Kunst monumental

Einst wurde er als „Berliner Michelangelo“ gefeiert, doch nach seinem Tod war er nahezu vergessen. Mit einer Ausstellung zum 100. Todestag von Reinhold Begas würdigt das Deutsche Historische Museum den für das Deutsche Kaiserreich so wichtigen Bildhauer.

Sicher gehört er nicht zu den Künstlern, die die „Moderne“ beförderten. Revolutionär war er indes trotzdem, denn seine Plastiken, zu sehen in der Rotunde der Alten Nationalgalerie, führten immerhin weg vom Klassizismus, hin zu jenem Stil, der als „Berliner Neubarock“ bezeichnet wird. Mit einer solch hohen künstlerischen Qualität, dass er anfangs sogar als „Berliner Michelangelo“ gefeiert wurde. Später schlug die künstlerische Anerkennung allerdings immer mehr in Spott um, denn die Kunstkritik sah Begas zunehmend als Auftragskünstler für Wilhelm II., dessen monumentale Denkmäler vor allem politische Inhalte transportierten. So stand Begas in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts einerseits künstlerisch ebenbürtig neben seinen Lehrern und Taufpaten Gottfried Schadow und Christian Daniel Rauch, andererseits schuf er jene Monumente des Kaiserreiches, welche die Nachwelt aus verständlichen Gründen mehr oder weniger ignorierte, wenn nicht gar aus dem öffentlichen Raum entfernte. Letzteres trug entscheidend dazu bei, dass der Bildhauer fast in Vergessenheit geriet. Umso bemerkenswerter ist die Ausstellung „Begas – Monumente für das Kaiserreich“ des Deutschen Historischen Museums anlässlich seines 100. Todestages, denn sie zeigt und würdigt erstmalig seit dem Tod des Künstlers den ganzen Begas.
Sehr früh gehörte Begas, wie auch Anselm Feuerbach, Franz Lenbach und Arnold Böcklin, zum Kreis deutsch-römischer Künstler, die sich an der hellenistischen Antike orientierten und in Rom zu ihren künstlerischen Ausdrucksformen fanden. Mit der Gruppe „Pan und Psyche“ 1857 gelang ihm schließlich der Durchbruch als Bildhauer. Seine öffentliche Anerkennung kam 1871 mit dem Schiller-Denkmal vor dem Schauspielhaus.
Es folgten Büsten von berühmten Zeitgenossen wie Lassalle, Moltke, Menzel, Bismarck und Mommsen. Seine Grabmalsplastik für den verstorbenen Sohn des legendären „Eisenbahnkönigs“ Bethel Henry Strousberg gilt als eines der schönsten und bedeutendsten Werke, heute auf dem Friedhof in Reinickendorf.

Reinhold Begas im Atelier mit Modell der Skulptur „Junges Mädchen nach dem Bade“, Fotografie von Theodor Hilsdorf, 1908, Sammlung Franz Todt, Bingen am Rhein

Seine späte und zugleich markanteste Schaffensphase war eng mit den Großmacht- und Repräsentanzbestrebungen des neuen Deutschen Kaiserreiches verbunden. Begas erhielt jene Großaufträge, die das Stadtbild Berlins in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts bestimmen sollten, darunter das Denkmal Alexander von Humboldts vor der Humboldt-Universität oder der Neptun-Brunnen vor dem Berliner Stadtschloss, heute vor dem Roten Rathaus. Mit dem Regierungsantritt Kaiser Wilhelms II. im Jahr 1888 folgten allerdings dann die monumentalen Staatsaufträge, die in erster Linie politisch motiviert waren: das Nationaldenkmal Kaiser Wilhelms I. vor dem Berliner Schloss, 1950 zerstört, die Siegesallee sowie das Bismarck-Denkmal vor dem Reichstag, heute am Großen Stern. Letztlich sind es vor allem diese Arbeiten, die die Nachwelt mit dem Namen Begas verbindet und die gleichwohl die Anerkennung des großartigen Bildhauers weitgehend reduzierten. So vermittelt die Ausstellung im Deutschen Historischen Museum erstmals nach hundert Jahren eine Art Retrospektive über sein Gesamtwerk und erinnert mit Reinhold Begas an einen durchaus auch zwiespältigen Künstler, dessen Werke exemplarisch und so stilprägend wie bei keinem anderen Künstler die repräsentative Kunst der Kaiserzeit widerspiegeln.

Reinhard Wahren

Ausstellung

Begas – Monumente für das Kaiserreich

Bis 6. März 2011
Deutsches Historisches Museum,
Unter den Linden 2
10117 Berlin

45 - Winter 2010/11