Das Georg-Kolbe-Museum zeigt eine erste Werkschau des im Vorjahr verstorbenen Bildhauers Werner Stötzer
Steine bewahren Sprache, stumm zwar und doch beredt, nicht geschwätzig. Das hat wohl zeitlebens den Bildhauer Werner Stötzer angetrieben, widersetzliche, harte Materialien wie Marmor, aber auch den etwas weicheren Sandstein zu bearbeiten, bis das eigene Formwollen sich mit dem Naturmaterial zu einem Zeichen, einer Mitteilung über den Menschen verband. Natürlich ist es eine Botschaft über den Bildhauer Werner Stötzer selbst, der etwa in einem Gedicht, dessen Anfang hier genügen muss, sagt: „Ich lobe den Stein,/er setzt Grenzen./Er ist uralt und seine Härte/zwingt, sich normal zu benehmen...“.
Liegende (Werra), 1972, Bronze [ Fotograf unbekannt, Nachlass Werner Stötzer, Sylvia Hagen, Altlangsow]
Normal hieß, den Stein nicht bis zu einer Glätte, zu einer Dienstbarkeit hin zu „vergewaltigen“, sondern ihm Mitspracherecht, ja Eigensinn, beim Zustandekommen der Form zuzubilligen, ihn als einen „Partner“ als ernstzunehmendes „Gegenüber“ zu respektieren. Die Formfindung, die also Natur und Kultur in einen Einklang bringt, der geschichtlich wirkt und konkret, gegenwärtig, tastbar und anschaubar sich ins Bewusstsein hineinarbeitet als erstaunlich, zeitgemäß, sensibel, dabei kraftvoll, auch spröde und manchmal auch überfordert, das ist Stötzer, den man vor sich sieht mit Karohemd und Zigarre und buschigen Augenbrauen, der zum Rotwein einlud und selbst, wenn man ihm nur wenige Male begegnet war, mit seiner unübersehbaren Präsenz beeindruckte.
Die Steine und der Mann. Der Gustav-Seitz-Schüler, dann selbst Lehrer, der Kunstpreisträger und Akademiepräsident. Es sind die biografischen Stationen. Ihm galten der Marmor als „Wegmarken“, weil darin „das Erlebte eingeschrieben“ ist. Es sind menschliche Figuren – Liegende, Stehende, Paare, Sitzende in vitaler Plastizität, die zugleich reduziert wird, abstrahiert, mit einer vielfach geschürften Oberfläche. Man kann sich orientieren. Der in Ost und West geehrte Bildhauer, gebürtig im thüringischen Sonneberg, Jahrgang 1931 und im Vorjahr am 22. Juni verstorben, hinterlässt aus einem jahrzehntelangen Schaffen ein breites Œuvre sprechender Steine. Es sind berühmt Gewordene und eher Private, Kleinode und Denkmäler.
Werner Stötzer im Atelier in Altlangsow, um 1980 [Foto: Ilona Ripke, Nachlass Werner Stötzer, Sylvia Hagen, Altlangsow]
Im Georg-Kolbe-Museum wurde die geplante Jubiläumsausstellung – am 2. April wäre Werner Stötzer achtzig geworden – zur Gedächtnisausstellung umgedacht. Aus dem Nachlass in Altlangsow, aus Privat- und Museumsbesitz haben Sylvia Hagen, die Bildhauerin und Witwe des Künstlers, und Ursel Berger, die Direktorin des Museums, zweiundzwanzig Arbeiten zu
einer Retrospektive zusammengeführt. Dabei frühe Werke, wie die 1964 geschaffene „Stehende“ aus Bronze, die hinsichtlich der ausformulierten Figürlichkeit noch ganz der Tradition des Lehrers Gustav Seitz verwandt scheint – zum Vergleich: In Prenzlauer Berg gibt es die Kollwitz-Bronze von Seitz und den „Sitzenden Jungen“, eine sehr frühe Arbeit von Stötzer. Zu den vieldiskutierten wie schulbildenden Hauptwerken aus den Siebzigern gehören die „Große Liegende“ und die ebenfalls mit angestellten Beinen hingerekelte Figur „Werra“. Regelrecht erschütternd schicksalshaft behauptet sich das „Märkische Tor“. Aus den späteren Jahren bezaubern die 2007/2008 entstandene Marmorskulptur „Odaliske“ sowie die „Meerfrau“(2006) – weiß und rein und in spannungsvoller Kurvigkeit zwischen Abstraktion und Figur. Das unvollendet gebliebene Holzrelief „Kain und Abel“ (ab 2009) zeigt noch die Kohlelinien, mit denen sich Werner Stötzer seine Orientierung aufs Material notierte, um mit dem Meißel oder Stechbeitel Schicht um Schicht eindringen zu können.
Dazu sind etliche Zeichnungen ausgestellt. Die geschwungenen Linien, die sanft bestimmten Hervorhebungen, das Andeutungsvolle des Umrisses, welches zumeist einer ausladenden Körperlichkeit gewidmet ist, die wenigen Schraffuren – kurz: das ganz Eigene des zeichnerischen Werkes hat viele Liebhaber gefunden und fasziniert auch in der Ausstellung. Diese Blätter entstanden jeweils vor dem Modell und fungierten nicht als unmittelbare Skizze. Sie bezeugen zarter und flüchtiger jene sinnlich-geistige sowohl selbstgewisse wie suchende Lebensbejahung, die auch den Skulpturen eigen ist.
Anita Wünschmann
Informationen
- Georg-Kolbe-Museum
- Sensburger Allee 25, 14055 Berlin
- Werner Stötzer 1931-2010
- bis 3. April 2011
- Di bis So: 10 - 18 Uhr
- Eintritt: 5 Euro, erm. 3 Euro
- www.georg-kolbe-museum.de