Markus Babbel ist kein Freund großer Worte. Der Trainer des Fußball-Bundesligisten Hertha BSC lässt Taten sprechen. Der Wiedererkennungswert für die Fans von Markus Babbel ist groß. Jedenfalls nach einer guten Serie seiner Mannschaft. „Stimmt“, sagt der Trainer des Fußball-Zweitligisten Hertha BSC. „Ich ziehe immer die Jacke vom letzten erfolgreichen Spiel an.“
Die kaum wechselnde Oberbekleidung des Trainers ist aber nur das äußere sichtbare Zeichen für die Aufbruchstimmung beim Hauptstadt-Club. Nach dem tiefsten sportlichen Rückschlag der Vereinsgeschichte, als man innerhalb von wenigen Monaten aus den Träumen von der Champions League gerissen und in die nationale Zweitklassigkeit verbannt wurde, stellt der Fußball-Lehrer aus Bayern so etwas wie eine Symbolfigur für den Neuanfang dar. Im Gegensatz zu seinem Kollegen Claus-Dieter Wollitz, der in der nicht weit entfernten Provinz Cottbus lautstark und mit polternden Parolen ebenfalls um einen Platz im Fußball-Licht ringt, ist Babbel ein Mann der leisen Töne. Auch im Gegensatz zum deftigen Hans Meyer, einem seiner Vorgänger in schwierigen Hertha-Zeiten, ist er für die an der Spree stets lauernden Medien eher ungreifbar.
Es gibt bei Babbel nicht viel, was man ihm als Fehler ankreiden könnte. Der 38-Jährige verspricht nicht, er tut. Ein solider Arbeiter, kein Dampfplauderer. Das macht den ehemaligen Abwehrspieler von Bayern München, vom Hamburger SV und VfB Stuttgart, der auch im Mutterland des Fußballs beim FC Liverpool einige erfolgreiche Jahre absolvierte, nicht gerade zum Liebling der Boulevardpresse. Aber man findet keine falschen Entscheidungen bei dem in seinem Metier noch jungen Trainer. Deswegen lebt Babbel medienmäßig in einer Art friedlicher Koexistenz.
„Wir haben in der Hinrunde erfolgreich gearbeitet und den Aufstieg selbst in der Hand“, doziert er. „Aber wir wissen auch, dass wir die Gejagten sind. Jeder Gegner gibt im Spiel gegen uns hundert Prozent.“ Was er als Spieler von seinen früheren Vereinen, die in jener Zeit immer im Zenit standen, zu verarbeiten vesteht.
Doch nicht nur sportlich ist die Rivalität zu Hertha BSC für die anderen 17 zweitklassigen Vereine groß. Im Gegensatz zu den Berlinern messen sich die Etats der Konkurrenz in Zehnteln. Als Anfang des Jahres noch bekannt wurde, dass ein anonym gebliebener Gönner, hinter dem Vereins-Boss Werner Gegenbauer vermutet wird, dem stark verschuldeten Traditions-Club eben mal schnell acht Millionen Euro spendete, winkte Babbel ab. Nicht sein Metier. Über Geld spricht er nicht. Er ist für das sportliche Vorwärtskommen der teuren Mannschaft verantwortlich.
Anfangs hatten ihm viele den Job nicht zugetraut. Nach nur einem Jahr als Trainer-Novize in der Bundesliga beim VfB Stuttgart wieder entlassen, schien dem als Spieler Meister und Pokalsieger gewordenen gebürtigen Münchner die Offerte von der Spree gerade recht zu kommen. Doch den Grund der angeblichen Erfolglosigkeit, den die Schwaben für die Trennung angegeben hatten, stellte sein Ex-Verein selbst als absurd hin. Die Lage im Dunstkreis der Abstiegszone ist heute keinesfalls besser als unter Trainer Markus Babbel.
„Im Leben prasselt viel Negatives auf einen ein, und die Mentalität der Menschen wird immer negativer“, beklagt sich Babbel. „Da will ich nicht mitmachen.“ Eine Einstellung, die er seinen Profis vorlebt, die er auf der Trainerbank demonstriert und die er auch in Pressekonferenzen – selbst nach verlorenen Spielen – weiterleben lässt. Und die er in eigener, leidvoller Vergangenheit erfahren musste. Vor fast zehn Jahren diagnostizierten Ärzte bei ihm das Guillain-Barré-Syndrom, eine lebensbedrohliche Nervenkrankheit. „Dadurch habe ich die Schattenseiten des Lebens kennengelernt“, gesteht der 1,90m Mann heute. Gerade vom Pfeifferschen Drüsenfieber genesen, warf ihn diese Tücke zurück, musste er seine Karriere beim großen FC Liverpool auf unbestimmte Zeit unterbrechen. Deswegen stehen für den Abwehrrecken auf der spielwütigen britischen Insel auch nur 42 Einsätze für den Traditionsverein zu Buche.
Die Füße kribbeln, das Treppensteigen wird zur Qual. Die Krankheit schreitet jedoch fort, der Sportler ist knieabwärts und auch teilweise im Gesicht gelähmt. Das Bewegungstalent findet sich plötzlich im Rollstuhl wieder. Doch Markus Babbel gewinnt auch diesen schwersten Kampf seines Lebens. Acht Monate nach Ausbruch der Krankheit feiert er im Trikot des FC Liverpool eines der am meisten bejubelten Comebacks der Fußball-Geschichte.
„Es gibt nichts Schlechtes, das nicht auch was Gutes hat“, sagt Babbel heute über jenen „Schmarrn“, wie er es bayerisch scheinbar leicht umschreibt. Damit meint er: „Ich genieße die Dinge heute viel mehr. Vieles ist nicht mehr so, wie es früher mal war. Ich lebe bewusster. Früher hat man ständig gejammert.“
So etwas wird man vom geheilten Markus Babbel nicht mehr hören. Er hat aus der Vergangenheit gelernt. Die Gelassenheit, das positive Denken und den Optimismus aus seiner überstandenen Krankheit. Den Ehrgeiz, mit dem er 51 Länderspiele für Deutschland bestritt und mit seinen Vereinen insgesamt 17 Titel gewann, hat er sich aus der Profikarriere bewahrt. Aber dass Fußball nicht alles ist auf Erden, das will der Bayer nicht nur seinen vier Kindern vorleben. Das zeigen auch seine Freundschaften, die keineswegs nur im sportlichen Milieu angesiedelt sind. Denn einer seiner engsten Freunde ist Campino, der Sänger der „Toten Hosen“. Und diese Freundschaft hat auch nicht gelitten, als Babbels Hertha Campinos Lieblingsverein Fortuna Düsseldorf Anfang dieses Jahres auf dem Weg zum Aufstieg in die Erstklassigkeit besiegte.
Dem Sänger wird nicht einmal aufgefallen sein, dass Markus Babbel beim nächsten Punktspiel seiner Mannschaft gegen Arminia Bielefeld wieder in der gleichen Jacke wie gegen die Fortuna auf der Bank saß.
Hans-Christian Moritz