Vor 90 Jahren wurde das Bauhaus gegründet. Zum Jubiläum werden die drei bedeutendsten Bauhaus-Institutionen in Deutschland erstmalig eine gemeinsame Ausstellung im Martin-Gropius-Bau zeigen. Dem Bauhaus-Bazillus entkommt niemand, der sich für Kunst und Architektur interessiert. Bereits als viele seiner Gebäude noch in beklagenswertem Zustand die Sinne des Betrachters trübten, überwog bedingungslose Begeisterung. Dem Mythos der wichtigsten Architekturschule des vergangenen Jahrhunderts konnte man sich einfach nicht entziehen, und japanische Touristen kratzten sogar Putz vom Bauhausgebäude in Dessau in Tütchen und Briefcouverts - als einzigartiges Mitbringsel für zu Hause und Beweis dafür, an diesem „heiligen Ort der Moderne" gewesen zu sein. Das war in den achtziger Jahren. Mit der Aufnahme der legendären Kunstschule in die UNESCO im Jahre 1996 begann die umfangreiche denkmalgerechte Sanierung, die heute fast abgeschlossen ist. So sind die Bauhausbauten heute wieder im Original zu bewundern. Vor allem in Dessau zieht das von Gründungsvater Walter Gropius 1926 errichtete Schulgebäude jeden Architekturpilger ehrfürchtig in seinen Bann. Es ist die Verkörperung modernen Bauens schlechthin. Eine Ikone mit Strahlkraft in die Zukunft. Überwältigender als in Dessau ist der architektonische und gestalterische Aufbruch der damaligen Avantgardisten kaum erlebbar. Gegründet wurde das „Staatliche Bauhaus" allerdings 1919 in Weimar aus der alten privaten Kunstgewerbeschule und der Großherzoglichen Kunsthochschule. Walter Gropius machte Künstler zu Lehrern, die heute zu den wichtigsten Künstlern des 20. Jahrhunderts gehören: Lyonel Feininger, Paul Klee, Oskar Schlemmer, Wassily Kandinsky. Drei Kriterien waren maßgebend für alles, was von ihnen gelehrt und gemeinsam mit den Studenten und Handwerkern entwickelt und gebaut wurde: eine funktionsbestimmte Form, die Reduktion auf das Wesentliche und eine klare, einfache Formensprache. Das revolutionierte Kunst, Architektur und Design derart, dass das Bauhaus die Moderne nachhaltig prägte. Denn von Beginn an suchte es nach einer „Weltsprache der Gestaltung". Insofern hat es auch heute an Modernität nichts verloren. „Das Bauhaus als Tradition ist nicht die Fortführung von Mustern, Stilen und Verfahren, sondern das Öffnen für die Welt, die in Bewegung ist." Der Wahrhaftigkeit dieses Satzes von Paul Klee näherzukommen, bietet sich in diesem Jahr aus Anlass des 90-jährigen Jubiläums reichlich Gelegenheit. Ausstellungen und Veranstaltungen im Gründungsort Weimar und in anderen benachbarten Städten laden bis Jahresende ein, den Spuren der Bauhäusler in Thüringen zu folgen. Fünf Jahre genügten, um hier eine neue Kunst- und Lebensform zu entwickeln. Bis die Avantgardisten aus dem Ort der deutschen Klassik nach Dessau vertrieben wurden, wo dann jene architektonischen Meisterwerke entstanden, die die anhaltinische Stadt zum zukünftigen Wallfahrtsort machen sollten. Schließlich endete das „Experiment Bauhaus" 1933 in Berlin unter dem Druck der Nationalsozialisten, und die Bauhäusler nahmen ihre Ideen mit in die Emigration. Damit war aber auch der weltumspannende Mythos des Bauhauses geboren. Das diesjährige Gründungsjubiläum veranlasste die drei deutschen Bauhaus-Institute in Zusammenarbeit mit dem Museum of Modern Art, New York, zur ersten gemeinsamen Ausstellung im Berliner Martin-Gropius-Bau. Unter dem Titel „Modell Bauhaus" ist die Schau umfassend angelegt. Allein die Geschichte des Bauhauses umfasst 18 Galerieräume im Erdgeschoss und reicht von den Anfängen des Unterrichts in Weimar über die architektonische Verwirklichung in Dessau bis hin zur Auflösung der Kunstschule in Berlin. Die gezeigten Arbeiten seiner Meister und Schüler sowie deren künstlerische Ansprüche machen dabei eindrucksvoll deutlich, wie nach dem Trauma des Ersten Weltkrieges und einer daniederliegenden Kunstszene in Deutschland eine neue, bis in unsere Zeit reichende Ästhetik geboren wurde. Darüber hinaus ist das erklärte Ziel der Ausstellungskooperation von Bauhaus-Archiv Berlin, Stiftung Bauhaus Dessau und Klassik Stiftung Weimar, neben der Historie vor allem die weltweiten Auswirkungen des Bauhauses auf Architektur und Design zu thematisieren. Und um damit die Bedeutung dieser einzigartigen Kunstschule für die Entwicklung der Moderne schlechthin deutlich und erfahrbar zu machen.
Reinhard Wahren
Ausstellung
Modell Bauhaus
22. Juli bis 4. Oktober 2009
Martin-Gropius-Bau Berlin Niederkirchnerstraße 7 10963 Berlin
www.bauhaus2009.de
www.modell-bauhaus.de