800 Jahre Köpenick - Rückblick auf 150 Jahre Wassersport. Große, breitschultrige junge Frauen und Männer sind in Grünau unterwegs. Grüppchenweise joggen sie auch durch die angrenzenden Wälder. Der Ortsteil von Berlin-Köpenick ist ein Zentrum des Wassersports. Mit der Regattastrecke hat Grünau eine bedeutende Berliner Wettkampfstätte. Ruder-, Kanu-, und Drachenbootrennen werden hier entschieden. Wie Perlen an einer Schnur reihen sich die Bootshäuser am Langen See auf, angefangen mit dem modernen Gebäude des SC Berlin-Grünau, der einstigen Kaderschmiede des DDR-Leistungssports. Der Vereinssitz ist auch heute noch Standort für den Bundesleistungsstützpunkt Kanu und Rudern. Der Wassersport hat Tradition in Grünau. Altehrwürdige Fachwerk- oder Klinkergebäude mit Terrassen, Balkonen, Türmchen und Erkern legen davon Zeugnis ab. Oft verstecken sie sich hinter hohen Linden und Kastanien. Besonders bemerkenswert sind die Hausnummern Regattastraße 231, 237 und 239. Die denkmalgeschützten Gebäude gehörten zu solch renommierten Wassersportvereinen wie dem Berliner Seglerclub, dem Akademischen Ruderverein oder dem Ruderverein Sportborussia. Letzterer stellte schon bei der ersten Olympiade der Neuzeit in Athen 1896 Goldmedaillengewinner im Rudern. Die Häuser verfügten über großzügige Vestibüls, Parkettfußböden und besondere Holzpaneele. Wie englische Landhäuser hatten einige unter ihnen auch einen großen offenen Kamin. Man wollte auch nach außen hin zeigen, dass man wer war. Vor dem Ersten Weltkrieg war das Rudern eine exklusive Sportart wirtschaftlich besser gestellter Kreise. Erst in den zwanziger Jahren ist es zum Volkssport avanciert. Viele Unternehmen gründeten dann für ihre Mitarbeiter Vereine und bauten entsprechende Gebäude. Das Haus Regattastraße 277, das sich einst im Besitz der Dresdner Bank befand, ist das jüngste der denkmalgeschützten Bootshäuser. 1930 ist es von Otto Zrbezny im Stil der neuen Sachlichkeit erbaut worden. Der Klinkerbau mit seiner Terrasse, den langen Holzbalkonen und den Wandgemälden im Innern (leider nicht mehr vorhanden) soll einmal das schönste und größte Bootshaus Deutschlands gewesen sein. Es gab Zeiten, da war in Grünau die Hölle los. Himmel und Menschen pilgerten zu den Ruderveranstaltungen an die Regattastrecke. Bis zu 50_000 sollen es um 1900 gewesen sein. Sie kamen mit Sonderdampfern und Sonderzügen nach Grünau. Als Rahmenprogramm gab es Volksbelustigungen aller Art. Angefangen hatte alles 1880 mit einer Regatta der vereinigten Rudervereine Oberspree. Im Jahr darauf kamen zum Kräftemessen bereits Sportsfreunde aus Berlin, Dresden und Stettin. Der Wäschereiunternehmer Spindler, der dem Köpenicker Ortsteil Spindlersfeld seinen Namen gab, stiftete einen Talerhumpen. Ein Regattaverein wurde in Grünau gegründet, der die Strecke weiter ausbauen ließ. Insbesondere Kaiser Wilhelm I. hatte das Rudern und Segeln einst gefördert. 1883 setzte er einen Preis aus, was dem Berliner Rudersport ungemeinen Aufschwung verlieh. Die so genannten Kaiserregatten brachten Glanz in den südöstlichen Berliner Vorort. Vier Uhr nachmittags erschien die kaiserliche Yacht Alexandria. Damit der Kaiser das sportliche Geschehen auch vom Land aus verfolgen konnte, wurde im norwegischen Stil ein Pavillon errichtet. Hier nahm der Kaiser seinen Tee und übergab die Preise an die jeweiligen Sieger. 