase soll noch in diesem Jahr im Rahmen des Projekts „e-mobility Berlin“ beginnen und wird anschließend auf andere Großstädte ausgeweitet.
Mit der notwendigen Infrastruktur speziell für das Aufladen der Elektroautos steht und fällt natürlich der Traum von der Elektromobilität. Zunächst baut man in Deutschland in ausgewählten Regionen stationäre Ladestationen auf – der Energiekonzern RWE beispielsweise derzeit ein Netz von fünfhundert Ladestationen –, aber im Gespräch sind auch Batteriewechselkonzepte.
Reinhard Wahren