Sechstagerennen sterben aus. Nur in Berlin boomt das sportliche Ereignis. Die 100. Veranstaltung für den nächsten Winter wird schon vorbereitet.
Fachleute jubelten über das spannendste Finale aller Sechstagerennen. Damit bildet die 99. Auflage der Berliner Traditionsveranstaltung eine fundierte Basis für das Jubiläum vom 27. Januar bis zum 1. Februar 2011. Stehend verfolgten die 10 000 Zuschauer am Schlusstag im Velodrom die verbissene Aufholjagd der Publikumslieblinge Robert Bartko und Roger Kluge. Doch knappe 50 Meter fehlten dem Potsdamer Routinier und seinem jungen Eisenhüttenstädter Partner am Ende auf die dänischen Weltmeister Alex Rasmussen und Michael Mørkøv. „Im nächsten Jahr greifen wir wieder an“, versprach Bartko den kreischenden Fans und ließ sich mit Kluge als „die besten Zweiten aller Zeiten“ feiern.
Ein Versprechen auf zwölf Monate hinaus ist auf anderen Bahnen Europas derzeit kaum zu halten. Zu sehr bröckelt die einstige Institution Sechstagerennen. Berlin ist dabei so etwas wie der verbliebene Leuchtturm einer aussterbenden Veranstaltung. Allein im vergangenen Winter schrumpften die Sixdays auf dem Kontinent von siebzehn auf elf. In Deutschland haben Stuttgart, München und Dortmund das Handtuch geworfen. Nur Bremen, das künftig wohl auch vom Berliner Organisator Reiner Schnorfeil übernommen wird, hält noch die Fahne hoch.
„Berlin ist anders“, urteilt Christian Magiera als verantwortlicher Beob-achter des Radsport-Weltverbandes. Mit 157 von 160 möglichen Punkten in einer speziellen Wertung steht das Velodrom einsam auf dem Gipfel der Popularitätsskala der Sechstagerennen. Während andere Veranstalter mit Verweis auf leere Kassen aufgeben, treiben in der Hauptstadt insgesamt 75 000 Zuschauer in der stets ausverkauften Halle an der Landsberger Allee ihre Lieblings-Profis nach vorn.
Wie kommt das? „Wir legen nicht nur Wert auf den knallharten Sport, das eigentliche Sechstagerennen. Wir bieten auch ein perfektes Umfeld an“, erklären Veranstalter Heinz Seesing und Geschäftsführer Reiner Schnorfeil. Berlin hat das anerkannt fachkundigste Publikum der Rundenhatz unter Hallendächern. Deshalb wechseln sich in den Rennpausen nicht die Wildecker Herzbuben mit Klaus & Klaus ab, sondern es wird – zu Musik – weiter Sport geboten. Klasse-Sport. Mit faszinierenden Steher-Rennen und dem Berliner Schrittmacher Karsten Podlesch, mit Supersprints und dem Brandenburger Keirin-Weltmeister Maximilian Levy, mit dem hervorragenden Berliner Nachwuchs um Rick Zabel, den Sohn des einsstigen Publikumslieblings Erik Zabel. Die Elite aus Berlin und Brandenburg ist eingebunden in den Sport, die Fans haben ihre Lieblinge. Da bleibt manchmal fast zu wenig Zeit für Bier und Würstchen. Aber nur so stimmt die Waage. Schlägt das Pendel zur unsportlichen Seite aus, naht das Ende. München, Dortmund, Stuttgart beweisen das.
Mit den Pausen hat man gute Erfahrung in Berlin. Nicht nur während des Sechstagerennens. Auch die ca. 360 Tage dazwischen. Die Vorbereitung für das Jubiläum 2011 hat begonnen, nachdem die Glocke zur Schlussrunde im Februar verklungen war. Und das 100. wird nicht das letzte an der Spree sein.
Hans-Christian Moritz