Ostersonntag ist es wieder so weit: Saisonstart auf der Galopprennbahn Hoppegarten. In diesem Jahr träumt man von einem Sieg des jetzt hier trainierten ungarischen Wunderpferdes Overdose.
Ungewöhnlich lange, ungewöhnlich hoch und ungewöhnlich fest war der Schnee in diesem Winter in Brandenburg. Das hat die Sorgenfalten auf den Stirnen der Trainer am Rande der Galopprennbahn Hoppegarten noch tiefer eingegraben. Das sonst so elastische Geläuf des großzügigen Übungsgeländes war weit in den sandigen Boden hinein gefroren. Die Minusgrade rutschten so extrem in den Keller, dass die teuren Vollblüter nur zu ganz dosierter Arbeit an die frische Luft geholt werden konnten.
Doch mitten in das klirrende Weiß platzte um den Jahreswechsel die Nachricht, dass der ungarische Trainer Sandor Ribarszki sein Quartier von der Donau an den Rand Berlins verlagern würde. Der Name des Magyaren ist hierzulande nur Fachleuten geläufig. Aber denen ist er stets verbunden mit einem Pferd, das in der Welt gegenwärtig seinesgleichen sucht: Overdose. Der fünf Jahre alte braune Hengst gilt als einer der besten Sprinter und hat bei seinen zwölf Starts seit Beginn der Rennkarriere 2007 noch nie einen Konkurrenten vorbeigelassen.
„Dass so ein Pferd nun bei uns trainiert wird, ist ein sehr positives Signal“, freut sich Hoppegarten-Geschäftsführer Andreas Neue. Schließlich wäre Sandor Ribarszki mit diesem Pferd überall mit offenen Armen aufgenommen worden. Doch nach der Besichtigung von fünf deutschen Bahnen, Erkundungen in der Schweiz und einem ausgiebigen Gespräch mit Hoppegartens renommiertem Besitzertrainer Christian Zschache hat sich Ribarszki für den östlichen Rand Berlins entschieden.
Nun träumt man auf der Brandenburger Bahn von einem Rennen mit Overdose. Möglichst zur Saisoneröffnung am Ostersonntag. Das würde garantiert tausende Galoppsportfreunde anziehen. „Jetzt zahlt sich aus, dass wir die Trainingsbedingungen entscheidend verbessert haben. Sonst würde so ein Pferd nicht hier trainiert werden“, ist Rennbahn-Besitzer Gerhard Schöningh sicher. Schließlich hat er nach dem Erwerb der Anlage das Umfeld nach und nach höheren Anforderungen gerecht werden lassen. Derzeit gilt die Aufmerksamkeit vor allem der Auffrischung der alten Stallungen auf dem Gelände.
Ribarszki ist sich der Aufmerksamkeit bewusst, die er mit seinem Vorzeige-Galopper zusätzlich auf Hoppegarten lenkt. Sorgfältig vorbereitet hat der 47-Jährige seinen Wechsel von Ungarn nach Deutschland. „Ich habe in der Heimat alles gewonnen. Da musste ich eine neue Herausforderung angehen“, begründet er den Schritt nach Deutschland. Der erste Stall, den er im Spätherbst des vergangenen Jahres am Rande der Bahn in Augenschein nahm, entsprach nicht seinen Vorstellungen von einer Verbesserung nach dem Ortswechsel. Doch inzwischen hat der achtmalige Trainer-Champion aus dem Puszta-Land gefunden, was er suchte: ein einzeln stehendes Quartier direkt neben dem Trainingsgelände und mit separatem Zugang zum Geläuf.
Anfangs hat Ribarszki sogar in dieser Anlage genächtigt, bevor sein gemietetes Haus in der Nähe bezugsfertig war. Da konnte er in der Nacht, bei der Stille der Umgebung, seinen wertvollsten Schützling zwei Türen weiter sogar atmen hören.
Kein Mensch hätte je gedacht, dass Overdose einmal solche Schlagzeilen machen würde. Als sein Besitzer Zoltan Mikoczy den Hengst 2006 bei einer Auktion im englischen Newmarket ersteigerte, hatte er anfangs ein schlechtes Gewissen. Der Slowake hatte seiner Frau versprochen, zu den gerade gekauften vier Pferden keines mehr zu erwerben. Aber dann gefiel ihm der Jährling so gut, dass er bei der geringen Summe von umgerechnet 2 500 Euro die Hand hob. Der Stahlhändler mit lichtem Haar kann seiner Frau längst wieder in die Augen schauen – und lehnt Kaufangebote bis zu 6,5 Millionen Dollar für den Hengst ab.
In Ungarn ist Overdose ein Volksheld und wurde 2008 vor allen menschlichen Athleten zum Sportler des Jahres gewählt. In Übersee wird der Hengst schon verglichen mit dem legendären Seabiscuit, der zur Zeit der Weltwirtschaftskrise in den 1930er Jahren die Menschen von ihren Sorgen ablenkte und von 89 Rennen 33 gewann sowie weitere 28 Mal auf die Plätze kam. Sein Name soll damals öfter in den Zeitungen gestanden haben als die der herrschenden Politiker.
„Dass Overdose mal so einer wird, haben wir nie und nimmer erwartet“, sagt Ribarszki rückblickend auf die Zeit, als der mickrige Jährling in sein Quartier kam. Sogar als hässlich bezeichnet der Erfolgstrainer den Hengst aus der damaligen Zeit. Damit würde er sich heute in Ungarn einer Steinigung aussetzen, denn der Seriensieger hielt das Land in Atem, wie seinerzeit Seabiscuit die Amerikaner.
Hans-Christian Moritz
Info
Galopprennbahn Hoppegarten
Goetheallee 1, 15366 Hoppegarten
Renntage am 4. April, 24. April, 9. Mai, 23. Mai, 6. Juni,
6. August, 29. August, 11. September, 3. Oktober