1899 war dann die erste feste Besuchertribüne fertiggestellt. Eine Loge kostete dreißig Goldmark. Das normale Publikum bevorzugte allerdings Stehplätze entlang der Strecke. Noch war Platz genug, denn die Grundstücke wurden zumeist erst einige Jahre später bebaut. Die Grünauer Regattastrecke erfreute sich als Austragungsort wassersportlicher Wettbewerbe immer größerer Beliebtheit. Lag sie doch zentral und gut erreichbar für Sportler aus ganz Deutschland. Mehrfach wurden die Deutschen Meisterschaften hier ausgetragen. 1930 kam dann das Internationale Olympische Komitee nach Grünau, um sich ein Bild von der Regattastrecke zu machen. Die Herren waren sichtlich begeistert, was nicht unwesentlich dazu beitrug, dass die Olympiade 1936 nach Berlin vergeben wurde. Jetzt setzte auf dem Gelände eine rege Bautätigkeit ein. Eine neue Tribüne entstand - und Gebäude mit repräsentativen Räumlichkeiten. Gleich neben der großen Zuschauertribüne befindet sich das Haus West. Von seiner Terrasse haben Nazigrößen wie Hitler und Goebbels einst die Wettkämpfe verfolgt. Im Zweiten Weltkrieg kam der Wassersport weitgehend zum Erliegen. Einige der historischen Bootshäuser sind den Flammen zum Opfer gefallen. Genauso wie der Kaiserpavillon, der 1945 nach der Besetzung durch die Rote Armee zerstört wurde. Nach Kriegsende gingen die Berliner Wassersportler in Ost und West getrennte Wege. Mehrere traditionelle Grünauer Vereine gründeten sich im Westteil der Stadt neu. Im Berliner Osten hat vor allem die SG Grünau Sportgeschichte geschrieben. Sowohl im Segeln als auch im Rudern und im Kanu sorgten sie regelmäßig für den erwünschten Medaillensegen. Mit der Wende 1989 änderten sich die Bedingungen schlagartig. Die alten Vereine bekamen teilweise ihre Gebäude zurückübertragen. Spannungen waren programmiert. Im besten Fall, so geschehen zum Beispiel zwischen dem Ruderverein Turbine und dem Akademischen Ruderverein Grünau, gelingt die Kooperation zu beiderseitigem Nutzen. Man trifft sich zum gemeinsamen Rudern und teilt die Kosten für Unterhalt und Instandsetzung des Bootshauses. Heute ist die Regattastrecke das älteste noch in Betrieb befindliche Sportgelände Berlins. Im Grünauer Wassersportmuseum ist die Geschichte nachgezeichnet. Hier lassen sich historische Ruder- und Paddelboote bestaunen: Boote von Medaillengewinnern und solche von Freizeitsportlern, gefertigt aus Mahagoni oder auch aus Wachstuch. Ein Kuriosum der Ausstellung stellt ein Paddelboot dar, das die Gebrüder Opel nach dem Zweiten Weltkrieg aus Flugzeug-Aluminium gebaut haben. Die Grünauer Wassersport-Sammlung ist in die Stiftung Stadtmuseum eingegliedert.
Karen Schröder
Informationen
Die Geschichte des Grünauer Wassersports kann im Wassersportmuseum, Regattastraße 191-223, besichtigt werden. Geöffnet ist Sonnabend von 14.00 bis 16.30 Uhr und nach Vereinbarung.
Dauerausstellungen
- 800 Jahre Köpenick - Rückblick auf 150 Jahre Wassersport
- Die jüdische Rudergesellschaft ‚Undine'
- Historische Sportboote
- Neugestaltung des Deutschen Sportdenkmals