Platz zum Verweilen

Ein neuer Platz zum Verweilen und Genießen mit Blick auf den dort sehr breiten Landwehrkanal ist nach 70 Jahren wiedererstanden. Dort, wo der westlichste Zipfel des Tiergartens mit dem Tiergarten-Ufer endet, an der „Bastion“ des Charlottenburger Tores, war bis 1920 die Stadtgrenze zwischen Charlottenburg und Berlin.


Das Charlottenburger Tor mit den beiden Kandelabern und der Sitzterrasse, heute Bastion, wurde 1909 fertiggestellt und bestand in dieser Form bis 1939. Für die Militärparaden der Nazis wurde die Ost-West-Magistrale verbreitert, so dass die beiden Torflügel mit Kandelabern auseinanderrückten. Die Bastion war nun kein Ort mehr des Schauens und Entspannens, die Bänke verschwanden, das transparente Brüstungsgitter mit dem Blumenschmuck ebenfalls. Was blieb, war eine öde halbkreisförmige Fläche mit massiver Brüstung – bis ins Jahr 2008.
Der Zweite Weltkrieg und der Endkampf in Berlin gaben diesem Gesamtkunstwerk den Todesstoß. Die beiden stark kriegszerstörten Torflügel waren zwar beschädigt, aber wegen ihrer stabilen Konstruktion doch erhalten. Die beiden ebenfalls zerstörten Kandelaber wurden Anfang der 50er Jahre abgebrochen. Sie verschwanden bis auf die Fundamente aus dem öffentlichen Stadtbild.
Die ersten Sanierungsmaßnahmen der Torflügel begannen Ende der 60er Jahre. Die Stiftung Denkmalschutz Berlin hat die komplette, fachgerechte Sanierung des Tores und Rekonstruktion der Gesamtanlage veranlasst. Im Mai 2005 gründete sich auf Anregung von Prof. Engel, dem damaligen Geschäftsführer der Stiftung Denkmalschutz Berlin, ein Freundeskreis im Heimatmuseum Charlottenburg, der sich mit der Entwicklung von Konzepten zur Gestaltung des Umfeldes der Charlottenburger Brücke befassen sollte. Nach Klärung verkehrstechnischer Fragen bezüglich des Fahrradverkehrs und ersten Entwürfen für die Brückenoberfläche konnte die Stiftung für die Rekonstruktion der zwei 21 Meter hohen Kandelaber einschließlich der neuen Brückenbeleuchtung, der Brückenanfänger und der Neugestaltung der Bastion gewonnen werden.
Der 1. Abschnitt dieser Planungen – die rekonstruierte Bastion mit neuen schmiedeeisernen Gittern und neu entworfenen Granitbänken sowie fünf Pflanzkübeln konnte schließlich in diesem Sommer der Öffentlichkeit  vorgestellt werden.
Viele Berliner und Berlin-Touristen mögen den Weg zu dieser kleinen Großstadtidylle mit Blick auf den Landwehrkanal finden, auf den Bänken den Schiffen zuschauen und dabei die Bedeutung des Gesamtkunstwerkes Charlottenburger Brücke wahrnehmen.

Wolfgang Stockhaus (Eosander Gesellschaft e.V. in Kooperation mit dem Freundeskreis Charlottenburger Tor von der Stiftung Denkmalschutz Berlin)

 

Der Autor ist seit 40 Jahren freischaffender Architekt in Berlin.  Seine Aufgabengebiete sind: Industrie- und Hotelbauten, Großsiedlungen, Reihenhausanlagen, Stadtvillen, Einfamilienhäuser, Ausstellungsbauten, Restaurierungen und Rekonstruktionen im denkmalgeschützten Bereich, Städtebau im historischen Ensemble, kritische Publikationen in der Fach- und Tagespresse zum Thema Städtebau und Eingriffe in das Berliner Stadtgefüge.

 

41 - Winter 2009/10
Stadt