In der Nähe des neuen Großflughafens Berlin-Brandenburg nternational (BBI) sollen bald selten gewordene Wildpferde grasen.
Zwei Parks, 12 Hektar und 28 Hektar groß, soll es ab Herbst 2011 in der Gemeinde Schönefeld geben. Zivilisation trifft auf bedrohte Natur. Die Schönefelder Parks werden angelegt als eine der Ausgleichsmaßnahmen für die Eingriffe in die Natur, die im Zuge des Flughafenausbaus vorgenommen wurden. So sieht es der entsprechende Planfeststellungsbeschluss vor. Bisher sind hier Brachflächen beziehungsweise ein altes Gewerbegelände. „Die Erholungsräume sollen bewusst einer Bevölkerung zugute kommen, die von den Auswirkungen des zunehmenden Flugverkehrs ab Herbst nächsten Jahres betroffen sein wird“, erklärt Leif Erichsen, Pressesprecher der Berliner Flughäfen. Mit Eröffnung des Großflughafens BBI sollen auch die Parkanlagen fertig sein. Vor allem der Ort Großziethen wird profitieren. Außer dem Wildpferdgelände wird hier auch noch der ehemalige Gutspark wiederhergestellt, und es soll ein naturnaher
Erlebnispark entstehen.
Dabei bekommt jede dieser Parkanlagen einen anderen Charakter. „Im ehemaligen Gutspark von Großziethen wird es keine Wildpferde geben. Hier wird es darum gehen, den Altbaumbestand zu sichern und einen neuen Rundweg anzulegen, erläutert der Landschaftsplaner Carlo Becker vom Berliner Büro bgmr. „Außerdem sollen Obstwiesen entstehen, wo auch mal ein Dorffest stattfinden kann.“
Anders in den beiden Wildpferdeparks. Hier stellt sich Becker eine Art „kultivierte Wildnislandschaft“ vor. „Es soll etwas anderes werden als ein klassischer Park oder eine reine Naturlandschaft, auch keine rückwärtsgewandte Kulturlandschaft, sondern etwas ganz Neues.“
Geplant sind bis zu fünfzehn Wildpferde, genauer gesagt Przewalski- und Konik-Pferde, die in den eingezäunten Parks „Am Vogelwäldchen“ und „In den Gehren“ ausgesetzt werden. Offene Landschaft und sogenannte Bauminseln wechseln hier miteinander ab. Die direkte Nachbarschaft zum Berliner Ortsteil Rudow garantiert den Tieren maximale Aufmerksamkeit. Viel Platz zum Galoppieren werden die ungestümen Tiere haben. Auf drei Hektar wird ein Pferd kommen. Züchter planen gewöhnlich drei Pferde auf einen Hektar.
„Für die Besucher ist es dann eine Art Entdeckerfreude, wenn sie eins sehen“, erklärt Carlo Becker den Ansatz. Um die Gehege herum sollen nach den Vorstellungen des Planungsbüros verschlungene Wege und Pfade führen. Gepflanzt werden einheimische Baumarten wie Eichen, Linden oder Eschen. Sichtachsen geben den Blick auf die Tiere frei. „In den Gehren“ wird es einen Aussichtshügel geben, von dem aus man sie beobachten kann. Immer wieder hört der Landschaftsplaner die Frage nach dem Lärm und ob die Pferde diesen vertragen können. Da die Flächen außerhalb der Lärmschutzzonen liegen, dürfte dies kein Problem sein. Außerdem würden sich die Tiere auch gewöhnen, zerstreut Carlo Becker die Bedenken. Der Vorteil ist auch, dass sie eine Art natürliche Rasenmäher sind. Die Landschaftsarchitekten orientierten sich hierbei an alten englischen Landschaftsparks, wo auch Pferde oder Rinder grasen. Dass sie dabei auch die Bäume von unten anfressen, ist durchaus gewollt. „Das kann ein reizvolles Bild abgeben“, ist Becker überzeugt.
Es ist geplant, die Pferde das ganze Jahr über draußen zu lassen. Die Anzahl in Schönefeld ist auch deshalb begrenzt, damit die Pferde genug Nahrung finden. Nur bei extremen Witterungsbedingungen, großer Hitze oder Kälte, sollen sie zusätzlich mit Wasser und Futter versorgt werden. Schönefelds Bürgermeister Udo Haase begrüßt die Planungen der Architekten ausdrücklich: „Diese Pferde werden Schönefeld und den Süden Berlins um eine Attraktion reicher machen.“ Er selbst habe als Mongolei-Experte ein besonderes Verhältnis zu Wildpferden. War er doch vor einigen Jahren dabei, als fünf der in der Mongolei ausgestorbenen Przewalski-Pferde in der Hochgebirgssteppe des Altai wieder in die Freiheit entlassen wurden. Sind die Parks einmal angelegt, ist die Aufgabe für den Flughafen nicht erledigt.
Über 25 Jahre müssen die Anlagen laut Planfeststellungsbeschluss auch gepflegt werden. Das schließt die Pflege der Wildpferde ein. Deshalb wird in einem Ausschreibungsverfahren ein geeigneter Agrarbetrieb gesucht, der das leisten kann.
Einen etwas anderen Charakter wird der 15 Hektar große Park „Am Dörferblick“ bekommen. Er liegt direkt auf dem ehemaligen Mauerstreifen und beschreibt einen Winkel. Der bereits existierende Mauerweg und der gewachsene Baumbestand sollen integriert werden. „In diesem Park wollen wir Möglichkeitsräume eröffnen“, erläutert der Landschaftsarchitekt Carlo Becker das Konzept. Er meint damit, dass die einheimische Bevölkerung die Gelegenheit bekommen soll, sich einzubringen und Wünsche zu äußern. Er denke dabei etwa an Kletterdünen, Lehmberge für Bikes oder Picknickwiesen. Auch ein Imkergarten sei denkbar. Erste Ansätze der Beteiligung gebe es schon, aber all das braucht auch Zeit. „Diese Dinge sind immer ein Prozess.“
Karen Schröder