Viele Berliner dürften schon einmal durch seine Kunst hindurchgegangen sein, oft freilich ohne zu wissen, wer sie einst geschaffen hatte. Fritz Kühn (1910-1967) hat gewichtige Türen geschmiedet: in der Hauptstadt die Türen der Komischen Oper und das bekannte A-Portal der Stadtbibliothek in der Breiten Straße. 117 Mal steht hier A, die Entwicklung der europäischen Schrift von der römischen Antiqua bis ins 20. Jahrhundert widerspiegelnd. In den sechziger Jahren hat diese Tür gewaltiges Aufsehen erregt, auch wegen ihrer schmiedetechnischen Umsetzung und der so verschiedenen metallischen Oberflächen. Der Metallgestalter Fritz Kühn, ein gelernter Schmied, hat in ganz Deutschland Kunst im öffentlichen Raum hinterlassen. Den Architekturbezug sah er nicht als Makel, im Gegenteil. Der internationale Durchbruch gelang dem Künstler spätestens 1958, nachdem er für den von Egon Eiermann entworfenen deutschen Pavillon auf der Weltausstellung in Brüssel ein Stahlgitter entworfen hatte. Aufträge für die Dortmunder Oper, den Landtag in Hannover und das Generalvikariat Essen folgten. Der Berliner Kunsthistoriker Peter H. Feist kennt die Werke Fritz Kühns seit den späten 1950er Jahren: „Was ich von seinen Arbeiten wahrgenommen hatte, überzeugte mich einfach durch die Klarheit und Schönheit der meistens Bewegung suggerierenden Formen, durch ästhetische Reize abwechslungsreicher Oberflächenbehandlung." Fritz Kühn hat gerade auch in seiner Heimatstadt Berlin - er wurde in Mariendorf geboren - zahlreiche Spuren hinterlassen. Für die Sankt-Hedwigs-Kathedrale gestaltete er das umlaufende Geländer aus Bronze und Glas, Leuchter sowie das Kuppel-Kreuz. Bekannt auch die „Lindenblätterwand" an der ehemaligen polnischen Botschaft Unter den Linden. Eine besondere Wegmarke aus den 1960er Jahren war der große Brunnen „Schwebender Ring" auf dem Strausberger Platz. 1969, zwei Jahre nach seinem Tod, widmete der Louvre dem vielseitigen Künstler, der auch als Fotograf erfolgreich war, eine Gedenkausstellung. Was die Brunnen betrifft, war Fritz Kühns Sohn Achim, Jahrgang 1942, noch produktiver als sein Vater. Allein sieben Brunnen aus seiner Werkstatt sind im Berliner Stadtraum zu finden, darunter die „Wasserglocke" im Volkspark Friedrichshain. Im Atelier seines Vaters auf dem Gutshof in Berlin-Grünau erlernte Achim Kühn das Schmiedehandwerk. Hierher kehrte er nach seinem Architekturstudium zurück, und hier ist er auch heute noch tätig. Wie sein Vater ist er immer wieder aufs Neue fasziniert vom Material Stahl. „Stahl ist ja nicht gleich Stahl, es gibt so viele Sorten und Bearbeitungsformen. Alle möglichen Kontraste lassen sich gestalten", erklärt er. Am stärksten habe ihn die Art und Weise des Vaters beeindruckt, Stahl und Metall zu bearbeiten und mit der Architektur oder deren Umfeld in Einklang zu bringen. An dieser Stelle seien sich beide immer sehr nahe gewesen. Achim Kühns Formensprache jedoch ist verspielter, nicht so streng an der klassischen Moderne orientiert. Er bezieht stärker die Elemente Wasser und Wind mit ein. Jene sind es, die seine kinetischen Skulpturen immer wieder in Bewegung setzen. Andere Arbeiten, teilweise auch farbig gefasst, schweben, schwingen sich filigran und elegant zum Himmel. Scheinbar schwerelos. Die beiden künstlerisch tätigen Kinder Achim Kühns und seiner Frau Helgard, einer ausgebildeten Schmuckgestalterin, knüpfen an die verschiedenen Schaffensstränge ihrer Vorfahren an. Während Coco Kühn mit ihren ruhigen, minimalistischen Arbeiten eher beim Großvater anschließt, arbeitet Tobias Kühn seit 2007 eigenständig mit in der Werkstatt des Vaters. Beide wollen zusammen mit den Eltern ihren Teil dazu beitragen, damit der Nachlass Fritz Kühns einen würdigen Platz bekommt. Anlässlich des 100. Geburtstags des Künstlers im nächsten Jahr will die Fritz-Kühn-Gesellschaft e.V. am authentischen Ort seines Schaffens an diesen bedeutenden Künstler des 20. Jahrhunderts erinnern. Im geplanten Museumsneubau im Südosten Berlins sollen wechselnde Ausstellungen zu den vielfältigen Schaffensbereichen von Fritz Kühn sowie Werke internationaler Metallgestalter zu sehen sein. Derzeit bemüht sich der Förderverein um weitere Förderer des Vorhabens. Wie schwer es ist, ein Ausstellungsprojekt ins Leben zu rufen, das hat Coco Kühn als Initiatorin der Temporären Kunsthalle Berlin am Schlossplatz erfahren. Nur, dass das Museum für Fritz Kühn eine wesentlich längere Haltbarkeitsdauer haben soll.
Karen Schröder
Informationen
Nach Voranmeldung kann das Atelier Kühn in der
Richterstraße 6, 12524 Berlin, besichtigt werden.
Telefon: (030) 676 42 61
www.metalart.de
www.fritz-kuehn-stiftung.de