Ein liegender Eiffelturm, eine rekonstruierte Slawenburg und eine in Entstehung begriffene Seenkette – die Internationale Bauausstellung (IBA) Fürst-Pückler-Land in der Lausitz präsentiert in diesem Jahr ihre Ergebnisse. Zu erleben ist dabei die Verwandlung einer vom Braunkohleabbau geschundenen Landschaft in eine Gegend, die künftig zu den touristisch attraktivsten des Landes Brandenburg gehören könnte.
Für die Einwohner der Grenzstadt Guben und ihrer polnischen Schwesterstadt Gubin war es ein bemerkenswertes Ereignis, als am 8. Mai in der Ruine der Gubiner Hauptkirche das Kunstprojekt „Das Herz von Guben und Gubin“ stattfand. 65 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs spielten vier polnische und vier deutsche Organisten 24 Stunden lang Orgelmusik – und 500 Menschen strömten in die Überreste des seit dem Krieg zerstörten gotischen Gotteshauses, das künftig als Kultur- und Kommunikationszentrum dienen soll.
Die Aktion war eines von sieben Kunstevents, die unter Leitung des Schweizer Regisseurs Jürg Montalta zu den Höhepunkten des Präsentationsjahres der IBA Fürst-Pückler-Land gehören. Ob in Cottbus, wo die Bewohner des Plattenbauviertels Sachsendorf-Madlow zu einer großen Tafel auf der Hauptstraße des Stadtteils laden, oder am in Entstehung begriffenen Sedlitzer See, dessen künftige Umrisse 7000 Menschen mit Taschen- und Fahrradlampen markieren werden – die von Montalta unter dem Namen „Paradies 2“ inszenierten Ereignisse beziehen immer die Bevölkerung der Lausitz mit ein. Damit folgen sie der Leitlinie der IBA, die sich laut ihrem Geschäftsführer Rolf Kuhn als eine „IBA von unten“ versteht. Auf diese Weise grenzt sie sich von vorangegangenen Internationalen Bauausstellungen ab – die, wie die Berliner IBA des Jahres 1987 – von den Werken herausragender Architekten geprägt wurden.
Viktoriahöhe am Ilsesee mit Blick auf die IBA-Terrassen [Foto: Thomas Kläber]
Ohnehin steht bei der im Jahr 2000 gestarteten IBA Fürst-Pückler-Land (ihr Name bezieht sich auf Fürst von Pückler-Muskau, den Schöpfer der Parks in Branitz und Bad Muskau) nicht die gebaute Umwelt im Zentrum, sondern die Landschaft. Austragungsort ist die Lausitz, jenes an Polen angrenzende Gebiet in Brandenburg und Sachsen, das seit über einem Jahrhundert vom Abbau der Braunkohle geprägt ist. Dieser wurde vor allem zu DDR-Zeiten alles untergeordnet: Weil der sozialistische deutsche Staat energieautark werden wollte und zu diesem Zweck auf den einzigen wichtigen Energieträger der Republik angewiesen war, mussten über hundert Kleinstädte, Dörfer und Siedlungen dem Bergbau weichen. Bis zu dreißig Tagebaugruben waren gleichzeitig in Betrieb, wodurch nach Worten der IBA-Verantwortlichen „eine jahrhundertealte Kulturlandschaft in eine Mondlandschaft“ verwandelt wurde. Denn Braunkohle lagert nur etwa 40 bis 100 Meter unter der Erdoberfläche; der Abbau erfolgt deshalb anders als bei der Steinkohle – nicht unter Tage, sondern im offenen Tagebau.
Davon zeugen die sogenannten Tagebaurestlöcher, die jetzt eine durchgreifende Verwandlung erleben: Sie werden in einem jahrelangen Prozess mit Wasser gefüllt, so dass eine Seenlandschaft mit insgesamt 7000 Hektar Wasserfläche entsteht. Zu beobachten ist dieser Prozess beispielsweise in Großräschen. Von den IBA-Terrassen aus, einem 2004 eröffneten Besucher- und Veranstaltungszentrum, lässt sich verfolgen, wie sich das Tagebauloch Meuro allmählich in den Ilsesee verwandelt. Dass dieser Prozess auch das Interesse von Tourismus-Investoren auf sich zieht, beweist das nahe Seehotel: Der Unternehmer Gerold Schellstede verwandelte ein ehemaliges Ledigenwohnheim in ein Vier-Sterne-Hotel. Solche Erfolge waren nicht abzusehen, als die vier Lausitzer Landkreise und die Stadt Cottbus in den neunziger Jahren die anfänglich zögernde brandenburgische Landesregierung dazu bewegten, eine IBA auszurufen. Ziel war es, neue Nutzungen für die vom Braunkohleabbau gezeichnete Landschaft zu finden, ohne ihre Geschichte vergessen zu machen. Dass diese zunächst auch von der Bevölkerung skeptisch beäugten Bemühungen bald eine unerwartete Breitenwirkung erzielten, ist nicht zuletzt darauf zurückzuführen, dass das IBA-Team schnell erkannte, dass eine IBA Leuchttürme braucht. Beispielhaft dafür steht die F60, eine gut 500 Meter lange Abraumförderbrücke. Der Gigant – auch „liegender Eiffelturm der Lausitz“ genannt – wurde vor der Sprengung bewahrt und entwickelte sich an seinem neuen Standort in Lichterfeld bei Finsterwalde zum zentralen Publikumsmagneten der IBA. Aber auch die rekonstruierte Slawenburg in Raddusch, die Landmarke Lausitzer Seenland – ein vom Münchner Architekten Stefan Giers entworfener Aussichtsturm bei Senftenberg –, die vor dem Abbruch geretteten Biotürme in Lauchhammer und das erste schwimmende Haus auf dem Gräbendorfer See stehen für die Durchschlagskraft der IBA.
Links:Die Biotürme in Lauchhammer sind Kulisse für Veranstaltungen, eine der Röhren dient als Aussichtsturm [Foto: Matthias Beyrow], Rechts: Gigant der Technik in Lichterfeld: Die ehemalige Abraumförderbrücke F60 ist heute ein bedeutendes Besucherbergwerk [Foto: Rainer Weisflog]
Allerdings sind noch nicht alle der dreißig IBA-Projekte abgeschlossen. In Planung sind beispielsweise ein Hafenneubau in Senftenberg, ein schwimmender Steg über den künftigen Sedlitzer See und ein futuristisches Erlebniszentrum neben der F60. Wenn die IBA Fürst-Pückler-Land mit der offiziellen Abschlussveranstaltung am 18. September dieses Jahres zu Ende geht, werden, so hoffen es wenigstens die Verantwortlichen, diese Vorhaben unter der Leitung lokaler Projektträger weitergeführt werden. Schon jetzt aber steht nach Überzeugung von Geschäftsführer Rolf Kuhn fest: „Das Kunststück, Geschichte zu bewahren und gleichzeitig zu neuen Ufern aufzubrechen, ist gelungen.“
Paul Munzinger
Informationen
IBA-Terrassen
Besucherzentrum Lausitzer Seenland
Seestraße 100
01983 Großräschen
Tel.: 035753-2610
www.iba-see.de