Im „La Mano verde“ werden auch überzeugte Fleischfreunde zu Menschen, die freiwillig Algen essen.
Nie schmecken Algen so gut wie in den Wintermonaten, denn dann sind die Bedingungen unten im Meer am besten. Im Vegan-Restaurant „La Mano verde“ in Mitte werden sie knackig mit Nudeln serviert. Die Portion „Spaghetti mit Meeresgemüse“ kostet 15,50 Euro. Wem das als Einstiegsgericht zu rigoros ist, der wird vielleicht mit dem „Birnen-Risotto“ glücklich, darunter können sich auch Menschen etwas vorstellen, die sonst vielleicht gern ein Steak essen und nur einmal ausprobieren wollen, wie veganes Essen schmecken kann. Der Risotto wird hier mit Thymian, weißen Bohnen und kandierten Walnüssen serviert. Jean Jury ist Gastronom aus Leidenschaft. Er hebt niemals den Zeigefinger, und er weiß auch nichts besser. Er will einfach gute Gerichte anbieten, die toll schmecken; und dass sie gesund sind, ist ein angenehmer Nebeneffekt. Im „La mano verde“ muss niemand befürchten, dass man ihn scheel angucken wird, wenn er Lederschuhe oder eine Lederhandtasche trägt. Die grüne Hand weist sanft den Weg. Freut sich über Menschen, die darüber nachdenken, woher ihr Essen kommt, verurteilt gleichzeitig aber auch niemanden, der es nicht so genau wissen möchte. Und überzeugt durch Phantasie und perfektes Handwerk.
links: Terrine du Chef (Rohkost) rechts: After Eight (Mousse au Chocolat mit Minzlikör) [Foto: © Florian Bolk]
Das Konzept ist erfolgreich, der Unternehmer plant derzeit Restaurants in München, Düsseldorf, Stuttgart, London, Kopenhagen, Paris und Zürich. Hier wird auf Gourmet-Niveau gekocht, Küchenchefin ist Ariana Goldschneider. Wer plant, am nächsten Tag ein Steak zu essen, darf das an diesem Ort auch ruhig laut sagen. Er ist dann nämlich ein „Flexitarier“, ein Mensch, der aus Gründen der Vernunft oder des Genusses einen fleischfreien Tag einlegen möchte. Auch der Restaurantbesitzer ist Flexitarier. Vielleicht ist das mit ein Grund, warum man immer wieder gern ins „La mano verde“ geht, sobald man die Hürde des ersten Besuches überwunden hat. Und vielleicht ist das vegane Restaurant auch deshalb ein schöner Ort, weil der Besitzer Franzose ist. Einem Menschen, der aus dem Land der Lebenslust und des Genusses stammt, kauft man eher ein Gemüseschnitzel ab (hier heißt das Gericht elegant „Zweierlei Gemüseschnitzel mit Steinpilzkartoffeln, grünen Bohnen und Rote Bete in Dijonsenfsauce“ und kostet 16,50 Euro). Weil man insgeheim hofft, dass ein Franzose kein schlechtes Essen auf den Tisch bringen wird. Und so ist es dann auch. Es war ja lange genug so, dass Gerichten, die gesund sind, der Ruf anhing, nicht gut zu schmecken. Das ist natürlich ein altes, längst widerlegtes Vorurteil, aber wie alle Klischees hält es sich hartnäckig. Zumal es leider auch viele Veganer gibt, die ihren Mitmenschen das Leben durch strikte Verbote und Prinzipien, die keine Diskussion zulassen, schwer machen. Unnötig schwer machen. Denn grundsätzlich spricht nichts dagegen, seine Ernährung nach den Ideen des Engländers Donald Watson (1910 – 2005) zu gestalten. Als er 14 war, sah er auf dem Bauernhof seines Onkels, wie ein Schwein geschlachtet wurde – und aß von diesem Tag an kein Fleisch mehr. In den 40er Jahren schließlich wurde er zum Veganer, nachdem er sich über die Milchproduktion informiert hatte, im Jahr 1944 gründete er mit Freunden die „Vegan Society“. Donald Watson's Philosophie lautete: „Veganismus beginnt mit Vegetarismus und führt ihn zu seinem logischen Ende.“ Demnach sind weder Fleisch noch tierische Produkte erlaubt, auch die Nutzung tierischer Produkte wie zum Beispiel Leder ist verboten. Genaue Zahlen gibt es nicht, die Schätzungen darüber, wie viele Menschen sich in Deutschland vegan ernähren, liegen bei 0,8 Prozent der Gesamtbevölkerung.
[Foto: © Florian Bolk]
Das „La Mano verde“ hätte Donald Watson bestimmt gefallen. Das Restaurant (früher befand es sich in Friedenau) ist schlicht und schön, der Gast speist im Kerzenschein bei leiser Musik, und Fachmagazine wie der „Feinschmecker“ berichten begeistert. Derzeit läuft im Restaurant die „Bio-Zertifizierung“. „Ich bin jeden Tag auf der Suche nach dem besten, frischesten Obst und Gemüse“, sagt Jean Jury. Und das ist zumeist die Ware aus Bio-Produktion. Das Zertifikat „Bio“ soll noch mehr gesundheitsbewusste Kunden anziehen. Vor kurzem hat Jean Jury Tofu von der Speisekarte verbannt. Zu banal. Die hohe Kunst der fleischlosen Küche braucht kein Sojaschnitzel, so hat er herausgefunden. Bislang haben die Gäste sich nicht darüber beschwert. Eine Käseplatte gibt es hier natürlich nicht. Veganer essen keine Käseplatten.
Die gute Nachricht: Wein ist erlaubt. Die Dessertkarte ist klein, aber sensationell: Monatelang hat Jean Christian Jury an einer veganen Variante für Crème Brûlée herumgetüftelt. Nun gibt es eine unwiderstehliche Zitronengras-Kokos Crème Brûlée (6,50 Euro). Nicht alle veganen Rezepte genügen dem hohen Anspruch von Küchenchefin Ariana Goldschneider und Jean Jury. Im März erscheint das erste Kochbuch der „Grünen Hand“: „Vegan für Genießer“ (Umschau-Verlag, 19,90 Euro). Jean Jury sagt: „Ab sofort besteht die Hälfte unserer Karte aus Rohkost.“ Weil die Gäste es sich wünschen. Und er träumt von Gemüsekaviar und Fruchtkaviar, Spezialitäten, an denen er gerade tüftelt. Seine Küchenchefin betont: „Oft sind unsere Gäste erstaunt, wie gut vegane Gerichte schmecken können, sie sind überrascht, dass man leckere Speisen ohne Butter und Eier machen kann. Ich denke, es wird einfach vergessen, dass Butter nicht das einzige Fett ist, das uns zur Verfügung steht.“ Ab sofort nicht mehr, versprochen.
Silvia Meixner