Ein Ort wie kaum einer. Das alte Preußen, der Nationalsozialismus, die DDR samt Wendezeit und die Wiedervereinigung. Sie alle haben im Schloss Schönhausen in Berlin-Pankow Spuren hinterlassen.
„Wir wollen nebeneinander die unterschiedlichen historischen Schichten bis ins 20. Jahrhundert zeigen, das ist für unsere Schlösser recht neu“, sagt Alfred Hagemann, Kurator für die Stiftung Preußische Schlösser und Gärten.Einzigartig für Berlin ist auch die Tatsache, dass das ursprünglich Ende des 17. Jahrhunderts errichtete Schloss außer durch Umbau nie zerstört wurde. Zum Beispiel findet sich hier der einzige erhaltene Stuck-Rokokosaal der Stadt. Eine Perle, wie gern betont wird. In Zukunft soll der Raum auch für Konzerte, Lesungen und festliche Empfänge genutzt werden.
Vier Jahre wurde Schloss Schönhausen, das seit 2005 zur Schlösserstiftung gehört, saniert und umgebaut. Über achteinhalb Millionen Euro hat das Ganze gekostet.
Geld gegeben haben unter anderem das Land Berlin aus dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung, die Deutsche Klassenlotterie und private Spender, allen voran mit 1,35 Millionen Euro die Cornelsen Stiftung. Begonnen wurde die Wiederherstellung mit dem Dachstuhl und der Fassade. Hier fanden sich zwei der ärgerlichsten Hinterlassenschaften der DDR-Zeit. Das erste große Problem hieß Hylotox, ein in der DDR übliches giftiges Holzschutzmittel, mit dem der gesamte Dachstuhl stark kontaminiert war. Um die oberen Stockwerke für die Öffentlichkeit zugänglich machen zu können, wurden die Hölzer freigelegt und versiegelt. Zum zweiten musste der Glaskröselputz auf der Fassade, der 1982 aufgebracht worden war, wieder durch einen traditionellen Kalkputz ersetzt werden. Nur so kann die Feuchtigkeit auf lange Sicht aus den Schlossräumen entweichen.
Jetzt erst war der Weg frei für eine Restaurierung des Schlossinneren.
Das Erdgeschoss gehört der Königin Elisabeth Christine, die das Schloss 1740 von ihrem Gatten Friedrich II. geschenkt bekommen hatte. Hier hat sie sich vor allem im Alter bis zu ihrem Tod 1797 überwiegend aufgehalten. Der Gartensaal, das Audienzzimmer sowie die mit Zedernholz ausgekleidete Galerie dienten ihr als Gesellschaftsräume. Hinzu kommen ein Schlafzimmer, eine Garderobe, ein privates Schreibkabinett und die Räume der Oberhofmeisterin Charlotte Albertine von Kannenberg. Unter den Wandbespannungen und Farbschichten des 20. Jahrhunderts kam mancherorts die ursprüngliche Gestaltung des 18. Jahrhunderts wieder zum Vorschein. Die Räume sind mit wertvollen Ausstattungsstücken des Rokoko möglichst originalgetreu wiederhergestellt worden, auch wenn nicht alles aus dem einstigen Besitz der Königin stammt. Darunter sind historische Kamine, Spiegelrahmen, Supraporten und Paneele, aber auch wieder aufgefundene Möbel und Tapeten. Das Leben dieser ins Abseits geratenen preußischen Königin wird im unteren Teil des Schlosses so umfassend ins Bild gesetzt.
Ins Obergeschoss führt eine geschwungene helle Holztreppe, keinesfalls üppig in ihrer Verzierung. Kurator Alfred Hagemann führt das auf die begrenzten finanziellen Mittel der Königin zurück: „Diese Konstruktion ist alles andere als königlich. In dieser schlicht-hölzernen Art wurden Treppen auch in Bürgerhäusern gebaut.“
Die erste Etage besitzt einen ähnlichen Grundriss wie das Erdgeschoss. Allerdings mischen sich hier die Epochen und die Geschmäcker. „Interessant dabei ist, dass die DDR in ihrer Außendarstellung durch die Jahrzehnte auch eine Entwicklung durchgemacht hat. Das wird hier ablesbar sein“, so Alfred Hagemann von der Schlösserstiftung. Über dem Gartensaal findet sich der prachtvolle Festsaal mit originalem Stuckmarmor und über der Zederngalerie eine weitere Galerie, die ebenfalls mit Stuckmarmor ausgekleidet ist. Doch die Ausstattung entstammt großenteils dem 20. Jahrhundert, genauer der DDR-Zeit. Im Schloss regierte von 1949 bis zu seinem Tod 1960 der erste und einzige Präsident der DDR, Wilhelm Pieck. Sein Arbeitszimmer – die Möbel lagerten im Deutschen Historischen Museum – wird einschließlich der Lampen und Telefonanlagen originalgetreu wiederhergestellt.
Eine bemerkenswerte Fußnote in diesem Zusammenhang ist, dass die SED-Führung das geschichtsträchtige Arbeitszimmer anlässlich des geplanten Schah-Besuchs 1978 ausräumen ließ. Der Schah ist dann allerdings nie gekommen.
Auch die Zeit von 1964 bis 1989, in der das Haus als Gästehaus der DDR-Regierung genutzt wurde, spiegelt sich in den Räumlichkeiten der ersten Etage. Ein historisierender Stil sollte für gediegene Weltläufigkeit stehen. Immerhin haben hier Persönlichkeiten wie Indira Gandhi oder Michail Gorbatschow logiert.
Nur die grell lila Fliesen im Badezimmer sorgen bei den Besuchern, die bisher das Schloss sehen konnten, regelmäßig für heitere Verwunderung.
Neben dem Interieur aus der DDR-Zeit wird das erste Obergeschoss Teile der Sammlung Dohna-Schlobitten beherbergen, eine aus einem ostpreußischen Schloss stammende wertvolle Sammlung von Kunstwerken verschiedenster Gattungen. Zu einem späteren Zeitpunkt soll diese Exposition im zweiten Obergeschoss fortgeführt werden.
In der Wendezeit 1989/90 schrieb Schloss Niederschönhausen, wie es damals hieß, noch einmal Geschichte.
In einem Nebengebäude des Schlosses tagte der legendäre „Runde Tisch“. Dort fanden auch „Zwei-plus-vier-Gespräche“ der Alliierten über die deutsche Wiedervereinigung statt.
Parallel zu den Arbeiten im Inneren des Schlosses haben Gartendenkmalpfleger an der Wiederherstellung des Schlossparks gearbeitet. Nach Gründung der DDR war er im Stil der 50er Jahre von Reinhold Lingner angelegt worden. Bemerkenswert ist hier auch ein schlichter Teepavillon, den der Architekt Hans Grotewohl, Sohn des ersten Ministerpräsidenten der DDR Otto Grotewohl, entworfen hat. Erhalten bleiben soll aber auch die Mauer, die seit 1949 den inneren Schlossgarten vom äußeren Park trennte. So unverständlich es für viele auch sein mag, sie zu erhalten, auch das gehört zum Denkmalschutz.
Karen Schröder