Nachhaltigkeit ist chic. Große Labels setzen bereits auf Grün. Sie verwenden ökologisch angebaute Baumwolle und recyceln ihre eigenen Abfälle. Schließlich ist das umweltfreundlichste Material das schon vorhandene. Mit Taschen aus alten Lkw-Planen fing der Recyclingtrend Ende der 1990er Jahre an. Damals noch eher als originelle Idee gefeiert, rückt heute der ethische Ansatz in den Vordergrund. Immerhin kaufen die Deutschen durchschnittlich 22 Kleidungsstücke im Jahr. Ebenso viele dürften ausrangiert werden.
Die auf Individualität setzende Trägerin wird in Berlin bei kleinen ambitionierten Recylingmode-Labels fündig. Wenngleich nicht mehr ganz taufrisch, ist die Idee von der kreativen Verwandlung militärischer Kleidungsstücke in der Szene nach wie vor beliebt. Christine Mayer betreibt in Berlin-Mitte ein Atelier dieser Art. Dabei legt sie Wert auf die Metamorphose, die Uniformteile bei ihr erleben. „Peace Collection“ nennt sie bezeichnenderweise ihre Mode. Gerade die sehr männliche Ausstrahlung dieser Stücke erfahre eine grundlegende Umgestaltung, schreibt sie auf ihrer Website.
Es gibt Öko-Modelabels eigens für Kinder wie „Dollyrocker“ in Friedrichshain. Die Modedesignerinnen Gabi Hartkopp und Ina Langenbruch gründeten es vor vier Jahren. In ihrer Ladenwerkstatt recyceln sie kunterbunte Second-Hand-Textilien für Kinder bis sieben Jahre. Wie elegant und vorzeigbar Recylingmode sein kann, zeigt sich während einschlägiger Veranstaltungen am Rande der großen Berliner Mode-Events.
Vor zwei Jahren eröffnete während der Fashion Week in Berlin erstmals „THEKEY.TO“, eine Modemesse eigens für grüne Mode. „Grün steht für eine Lebenshaltung“, sagt Frans Prins, einer der Gründer von „THEKEY.TO“, „Es steht nicht nur für die Prinzipien, nach denen unsere Kleidung hergestellt werden sollte, sondern für unsere Lebenshaltung überhaupt. Wir wollen Zusammenhalt und Austausch statt Konkurrenz, Ethik statt Gier.“
[Fotos: © Frau Wagner]
Im August letzten Jahres gewann das Berliner Label „Frau Wagner“ den zweiten Preis des „Ready to Green”-Awards, eines auf Öko-Mode spezialisierten Design-Preises. In ihren anspruchsvollen Arbeiten verwendet Susanne Wagner alte Kleidungsstücke, gern abgelegte Trainingsjacken, und lässt daraus etwas inspirierend Neues entstehen. Das hat die Jury überzeugt.
„Frau Wagner“, das klingt extrem unspektakulär und das soll es auch. „Ich habe da einen ganz demokratischen Ansatz, meine Mode verwirklicht sich ja erst durch die jeweilige Trägerin.“ Deshalb näht die Modemacherin in jedes Kleid ein Schild mit dem Namen der Kundin. Schwarz auf Weiß gestempelt ist da zum Beispiel zu lesen: „Frau Köhler“ oder „Frau Klaus“. Die Modeschöpferin aus Kreuzberg trägt ihre Kleider aber auch selbst. Heute ein rotes sportliches Trikot-Kleid mit weißen Streifen. Ein durchaus alltagstaugliches Stück. Gerade in der wärmeren Jahreszeit würden Kleider dieser Art gern gekauft, erzählt Frau Wagner. Sonst aber ist sie eher auf Haute Couture spezialisiert. Etwas raffinierter dürfe es schon sein. Trotz des sportlichen Touchs, den die meisten ihrer Stücke haben, werden ihre Kleider auch auf Bällen und Hochzeiten getragen. „Ein altes Teil kombiniere ich mit edlen Materialien wie Seide, so entsteht etwas ganz Neues, auch Wertiges“, erklärt sie ihr Konzept. Recyclingmode dürfe nicht billig aussehen. Dabei arbeitet Susanne Wagner ganz experimentell. Das heißt, das Stück entsteht an der Kleiderpuppe, ohne zuvor Entwürfe und Zeichnungen gemacht zu haben. „Nur so kann ich arbeiten“, erzählt die Modedesignerin. „Die Inspiration geht meistens von einem alten Teil aus, und dann entwickelt sich das.“
Im Kleiderständer fällt der Blick auf eine Jacke. Hier prallen Welten aufeinander. Eine Trainingsjacke des DDR-Armeesportclubs kombinierte Frau Wagner mit dem Nerz ihrer Großmutter. Ironie für die einen, Provokation für die anderen. Der braunen Kunstfaserjacke mit den gelb-roten Streifen wird so endgültig der autoritär-militaristische Geist ausgetrieben.
Seit drei Jahren gibt es das Label „Frau Wagner“. „Mich interessiert Mode nicht, um zweimal im Jahr Kollektionen zu präsentieren, sondern Kleidung ist Ausdrucksmittel von etwas Gesellschaftlichem.“ Ganz bewusst will sie den wachsenden Berg von Altkleidern abtragen helfen.
Und wer sind ihre Kundinnen? Selbstbewusste Frauen, die sich auf das Abenteuer Verwandlung einlassen wollen.
In diesem Jahr geht Susanne Wagner mit dem neuen Label „Frau Wagner und Töchter“ an den Start. Prêt-à-porter soll es diesmal sein. Serien von Röcken und Shirts in den Größen 36 bis 42. Jedes Stück hat bei aller Ähnlichkeit etwas Besonderes. Frau Wagner sagt dazu nur bescheiden: „Wenn man mit alten Sachen arbeitet, geht das gar nicht anders.“
Karen Schröder
Informationen
- www.mayer-berlin.com
- www.dollyrocker.de
- www.frauwagner.com