Gegenwind ist Gerhard Schöningh nicht gewöhnt. Alles lief bisher optimal im Leben des 47-jährigen Rheinländers. Deshalb wirkt der Geschäftsmann zeitweise etwas verunsichert, wenn er den Missmut der Anwohner zu spüren bekommt, den seine Veränderungen im Umfeld der Galopprennbahn Hoppegarten verursachen.
„Wir müssen die Trainingsbedingungen optimal gestalten. Nur so können wir wieder mehr Quartiere hierher ziehen, die ihre Rennpferde in Hoppegarten vorbereiten", sagt Schöningh. Als Wahl-Londoner ist er die besonders guten Trainingsbedingungen gewohnt im Mekka des Vollblut-Rennsports. So und nicht anders will er auch Deutschlands schönste Bahn gestalten und orientiert sich dabei an der Blütezeit der Anlage in der ersten Hälfte des vorigen Jahrhunderts. Gerhard Schöningh hätte sich diesem zeitweisen Gegenwind nicht aussetzen müssen. In den 15 Jahren seines London-Aufenthalts ist er zum gemachten Mann geworden. „Ich hatte Glück, das richtige Gespür und habe wohl auch eine Ader für die richtige Aktion im richtigen Moment", beschreibt er seine Karriere als Fondsmanager. Dabei legte er sein Augenmerk nicht auf die großen Dax-Konzerne, sondern spezialisierte sich auf europäische Nebenwerte. „Die werden viel zu wenig beachtet. Doch gerade da findet man mit akribischer Arbeit wahre Edelsteine." Über die gegenwärtige Wirtschaftskrise könnte der Geschäftsmann - „wenn er nicht ein so korrekter und jederzeit höflicher Mensch wäre" - eigentlich nur lachen. „Die Börse war vor zwei, drei Jahren auf einem enorm hohen Stand. Das hat mich schon nachdenklich gemacht." Was den Anstoß gab, die Anteile an seinem überaus erfolgreichen Ennismore Fund Management zu verkaufen. „Ich bin damals auch vom britischen Pfund auf den Euro umgestiegen", erwähnt er einen weiteren Glücksumstand aus der Zeit, als die europäische Währung endgültig vom belächelten Stiefkind des Dollars zur anerkannten Weltwährung aufstieg. „Ich habe das Desaster nicht in dem Umfang vorausgesehen, aber ohne Schaden überstanden." Doch zurücklegen und die Zinsen genießen, ist nicht Sache des immer in Bewegung befindlichen Schöningh. Genau in jenen Tagen erfuhr er von der Ausschreibung der Galopprennbahn Hoppegarten. Für den Pferdefreund, der in England selbst acht Vollblüter trainieren lässt und das Wetten zu seinen Lieblingslastern zählt, ein enormer Anstoß. „Jetzt kann ich noch etwas auf die Beine stellen. Wenn ich 60 bin, habe ich wohl keine Lust mehr dazu." Die Bahn war ihm nicht unvertraut. Bereits vor dem politischen Ende der DDR war Schöningh einmal zu Gast in Hoppegarten und erlebte auch den inzwischen legendären deutsch-deutschen Renntag am letzten März-Sonntag des Jahres 1990. „Seinerzeit wurde in zwei Währungen gewettet. Ost und West. Das war schon kurios. Auch wenn die immer noch kolportierte Zuschauerzahl von 40_000 jeder Objektivität entbehrte", erinnert er sich. Und Objektivität, das ist eine Eigenschaft, ohne die Gerhard Schöningh niemals die Mittel in die Hand bekommen hätte, um Europas erster Besitzer einer Galopprennbahn zu werden. Schon als Ökonom hatte er darauf geachtet, sich bewusst in Nischen zu bewegen, ohne dabei das Risiko zu übertreiben. „Ich habe immer danach gestrebt, eine gute Chance auch wahrzunehmen", so sein Credo als erfolgreicher Fondsmanager, was er nun gleichermaßen als Neugestalter seiner Rennbahn anwendet. Und dabei heißt es im Gegensatz zu seinen zahlreichen Vorgängern in den letzten 20 Jahren: „Wir bauen keine Luftschlösser, sondern konzentrieren uns auf das Machbare", was wiederum bei vielen Alteingesessenen Argwohn auslöst. Sie waren es gewohnt, Pläne von Hotels, anliegenden Golfplätzen und noblen Villen entrollt zu bekommen, die in kurzer Zeit entstehen sollten. Doch es blieb stets bei den Plänen, entstanden ist nichts Neues. Schöningh ist anders, nimmt aber dabei die Gescheiterten vor ihm in Schutz. „Damals war es schwer, Investoren zu finden. Die ungeklärten Besitzverhältnisse sind ein gewaltiger Hemmschuh gewesen", begründet er. Die sind nun geklärt. Für runde drei Millionen Euro hat er das ganze Areal erworben und mittlerweile noch einmal halb so viel in die dringend nötige Renovierung gesteckt. Fördermittel gab es keine. In Hoppegarten geht Schöningh korrekt vor, wie es seiner Erziehung entspricht. Er wirft nicht mit Geld um sich, sondern fördert die gezielte Umgestaltung. Auch auf Kosten von vorübergehenden Reibungspunkten. „Das ist ja schließlich mein Geld. Ich stamme nicht aus reichem Hause, sondern weiß, wie ich mir das erarbeitet habe." Gern erzählt der direkt neben der Rennbahn Krefeld aufgewachsene Pferdefreund auch von seinen ersten Besuchen auf dem benachbarten Areal. „Ich stand oft fasziniert am Wettschalter und habe die Möglichkeiten durchgerechnet. Als ich dann mit 17 oder 18 einmal 700 Mark gewonnen habe, war das für mich ein Festtag. Das war für mich eine riesige Menge Geld." Diese Relation hat Gerhard Schöningh nie aus den Augen verloren. Auch heute schaut er nach der preiswertesten Linie, wenn er von seiner Wahlheimat London nach Berlin fliegt. Er steigt in einer ruhigen Pension in Neuenhagen nahe der Rennbahn ab, anstatt in einem Nobelhotel im Berliner Zentrum. Und läuft lieber im Pullover über die Rennbahn als mit Krawatte und Weste. Als er sich so kürzlich einer Wanderung der Naturfreunde über eine Trainingsbahn anschloss, die er möglicherweise zu erwerben gedenkt, beschnupperten die neugierigen Brandenburger den neuen Besitzer der Rennbahn. Auch Millionäre, stellten sie fest, sind ganz normale Menschen. Schöninghs umgängliche Art schwächt den Gegenwind stark ab. Wenn die Bewohner von Hoppegarten spüren, dass die Modernisierung der Rennbahn Früchte trägt, dann wird Gerhard Schöningh den gewohnten Rückenwind spüren.
Hans-Christian Moritz