Obwohl der Berliner Architekt Thomas Winkelbauer nicht zu den Stars der Szene gehört, ist sein Büro GAP in letzter Zeit mit Preisen geradezu überhäuft worden. Sein Spezialgebiet hat Zukunft: Winkelbauer und seineMitarbeiter konzentrieren sich auf nachhaltiges Bauen. Zum internationalen Architekten-Jetset gehört Thomas Winkelbauer ganz gewiss nicht. Die einschlägigen Hochglanzpostillen kommen ohne ihn aus, und dass er im Privatflugzeug mit einer Armada von Assistenten zu einem Vortrag einfliegt, erscheint völlig undenkbar. In offenem Hemd - weiß, nicht branchentypisch schwarz! - sitzt er dem Besucher in seinen Büroräumen in Berlin-Kreuzberg gegenüber, gibt freundlich Auskunft und vermittelt dabei in manchmal fast jungenhafter Weise den Eindruck, dass ihm seine Arbeit richtig viel Spaß macht. Dabei ist der 1960 geborene Winkelbauer eigentlich durchaus ein Star - zumindest in jenem Teil der Branche, der sich mit nachhaltiger und energieeffizienter Architektur auseinander setzt. Beleg gefällig? Allein die Liste der Preise, die GAP für das 2007 fertiggestellte Paul-Wunderlich-Haus (das Verwaltungszentrum des Landkreises Barnim) im brandenburgischen Eberswalde, etwa 60 Kilometer nördlich von Berlin, bekommen hat, ist ehrfurchtgebietend lang: Preis des „Overall Winners" bei der weltweit ausgeschriebenen „Sustainable Building Challenge" in Melbourne; lobende Erwähnung beim Deutschen Städtebaupreis; Preis beim „Prom des Jahres 2008" für besonders energieeffiziente gewerblich oder öffentlich genutzte Gebäude; Preis für vorbildliches Bauen im Land Brandenburg; und schließlich auch noch das Gütesiegel in Gold der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB). Was aber meint überhaupt Nachhaltigkeit, dieser in letzter Zeit so oft benutzte Begriff? Eine ganze Reihe von Kriterien gehöre dazu, antwortet Thomas Winkelbauer: Lebensqualität, Barrierefreiheit, Nutzerzufriedenheit, Ressourcenschonung und Energieeffizienz, aber auch Flexibilität und Kosteneffizienz. „Erst die Umsetzung all dieser Anforderungen verdient das Prädikat nachhaltig." Deshalb wäre es nach Überzeugung des Architekten auch falsch, Nachhaltigkeit auf ökologische Aspekte zu reduzieren. „Energieeffizienz darf man nie isoliert zelebrieren", sagt er. Vielmehr gelte es, sie mit Komfort und Ästhetik zu kombinieren. Beim Paul-Wunderlich-Haus in Eberswalde ist dies Winkelbauer exemplarisch gelungen. Innerhalb eines engen Kostenrahmens schuf er einen Gebäudekomplex, der der im Zweiten Weltkrieg weitgehend zerstörten Innenstadt ein neues Gesicht gibt, für die Angestellten des Landkreises angenehme Arbeitsbedingungen schafft und gleichzeitig so gebaut ist, dass er etwa zwei Drittel weniger Energie verbraucht als ein konventionell errichtetes Verwaltungsgebäude. Erreicht hat dies GAP durch den klugen Einsatz von konstruktiven und technischen Mitteln. So wird zum Beispiel Erdwärme verwendet, die über (ohnehin notwendige) Gründungspfähle in das Gebäude geleitet wird. „Wichtig ist es, von Anfang an alles zu berücksichtigen", sagt Thomas Winkelbauer. Dann seien auch die Kosten für nachhaltiges Bauen kaum höher als für konventionelle Gebäude. Ebenfalls in Eberswalde planen Winkelbauer und sein Team einen weiteren Neubau, der zeigen soll, wie sich menschen- und umweltgerechte Planung verbinden lassen: ein Nullemissions-Seniorenpflegeheim - ein Haus also, das ebenso viel Energie erzeugt, wie es verbraucht. Ermöglicht wird dies durch eine Photovoltaik-Anlage. Genauso wichtig ist Winkelbauer aber auch in diesem Fall, dass sich die künftigen Bewohner in dem Gebäude wohl fühlen werden. „Unerträglich" findet er es, wie Altenheime in der Regel gebaut sind - mit einem dunklen Mittelflur, so dass sich die Senioren wie in einem Hotel fühlen müssen. In Eberswalde wird es stattdessen einen hellen Innenhof geben. „Der Mensch", betont der Architekt, „steht im Mittelpunkt meines Schaffens." Diese Maxime prägt Winkelbauers Tätigkeit von Anfang an. Ausgebildet an der Universität Stuttgart, arbeitete er mehrere Jahre lang in Barcelona, wo er unter anderem an Projekten für die Olympischen Spiele mitwirkte. Als 1992 der Architekturboom in Spanien zu Ende ging, wechselte er nach Berlin, der damals attraktivsten Stadt für junge Architekten in Europa. 1994 wurde er Partner von Eckhard Feddersen und Wolfgang von Herder, ehe er 2002 sein eigenes Büro gründete. Sein wohl bekanntestes Projekt in der Hauptstadt ist das Haus der Kulturen der Welt, dessen Sanierung er leitete. Dabei stand er vor der Herausforderung, das Gebäude - im Volksmund Schwangere Auster genannt - für die Nutzung als multifunktionales Kulturzentrum zu ertüchtigen. Um das zu erreichen, machte er das Foyer durch Brandschutzmaßnahmen veranstaltungstauglich und schuf Räume, die den technischen Anforderungen an Ausstellungen genügen. „Das Schlimmste", sagt er, „ist, wenn ein Gebäude beheizt, aber nicht genutzt wird." Auch die Sanierung der Vereinigten Institute der Charité in der Dorotheenstraße in Mitte und der Königlichen Direktion in Kreuzberg gehören in die Reihe der Denkmalprojekte von GAP. In der Königlichen Direktion, einem repräsentativen Neorenaissance-Gebäude unweit des Potsdamer Platzes, befindet sich heute die Zentrale des Waggonbauers Bombardier. GAP hat mit anderen Unternehmen zusammen seinen Sitz im 1928 errichteten Anbau. Diesen versah Winkelbauer mit einem markanten Eingang an der Schöneberger Straße und verlieh ihm so die zuvor fehlende Identität. Bei alledem reizen den Architekten „Dinge, die ständig genutzt werden". „Furchtbar gern" würde Winkelbauer einen Ort der Erholung entwerfen, wo die Menschen zu sich kommen können. Ansatzweise realisiert hat er dies bereits in Neuruppin, wo er ein Thermalbad schuf. Dass es ihm gelingt, die Anforderungen der Menschen mit denen der Nachhaltigkeit zu verbinden, spürt er im übrigen jedes Mal, wenn er in Eberswalde in der Nähe des Paul-Wunderlich-Hauses unterwegs ist. „Dort grüßen mich die Leute auf der Straße und sagen: Ist das schön geworden!"
Paul Munzinger
Nachhaltig und schön
39 - Sommer 2009