Neuer Anlauf

Die großen Berliner Sportarten sind im Sommer an ihren Zielen vorbeigeschossen. Doch in dieser Saison solI alles viel besser werden.

Die Wasserfreunde der SG Spandau 04 sind fein raus. Wenn der Bundes-liga-Überflieger auch Jahr für Jahr als international für zu leicht befunden wird, hat das deutsche Schwergewicht der Sportart schon den 30. nationalen Titel seit 1979 gewonnen. Und rüstet unentwegt für die vierte Dekade.
Nur: Wasserball ist in Berlin höchs-tens eine Randsportart. In allen anderen Mannschaftsdisziplinen ist die erfolgsverwöhnte Hauptstadt ins Hintertreffen geraten. Die medienträchtigen Vereine haben ihre Ziele verfehlt – teilweise sogar beträchtlich. Das Prestige muss mühevoll aufpoliert werden.
König Fußball geht zwischen Havel und Spree am Stock. Was vor anderthalb Jahrzehnten als einmaliger Ausrutscher durchgewinkt wurde, ist für die Tausenden Anhänger der weltweit populärsten Sportart noch einmal grausame Wirklichkeit geworden. Berlin ist die einzige Hauptstadt Europas, in der kein erstklassiger Fußball gespielt wird. Ein Jahr nach den hochfliegenden Plänen von Hertha BSC, als der Traditionsverein haarscharf an der Meisterschaft vorbeischrammte, dümpelt der Club durch die Zweitklassigkeit. Die Träume von Spielen gegen Manchester United, Inter Mailand oder Real Madrid wurden durch Alpträume ersetzt: Nun gastieren Rot-Weiß Oberhausen, Greuther Fürth und der SV Paderborn in der Riesenschüssel des Olympiastadions.
„Ich spiele lieber um den Aufstieg als gegen den Abstieg“, sagt Markus Babbel trotzig. Das setzt der neu verpflichtete Hertha-Trainer bislang in die Tat um. Beim Riesen-Etat des Zweitliga-Krösus ist die Rückkehr in die Elite Formsache. Da kann auch der 1. FC Union, der in Liga 2 erstmals zu Pflichtspielen gegen den Ortsnachbarn antritt, nichts ausrichten. Hertha wird aufsteigen. Doch was kommt danach?
Mit einem Derby können die Eisbären seit dem Verschwinden des Lokalrivalen Preußen Berlin nicht mehr locken. Trotzdem ist die neue Arena am Ostbahnhof bei fast allen Heimspielen ausverkauft. Und davon hätte der viermalige Deutsche Meis-ter im Eishockey in dieser Saison gern ein paar mehr. Viel zu früh musste der damalige Titelverteidiger seine Profis 2010 in den Sommer-urlaub schicken, als schon in der ersten Playoff-Runde sensationell das Aus kam. „Wir waren das Verlieren nicht mehr gewöhnt“, stöhnten die Dauersieger der Vorrunde und mussten sich zu Beginn dieser Spielzeit einer ungewöhnlich harten Vorbereitung durch den kanadischen Trainer Don Jackson unterziehen.
„Alle sind körperlich fit durch den Urlaub gekommen“, lobte der Coach voreilig und musste erkennen, dass die Eisbären keinem Gegner mehr einen Schrecken einjagen. Doch vielleicht ist das ganz gut so. Wer sich durch die Punkterunde beißen muss, verlernt nicht das Kämpfen für die Playoffs.
Mit diesem Effekt muss auch Luka Pavicevic arbeiten. Den Trainer schickte man nicht fort, wie es bei früheren Misserfolgen von Alba Berlin geschehen ist. Der Serbe hatte zu Buche stehen, dass die Basketballer mit dem Erreichen des Eurocup-Finals einen überraschenden internationalen Erfolg verbuchen konnten. Im Gegensatz zu früheren Spielzeiten hatte sich damit das Bild beim nationalen Giganten umgekehrt. Während die Albatrosse unter deutschen Körben von einem Erfolg zum nächsten hechelten, wurden sie international immer wieder in die dritte Reihe verbannt. Diesem Teufelskreis glaubte man nun entwischt, als vor den Playoffs plötzlich der Endspiel-Einzug im – allerdings zweitklassigen – Europapokalwettbewerb gelang. Doch danach folgte die Ernüchterung: Schon zu Beginn der Direkt-Ausscheidung um den deutschen Titel setzten die Korbjäger aus Frankfurt/Main ein Stoppzeichen.
„Was ich da gesehen habe, war nicht erfreulich. Ich hatte nie das Gefühl, dass eine verschworene Gemeinschaft auf dem Feld steht, die über den Kampf zurück in die Partie finden kann. Da war zu viel Nebeneinander statt Miteinander“, gesteht Mithat Demirel. Der ewige Publikumsliebling der Berliner Basketball-Gemeinde, der wegen einer hartnäckigen Augenverletzung seine Karriere frühzeitig beenden musste, wurde kurzerhand als neuer Teammanager verpflichtet. Auf ein Neues also, auch bei Alba.
Im Handball als vierter großer Mannschaftssportart sind die Füchse Berlin am Saisonziel vorbeigeschossen. Der angestrebte Europapokalstart für diesen Herbst wurde um ein einziges Tor verfehlt. In Zahlen: 1. Und das bei rund 1000 geworfenen Treffern. „Ich hatte von diesem Vorhaben bereits im März Abstand genommen. Aber gerade das hat die Mannschaft noch einmal wachgerüttelt“, anerkennt
Manager Bob Hanning. Der vor einem Jahr neu verpflichtete Trainer Dagur Sigurdsson, einst bester und populärster Handballer Islands, hat mit den Profis ganze Arbeit geleistet. „In dieser Saison schreiben wir das Ziel eines Platzes im internationalen Geschäft fest und wollen keinesfalls wieder einen Rückzieher machen“, lässt Hanning zeitig verlauten.
Und ganz nebenbei machen die Füchse ihrem Namen alle Ehre und werden national zum Jäger. Alle großen Mannschaften mussten gegen die Berliner Federn lassen, und der Verein hat Mühe, das gestiegene Medieninteresse zu organisieren.
Mit Sicherheit feiern die Handballer nach dieser Saison den Einzug in den Europapokal wie Herthas Fußballer den Aufstieg. Möglicherweise Alba und die Eisbären wieder die Meisterschaft. Ganz bestimmt aber die Wasserballer ihren 31. Titel.

Hans-Christian Moritz
 

45 - Winter 2010/11
Sport