Trotz Finanzmarkt- und Wirtschaftskrise werden in Berlin zahlreiche Immobilienprojekte realisiert. Im Fokus der Projektentwickler und Investoren stehen dabei insbesondere Hotels und Wohnungen.
In diesem Augenblick ist Ludwig Maximilian Stoffel mit sich und der Welt im Reinen. Der aus Bayern stammende Immobilienunternehmer steht im Trubel des Richtfests für sein Projekt „Marthashof“, betrachtet die Rohbauten des neuen Wohnquartiers an der Grenze der Bezirke Mitte und Prenzlauer Berg und sagt: „Ich denke, dass wir das erfolgreichste Projekt dieser Art sind.“
85 Prozent der Wohnungen im ersten und zweiten Bauabschnitt hat die Stofanel Investment AG, die Firma von Stoffel und seiner Frau Giovanna Stefanel, zu diesem Zeitpunkt bereits verkauft – und das, obwohl die Preise bei 2.900 Euro pro Quadratmeter beginnen und sich damit für Berliner Verhältnisse im oberen Bereich bewegen. Die Lage im begehrten Stadtteil, die flexiblen, vom Architekturbüro Grüntuch Ernst entworfenen Grundrisse und der grüne Hof scheinen kapitalkräftigen Käufern zu gefallen, die sich auch nicht daran stören, dass manche Anwohner das in ihren Augen luxuriöse Projekt als nicht in den Kiez passend bekämpfen.
„Berlin als Investitionsstandort für Immobilien nimmt in Europa eine Sonderstellung ein“, sagt Stoffel. „Denn noch immer bietet die Metropole zahlreiche Investitionsmöglichkeiten in Wohneigentum.“ Dass „Wohnungsbau in den vergangenen Monaten zu einem ganz wichtigen Thema geworden ist“, bestätigt Andreas Schulten, Vorstand des Marktforschungsinstituts BulwienGesa. Dieses untersuchte im Auftrag von Hochtief Projektentwicklung und TLG Immobilien den Projektentwicklungsmarkt von Berlin und Potsdam und kam dabei zum Schluss, dass der Wohnungsbau in Berlin von der Wirtschaftskrise kaum berührt worden ist. Obwohl das Neubauvolumen im Vergleich zu den neunziger Jahren deutlich zurückgegangen ist, beziffert BulwienGesa den Investitionswert der neuen Wohnhäuser in diesem und im nächsten Jahr auf je rund 630 Millionen Euro.
„Der Berliner Wohnimmobilienmarkt hat sehr gute Wachstumsperspektiven“, urteilt auch Carsten Sellschopf, Leiter der Niederlassung Berlin/Brandenburg der Hochtief Projektentwicklung. Zwar gibt es im Segment der einfacheren Mietwohnungen nach wie vor kaum Neubauten. Viele Vorhaben im gehobenen Bereich aber werden unbeirrt weiterverfolgt – wie zum Beispiel das Projekt „The Charleston“, das die niederländische Reggeborgh-Gruppe und der dänische Projektentwickler Schaumann in der Nähe des Potsdamer Platzes errichten. 72 Wohnungen entstehen in dem Komplex, der 2010 fertiggestellt sein soll. Die künftigen Bewohner der edlen Domizile (Kaufpreis: 3.900 bis 6.900 Euro pro Quadratmeter) werden vom Service des benachbarten Vier-Sterne-Hotels Scandic profitieren, das ebenfalls die Schaumann-Gruppe errichtet.
Hotels sind das zweite Immobiliensegment, das in der Hauptstadt Konjunktur hat. Obwohl in den vergangenen Jahren bereits zahlreiche neue Herbergen entstanden sind, stellt Jörg R. Lammersen, Niederlassungsleiter Berlin/Brandenburg der TLG Immobilien, „immer noch eine starke Nachfrage von Hotelbetreibern mit internationalem Renommee“ fest. So realisiert die TLG bis 2011 einen Hotel- und Büroneubau am Alexanderplatz mit einem Vier-Sterne-Ramada-Hotel und einem H2-Hotel im Budgetbereich. Ein Segment, das besonders begehrt ist. Dabei handelt es sich um preiswerte, von Ketten betriebene und stark standardisierte Hotels. „Viel Design für wenig Geld“ ist das Motto des massiv expandierenden Unternehmens Motel One, das in Berlin sieben Häuser betreibt oder derzeit errichten lässt. Im Oktober legte der Projektentwickler GBI den Grundstein für das jüngste Motel One am Spittelmarkt, in dessen gut 300 Zimmern Ende 2010 die ersten Gäste schlafen werden. „Berlin“, sagt GBI-Vorstand Reiner Nittka, „hat sich international als eine der Top-Destinationen positioniert.“
Von der Attraktivität der Hauptstadt profitieren auch Aparthotels – Hotels, die statt Zimmern Apartments mit eigener Küche bieten und sich so auch für Gäste eignen, die sich aus beruflichen Gründen mehrere Wochen oder Monate in der Stadt aufhalten. Aktiv ist zum Beispiel das australische Unternehmen Toga Hospitality, das in seinem Adina Apartment Hotel in der Nähe des Checkpoint Charlie nach eigenen Angaben eine Auslastung von über 80 Prozent verzeichnet. Soeben wurde neben der Charité ein zweites, von Hochtief Projektentwicklung errichtetes Adina-Hotel eröffnet, und ein drittes wird 2010 in dem am Hackeschen Markt gelegenen Hackeschen Quartier den Betrieb aufnehmen.
160 Millionen Euro investiert das Bonner Unternehmen IVG in das Hackesche Quartier, das neben dem Hotel auch Einzelhandels- und Büroflächen umfasst. Letztere sind bereits zum größten Teil vermietet – und das entspricht einem Trend: Spekulative Büroprojekte, also solche, für die es noch keine Mieter gibt, werden derzeit nämlich kaum realisiert. Ein Grund dafür liegt in der Finanzierungssituation: Banken knausern zwar nicht mehr so stark mit Krediten wie vor einigen Monaten, setzen aber voraus, dass ein erheblicher Teil der neuen Flächen vermarktet ist. Andernfalls gibt es keinen Kredit – und damit auch keinen Neubau. Das erklärt, warum laut der Studie von BulwienGesa nur 13,5 Prozent der derzeit im Bau befindlichen Flächen auf das Bürosegment entfallen.
Im Einzelhandelsbereich ist es ebenfalls ruhiger geworden als vor eini-gen Jahren, als alle paar Monate ein neues Einkaufszentrum eröffnet wur-de. Eines der zuletzt fertiggestellten Großprojekte dieser Art ist „Die Mitte“, die das Unternehmen Hines am Alexanderplatz errichtete. Das Haus, zu dem ein riesiger Elektronikfachmarkt gehört, hat Hines mittlerweile an die Fondsgesellschaft Commerz Real verkauft.
Doch auch in der City West, also rund um Bahnhof Zoo und Kurfürstendamm, gibt es wieder Bewegung. So hat die Bayerische Bau und Immobilien Gruppe jetzt, acht Jahre nach dem Kauf des Zoobogens, angekündigt, Ende 2010 mit der Revitalisierung des denkmalgeschützten Ensembles neben dem Zoo beginnen zu wollen. Läden, Büros und ein Hotel wird es geben – und, zur Erleichterung von Denkmalschützern und Kinoliebhabern, auch weiterhin den großen Saal des Zoopalast-Kinos.
Ein wenig Tradition tut ja auch der sich dynamisch wandelnden Stadt Berlin gut.
Emil Schweizer