Wenn auch die Zukunft den alternativen Antrieben gehört, vorläufig wird das Geld noch mit klassischen Benzin- und Dieselautos verdient. Das zeigt sich an den Absatzzahlen der Autoindustrie weltweit. Im vergangenen Jahr wurden 60 Millionen Autos verkauft, mehr als vor dem Krisenjahr. Tendenz steigend. Hybrid- und Elektroautos, ebenso Antriebstechnologien mit Brennstoffzelle, werden sich nach Ansicht von Experten so schnell nicht durchsetzen. Im übrigen ist die Kohlendioxid-Bilanz eines Elektroautos derzeit immer noch schlechter als beispielsweise die eines Drei-Liter-Autos.
Doch nichts ist so unsicher wie die Zukunft. Deshalb fahren die Autobauer mehrgleisig. So optimieren sie ihre gängigen Modelle, nutzen Einsparpotentiale durch effektivere Motoren oder Verwendung leichterer Materialien und praktizieren und testen alternative Antriebstechnologien, um nicht den Anschluss zu verpassen. Andererseits pflegen sie ihre erfolgreichen Modellreihen mit attraktiven und leistungsstarken Neuheiten. Dieses Sowohl-als-auch-Verhalten war bezeichnend für den diesjährigen Internationalen Automobilsalon in Genf.
links: Peugeot iOn [Foto: Peugeot] rechts: Volvo V60 Plug-In-Hybrid [Foto: Volvo]
Elektrisch in Serie
Serienreife Hybridautos waren bereits im vergangenen Jahr in Genf ein wichtiger Trend. Seit Dezember 2010 sind nun die ersten Serienmodelle auf deutschen Straßen zu sehen, und es scheint so, als gebe es jetzt in der Autobranche kein Halten mehr. Das zeigte sich sehr deutlich in den Ausstellungshallen: Modelle im Zeichen des Umweltschutzes, vor allem mit Hybrid-Antrieben, gehörten zu den Neuheiten und standen im Mittelpunkt. Die Hybridisierung als eine Art Brückentechnologie bezeichnet in der Automobilindustrie das Zusammenwirken von Elektro- und Verbrennungsmotor in einem Fahrzeug. Für die Automobilhersteller offensichtlich und auf der Autoschau sehr augenscheinlich eine Zukunftstechnologie, denn sie gilt als klimafreundlich und eröffnet Möglichkeiten für alternative und effizientere Antriebskonzepte.
So kommen in diesem Jahr zahlreiche neue Hybridautos auf den Markt, die in Genf zum Teil Premiere feierten. Die Franzosen beispielsweise sind in puncto Hybridtechnik mit vorantreibend. Der Peugeot 3008 Hybrid4, weltweit das erste Dieselfahrzeug mit Verbrennungsmotor vorn und Elektromotor hinten, wird in Deutschland ab Sommer angeboten. Seine Verbrauchsdaten sind mit 3,8 Litern auf 100 Kilometern spektakulär. Dieselmotor mit 163 PS und Elektromotor mit 37 PS ermöglichen Allradantrieb, der nach Belieben des Fahrers vier verschiedene Fahrmodi zulässt. Die neue Modellreihe des Peugeot 3008 bekommt man ab Mai mit Micro-Hybrid-Technologie, der ein Start/Stopp-System innewohnt, und der Peugeot iOn, ein Elektroauto für den dichten Großstadtverkehr, mit vier Türen und vollwertigem Kofferraum, ist bereits seit Dezember auf dem Markt. Außerdem blickt Peugeot mit zwei Concept-Cars bereits ins nächste Jahr: dem HR1 mit Hybrid4-Technologie und einer Systemleistung von 147 PS sowie dem EX1, einem zweisitzigen Roadster, der von Elektromotoren vorn und hinten mit insgesamt 340 PS angetrieben wird.
Für 2012 hat auch Volvo seine Mittelklasse-Limousine V60 angekündigt, die als Plug-In-Hybrid zu sehen war. Ebenso wie beim Peugeot 3008 arbeiten Diesel- und Elektromotor zusammen. Der Vorteil des Plug-In: Durch den leistungsstärkeren Akku, der auch an der Steckdose aufgeladen werden kann, und den stärkeren E-Motor erhöht sich die Speicherkapazität.
