So wie sich die Menschen früher nach himmlischer Fortbewegung sehnten, sind wir im 20. Jahrhundert mit dem Auto diesem Wunsch ziemlich nahe gekommen und schließlich gar dem fahrenden Luxus verfallen. Doch ist der sehnsuchtsvolle Blick nach oben offenbar geblieben, denn Offenfahren ist in – kein Auto ist dem Himmel näher als ein Cabriolet. Tatsächlich erlebt der Cabrio-Markt in Deutschland eine Renaissance. Das derzeitige Modellangebot war noch nie so groß. Und dass die Cabrio-Saison vorwiegend auf den Sommer beschränkt bleibt und nur zu zweit richtig genossen werden kann, widerlegt zudem Daimler mit dem neuen Mercedes-Benz E-Klasse Cabriolet unter dem Motto „Vier Jahreszeiten, vier Personen“. Erfreulich ist auch, dass Cabrios nicht mehr nur teuer sind. Mittlerweile kann Mann oder Frau den Himmel schon unter 15.000 Euro sehen. Die anspruchsvollen Modelle haben allerdings ihren Preis, wie der BMW 335i für rund 50.000 Euro in der Basisvariante. Er gehört zur vierten Cabrio-Generation des 3er mit einem Klappdach, das sich auf Knopfdruck oder mit der Fernbedienung in 22 Sekunden fast geräuschlos öffnet bzw. schließt. Beim Fahren kann das Gaspedal überzeugender nicht sein. Es fungiert wie ein unwiderstehlicher Befehlsgeber für den starken 6-Zylinder-Turbo-Benziner, der eine Leistung von immerhin 306 PS erzeugt, damit in 5,8 Sekunden von null auf Tempo 100 beschleunigt und schließlich eine Höchstgeschwindigkeit von 250 km pro Stunde erreicht. Das klingt nach Sportwagenattitüde. Der BMW 335i ist aber in erster Linie ein elegantes, hochwertiges Cabrio mit außergewöhnlicher Fahrdynamik. Das Zusammenspiel von Lenkung, Fahr- und Triebwerk offenbart hohe technische Perfektion. Zumal auch der Spritverbrauch außerorts von 6,7 Litern pro 100 km bei dieser Motorisierung akzeptabel ist.
Am Cabrio-Dach scheiden sich allerdings die Geister. Blech-Faltdach oder Stoffdach? – Das ist hier die Frage. Die Hersteller setzen mehr und mehr auf das Metall-Klappdach, wie eben BMW. Es erscheint für bestimmte Käuferschichten solider und sicherheitsorientierter. Dass zu einem richtigen Cabrio ein Stoffdach gehört, behaupten dagegen die Vertreter anderer Premium-Marken. „Schöne Cabrios gibt es nur mit Stoffdach“, behauptet man bei Mercedes-Benz, und auch Audi hält an einer „emotionalen Cabrio-Lösung“ fest, worunter sowohl für das Audi A3 Cabrio als auch für das A4 Cabrio ein klassisches Stoffverdeck zu verstehen ist.
[Foto: Audi]
Es integriere sich vollständig in die Linienführung der Fahrzeuge. Diesem Designanspruch folgt aber auch die notwendige Funktion: Tatsächlich wird dank des robusten Materials eine sehr gute Schall- und Wärmedämmung während der Fahrt erreicht. Das optional angebotene vollautomatische Akustikverdeck – eine mehrlagige Textilkonstruktion – kann in neun Sekunden geöffnet und in elf Sekunden geschlossen werden – auch während der Fahrt bis 30 km pro Stunde.
[Foto: Nissan]
In die Cabrio-Oberklasse gehört auch der neue Nissan 370 Z Roadster, der noch in diesem Jahr in Deutschland verkauft werden soll. Der auch als Nippon-Porsche bezeichnete japanische Sportwagen wäre allerdings mit Metalldach kaum denkbar. Zwanzig Sekunden dauert es, bis das Stoffdach unter einer unscheinbaren Abdeckung des Zweisitzers verschwindet. Zu luftig wird es auch in diesem überarbeiteten Roadster nicht mehr. Die weiter nach hinten gezogene Windschutzscheibe und ein gläserner Windschott zwischen den Kopfstützen verhindern weitgehend störende Luftturbulenzen. Der Sechszylindermotor liefert 328 PS, und der Nissan 370 Z ist damit genauso schnell von null auf Tempo 100 wie der BMW 335i. Mit dem reibungslosen Sechsgang-Schaltgetriebe erreicht der Wagen elegant seine Höchstgeschwindigkeit von 250 km pro Stunde.
Reinhard Wahren