Kusus + Kusus? Wahrscheinlich haben Sie den Namen dieses Berliner Architekturbüros noch nie gehört. Doch den von dem jungen Berliner Büro geschaffenen Infotower des Großflughafens BBI haben Sie bestimmt schon gesehen. Darüber hinaus macht das Architektenpaar immer wieder mit Wettbewerbserfolgen auf sich aufmerksam.
Das nennt man einen Paukenschlag. Als im Herbst dieses Jahres die Berliner Senatsverwaltung für Stadtentwicklung das Ergebnis des städtebaulichen Ideenwettbewerbs „Luisenblock Ost“ vorlegte, waren unter den Preisträgern und Ankäufen zwar durchaus große Namen wie Ortner & Ortner Baukunst sowie Kleihues + Kleihues. Der erste Preis aber ging an Kusus + Kusus für einen Entwurf, dem es nach Ansicht von Senatsbaudirektorin Regula Lüscher „in überzeugender Weise gelingt, einen harmonischen und signifikanten östlichen Abschluss des Bandes des Bundes zu schaffen”.
Wer steht hinter diesem Konzept für den Abschluss des Regierungsviertels? In einem Altbau direkt am Checkpoint Charlie treffen wir Karin und Ramsi Kusus, die nicht nur beruflich, sondern auch privat ein Paar sind. Beide sind um die vierzig Jahre alt, beide stammen aus München, und beide haben nach dem Studium im Büro von Stephan Braunfels angefangen, in dessen Räumen ihr Büro noch immer untergebracht ist.
Dass Kusus + Kusus beim Wettbewerb für den Luisenblock Ost oben ausschwangen, ist in einem gewissen Sinne folgerichtig. Denn das Büro Braunfels war für die Planung mehrerer Bundestagsneubauten verantwortlich – und Karin und Ramsi Kusus waren führend daran beteiligt. „Seit zehn Jahren beschäftigen wir uns mit dem Band des Bundes“, sagt Ramsi Kusus. „Für uns war deshalb klar, dass das Band nicht Fragment bleiben darf.“ Die beiden schlagen deshalb vor, dass das Anfang der neunziger Jahre von Axel Schultes und Charlotte Frank entworfene Band des Bundes in einer Ellipse vor dem Bahnhof Friedrichstraße seinen Abschluss findet. Um Platz für die Neubauten zu schaffen, werden die Plattenbauten am Schiffbauerdamm weichen müssen – doch wann das der Fall sein wird, ist unklar. Dabei würden Karin und Ramsi Kusus nur zu gerne bauen. Bisher konnten sie nämlich erst ein einziges Projekt unter ihrem eigenen Namen realisieren: den BBI-Infotower, der seit seiner Eröffnung im Jahr 2007 zu einem Wahrzeichen der Baustelle des Großflughafens Berlin Brandenburg International (BBI) in Schönefeld geworden ist. Der 32 Meter hohe Aussichtsturm beruht auf der Verdrehung einer dreieckigen Grundform. Gebildet ist er aus stählernen Dreiecken, die leicht gegeneinander versetzt sind und nach oben immer größer werden, so dass sich der Turm regelrecht in den Himmel zu schrauben scheint. Das Gerüst ist mit einer Folie umspannt, die es ermöglicht, den Turm nachts mit Hilfe farbiger Dioden in eine Leuchtsäule zu verwandeln.
Wie kommt man auf eine solche Idee? „Wir fragten uns, was es noch nicht gibt als Turm, und kamen auf die Grundform des Dreiecks“, antwortet Karin Kusus. „Aber oft ist es beim Entwerfen so: Plötzlich hat man eine Idee und weiß dann gar nicht mehr, woher sie stammt.“
Das bedeutet freilich nicht, dass die beiden rein intuitiv planen würden. Wie analytisch sie vorgehen, zeigt ihr erster Erfolg: 2006 errangen sie beim Wettbewerb für den Neubau der Topographie des Terrors in Berlin den zweiten Preis. Dabei grenzten sie sich bewusst vom spektakulären Entwurf von Peter Zumthor ab, der ursprünglich am ehemaligen Standort der Gestapo-Zentrale in der Niederkirchnerstraße entstehen sollte. „Ich finde es sehr schade, dass der Zumthor-Entwurf nicht gebaut worden ist”, sagt Karin Kusus. „Gerade weil das ein toller Entwurf war, entschieden wir uns, etwas ganz anderes vorzuschlagen” – nämlich ein zurückhaltendes Gebäude, das hinter einer transluzenten weißen Folie nahezu verschwinden sollte. „Wir wollten etwas sehr Reduziertes schaffen”, formuliert es Ramsi Kusus.“ Dass ein junges Büro sich mit seinem ersten Wettbewerbsbeitrag gleich an ein historisch und architektonisch höchst anspruchsvolles Vorhaben wagt und dann auch noch einen Preis gewinnt, ist ungewöhnlich. Aber es passt zum Selbstverständnis des Duos: „Es spornt uns an, an schwierigen Stellen eine Lösung zu finden“, sagt Ramsi Kusus. „Wir suchen uns Aufgaben, die einen weiterführenden Anspruch haben und bei denen es nicht ausschließlich um das Gebäude geht, sondern auch um die Verknüpfung mit der Stadt“ – oder um die Auseinandersetzung mit historischen Fragen. So errang das Büro auch beim Wettbewerb für den Neubau des NS-Dokumentationszentrums in München den dritten Platz.
A propos München: Wie gefällt es den gebürtigen Bayern in Berlin? Eine „großartige Stadt” sei Berlin, antwortet Karin Kusus. „München ist konservativ und bodenständig, und obwohl dort viel gebaut wird, ändert sich letztlich wenig.” München, ergänzt Ramsi Kusus, „ist ein Millionendorf, Berlin ist die Hauptstadt – das ist der Unterschied”. Nun ja, die ersten Jahre seien für ihn „gewöhnungsbedürftig” gewesen: „Die Möglichkeiten zum Skifahren waren so weit weg. Aber dann merkte ich, dass man auch an der Havel die Freizeit sehr angenehm verbringen kann.”
In die Klage über verpasste Chancen in der architektonischen Nachwendeentwicklung Berlins stimmen die beiden nicht ein. „Die Vorgaben von Senatsbaudirektor Stimmann haben den Wildwuchs eingeschränkt”, sagt Karin Kusus. „Sonst hätten zu viele Architekten versucht, sich selbst darzustellen. Wenn jedes Gebäude für sich selbst stehen will, wird es für eine Stadt zu viel.” Ohnehin gehören sie nicht zu denjenigen Architekten, für welche die Umsetzung ihres ästhetischen Konzepts über allem steht: „Die Frage für uns“, formuliert es Karin Kusus, „lautet nicht, was wir schon immer bauen wollten, sondern was die Nutzer gebaut haben wollen.“ Dann aber geht das Gespräch zu Ende: Der einjährige Sohn Elias meldet sich unüberhörbar im Nebenraum zu Wort – Karin und Ramsi Kusus haben nämlich nicht nur spannende architektonische Ideen, sondern auch drei kleine Kinder.
Paul Munzinger