Uni für die Jüngsten

Wenn Eisbären weinen könnten, würden sie es tun angesichts ihrer davonschwimmenden Schollen. Aber warum schwimmen ihnen die Schollen davon, werden kleiner und kleiner? Warum gibt es in der Region Brandenburg wieder Wölfe, und was bedeutet dies für die Schafe? Solche und andere Fragen werden in der Junior Zoo-Universität der Berliner Tiergärten geklärt.

Die Studierenden dieser jüngsten, erst im November gegründeten Uni sind zwischen zehn und zwölf Jahre alt, ihre Dozenten Fachkräfte der zoologischen Einrichtungen, Naturwissenschaftler, Veterinäre und Tierpfleger. In zwei Semestern reisen sie jeden Samstag gemeinsam um die Welt. Erste Station ist Europa, dabei geht es u.a. um die Population von Wölfen. Im Januar sind die Polargebiete Thema, und so geht es weiter über Afrika, Asien, die Karibik. Gabriele Thöne vom Vorstand des Zoos hatte die Idee dazu und beschäftigte sich zunächst mit den Zoo-Besuchern: Wer geht wann in den Zoo? Zunächst junge Familien mit Kindern, die dem Zoo treu bleiben, bis sie etwa zwölf Jahre alt sind. „Die Kinder“, sagt Gabriele Thöne, „interessieren sich für die Natur, sie sind insbesondere Tieren gegenüber aufgeschlossen, weil es durch viele frühkindliche Wechselspiele eine besondere Empathie zu anderen Lebewesen gibt.“ Ab der 5. Klasse kommen die naturwissenschaftlichen Fächer zunehmend auf den Plan. So sind sie mehr und mehr in der Lage, ausgehend von der reinen Beobachtung auch komplexere Schlüsse zu ziehen. „In diesem Alter lässt sich ein Feuer entfachen, die Kinder sind wissbegierig,“ so die Expertin. „In einem jungen Gemüte glimmt und glüht es wunderbar auf, wenn es – seiner eigenen Freiheit überlassen – auf einmal eine Welt von Dingen auf sich nimmt“, schrieb Alexander von Humboldt. Die Zoo-Uni fühlt sich ganz den Humboldt-Brüdern verbunden und verpflichtet, die die Einheit von Lehre und Forschung und den Freiheitsdrang menschlicher Erkenntnis zu ihrem Credo erhoben haben. In diesem Sinne geht es Gabriele Thöne mit ihrem Projekt nicht darum, dass die Kinder der Zoo-Uni kleine Experten in Wolfskunde werden, sondern dass sie das Netzwerk von Tier, Natur und Mensch begreifen, erfahren, dass der Bauplan des Lebens sehr komplex ist. Sie sollen neue Erkenntnisse gewinnen, aus denen sich immer neue Fragen ergeben. Die Idee fiel auf fruchtbaren Boden. 50 Studienplätze stehen zur Verfügung – fast doppelt so viele Anträge gingen ein. „Jede Bewerbung bietet etwas Besonderes“, sagt Gabriele Thöne, „einige Kinder schicken Zeichnungen mit, andere schreiben von ihren Patenschaften für Fledermäuse und berichten von ihren Haustieren.“ Doch die Bewerbungen sind das eine, gefordert ist auch eine Empfehlung der Schule, denn an der Kinder-Uni zu studieren, bedeutet, viel zusätzliche Energie und Zeit aufzubringen. Dem Vorwurf, eine Elite-Einrichtung werden zu können, begegnet Gabriele Thöne mit Gelassenheit. „Wir wollen einen aktiven Beitrag dazu leisten, dass die Kinder ein Gefühl für die Zusammenhänge des Lebens bekommen und sich interessieren. Wenn zum Schluss eine Elite herauskommt, die Fragen stellt und Verantwortung übernimmt, dann ist das doch nicht verkehrt.“ Viel mehr zu kämpfen hatte Gabriele Thöne, die im Zoo-Vorstand auch für die Finanzen zuständig ist, mit der Beschaffung der Mittel für die Zoo-Uni. Sponsoren mussten her. Offensichtlich hatte sie aber mit dem Konzept der umfassenden Bildung leichtes Spiel. „Die Wirtschaft hat dieses Signal verstanden. Es ist doch die Frage, auf welche Gesellschaft man später einmal treffen will, und da muss man in Bildung investieren.“ Einer der Sponsoren, der Berliner Energiedienstleister Gasag, hat sich mit seinem Engagement für die Junior Zoo-Uni selbst ein neues Themenfeld eröffnet: die Naturwissenschaften. Birgit Jammes von der Unternehmenskommunikation sagt: „Wir als Berliner Energieunternehmen sind an der Erhaltung des Lebensraums und insbesondere am Klimaschutz interessiert, somit engagieren wir uns gern für Projekte, die für diesen Bereich sensibilisieren. Ein zweiter Aspekt ist die Nachwuchsförderung und die Auseinandersetzung dabei mit dem Netzwerk Leben.“ Für drei Jahre hat das Unternehmen seine Unterstützung zugesagt. Die Junior Zoo-Universität Berlin plant in die Zukunft. Und auch da hat Gabriele Thöne schon ihre Visionen. Zunächst gibt es einen E-Campus für die aktiven Studierenden, nach ihrem Abschluss können sie in einem Alumni-Club weiterhin mit der Zoo-Uni in Kontakt bleiben. Und außerdem erhofft sich die weitsichtige Frau, dass die zoologischen Gärten wieder mehr als naturwissenschaftliche Einrichtung in der Öffentlichkeit wahrgenommen werden.

Martina Krüger

 

41 - Winter 2009/10
Kultur