Berlin ist eine der grünsten Metropolen Europas. Etwa vierzig Prozent des Stadtgebiets sind Grünflächen und Gewässer, darunter über 2500 Parks und ähnliche Anlagen, weit über 75 000 Kleingärten und rund 400 000 Straßenbäume.
Die Berliner können mit ihrer grünen Stadtgestaltung zufrieden sein. Freilich mit dem Glück des Erbes, eine ordentliche Substanz übernommen zu haben. Denn mit dem Großen Tiergarten entstand bereits 1840 der erste Landschaftspark. Nach 1870 folgten die kleinen und großen Volksparks, wie der Friedrichshain, der Humboldthain und in den 1920er Jahren die Wuhlheide oder die Jungfernheide. Zu danken ist vor allem dem königlichen Gartendirektor Peter Joseph Lenné, dem ersten städtischen Gartendirektor
Gustav Meyer und dem Gartengestalter Erwin Barth. Dieses historische Erbe nachhaltig zu schützen und damit aktive Klimapflege zu betreiben, denn Grünanlagen sind die Lungen einer Stadt, ist Aufgabe der heutigen Stadtväter. Unter anderem durch die strikte Einhaltung des Berliner Naturschutzgesetzes. Danach sind beispielsweise für unvermeidliche Eingriffe in die Natur durch Straßenneubau oder Bauvorhaben Ausgleichsabgaben zu leisten. Diese Gelder sollen eingesetzt werden, um an anderer Stelle in der Stadt Biotope zu verbessern, Flächen zu entsiegeln oder Pflanzungen vorzunehmen. Dass dieses Gleichgewicht durch die Verwertungsinteressen von Investoren marginal zu Lasten der Grün- und Freiflächen gehen kann, ist kaum zu vermeiden, doch generell ist nach Ansicht der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung das Stadtgrün keinesfalls gefährdet. Mit einer Ausnahme: die Straßenbäume. Zwischen 2005 und 2007 beispielsweise ist der Bestand um ca. 6000 Bäume geschrumpft. Das sollte Kommunalpolitiker interessieren, denn Straßenbäume reduzieren die Feinstaubbelastung und produzieren Sauerstoff. Neue Bäume zu pflanzen und alte zu erhalten, wäre daher gerade in Berlin auch aktiver Klimaschutz. Der gestaltet sich im Gegensatz zum erfreulichen Stadtgrün nämlich nicht eben exemplarisch, schaut man sich den Einsatz alternativer Energieanlagen an: Berlin rangiert bundesweit bei der installierten Leistung beispielsweise von Photovoltaikanlagen auf einem der hinteren Plätze, obwohl die Stadt über mehr als 500 000 Dächer verfügt. Dort könnten Solarmodule nahezu 80 Prozent des privaten Stromverbrauchs abdecken. Ein Potential, das in kaum einer Stadt zu finden ist. Das geht aus dem Berliner Solaratlas hervor.
Derzeit existieren lediglich 8000 Solaranlagen. Das soll sich mit Hilfe der neuen Solardachbörse ändern. Sie bietet eine hervorragende Plattform, die Vermarktung aller geeigneten Dächer voranzubringen. Grüne Innovationen, neue Technologien und hochinnovative Wachstumskerne seien der Treiber für nachhaltiges Wirtschaften in Berlin, so der IHK-Präsident Dr. Eric Schweitzer Ende vergangenen Jahres. Gemeint ist Green Economy, das neue Zauberwort. Es beinhaltet unter anderem den Umbau der Energieversorgung im Rahmen eines ökologischen und ökonomischen Strukturwandels in Berlin. Dass der noch in den Kinderschuhen steckt, kann nicht verwundern, denn es existiert nicht einmal ein Landesklimaschutzgesetz. Berlin zehrt offensichtlich noch zu gut von seiner grünen Substanz. Klimapflege durch sattes Stadtgrün – ein Berliner Erfolgsmodell. Um jedoch nachhaltig die Kohlendioxidbelastung und den Energieverbrauch zu reduzieren, führt kein Weg an einem wirtschaftlichen Strukturwandel vorbei. Berlin soll einmal ein Zentrum für Elektromobilität sein, die Gasag will neue Geschäftsfelder erschließen und so bis 2020 den Ausstoß von Kohlendioxid um eine Million Tonnen verringern. Doch das sind Zukunftsprojekte und nur schrittweise durchzusetzen. In Berlin dauert eben vieles länger als anderswo.
Reinhard Wahren