BMW ActiveE : 1. Lithium-Ionen-Batterien 2. Elektromotor 3. Leistungs-Elektronik [Foto: © BMW]
Auch die deutschen Autohersteller investieren immer mehr in elektrische Antriebskonzepte. Selbst der Sportwagenhersteller Porsche will noch in diesem Jahr den Panamera in Hybridvariante anbieten. Das Oberklasse-Coupé wäre das zweite Auto mit Benzin- und Elektromotor. Als zukünftiges Serienfahrzeug präsentierte ebenso BMW mit dem ActiveE seinen ersten elektrisch angetriebenen Viersitzer in Genf als Weltpremiere. Kaum zu unterscheiden vom aktuellen, serienmäßigen 1er Coupé leistet der Elektromotor 170 PS und beschleunigt von null auf Tempo 100 in neun Sekunden. Damit sind sowohl Sportlichkeit als auch Umweltfreundlichkeit gleichermaßen gegeben. Die Höchstgeschwindigkeit ist allerdings mittels Elektronik auf 145 Kilometer pro Stunde begrenzt, dafür garantiert BMW eine Reichweite von 160 Kilometern im Alltagsbetrieb. Die Batterie-ladeanzeige verrät, wann der Akku wieder aufgeladen werden muss. Als Viersitzer und mit akzeptablem Kofferraum ist der ActiveE zudem durchaus alltagstauglich, wird aber leider erst 2013 in Serie gehen.
Porsche Panamera S Hybrid [Foto: Porsche]
Die neue alte Autolust
Die Publikumspremieren bei Mercedes hießen SLK und C-Klasse Coupé, bei BMW 6er Cabrio. Die neuen Modelle gehören mehr oder weniger zum Luxussegment und sind Ausdruck der neuen alten Autolust, welche Leistungsstärke, technische Perfektion, Komfort und Sportlichkeit nicht nur schätzt, sondern als unverzichtbare Attribute fordert. Zumal die Premiummarken das Kunststück fertigbringen, die Verbrauchswerte ihrer Motoren immer noch ein Stück mehr zu drücken.
Der neue Mercedes SLK befindet sich nun in dritter Generation. Seine roadstertypische Silhouette macht sofort klar, dass er zur Mercedes-Benz-Sportwagenfamilie gehört. Dynamik versprüht ebenso das neue C-Klasse Sportcoupé, ab Juni im Handel. Mit seiner betont niedrigen Silhouette soll es besonders jüngere Käufer ansprechen. Die Verbrauchswerte können sich sehen lassen: Nur 4,4 Liter auf 100 Kilometern verbraucht der kleinste Motor mit 156 PS, der stärkste mit immerhin 306 PS auch nur 6,8 Liter.
Relativ sparsam, aber luxeriöser präsentiert sich der erste Vertreter der neuen 6er-Modellreihe von BMW. Im Grunde ist er ein Zwitter: einerseits solide und kraftvoll, andererseits schnell und sportlich. Der Wechsel zwischen Komfort- auf Sportmodus legt nahe, dass die Motorisierung Stärke zeigen muss. Mit 320 PS kommt das Modell 640i denn auch in 5,7 Sekunden von null auf Tempo 100 und ist 250 km/h schnell. Dabei verbraucht der Turbomotor auf 100 Kilometern rund 8 Liter. Im nächsten Jahr soll die neue Luxusbaureihe auch mit vier Türen auf den Markt kommen.
Audi RS3 Sportback [Foto: Audi]
Den Nachfolger des neuen Audi A3 konnte die Ingolstädter Premiummarke noch nicht präsentieren, nur eine De-signstudie A3 Concept als Vorbotin. Dafür sorgte dessen neue Sportversion zumindest bei den Quattro-Fans für größere Aufmerksamkeit. Der neue Audi RS3 Sportback wird nämlich statt mit bisherigen 265 PS ab April mit 340 PS in den Autohäusern stehen. So soll der Fahrspaß größer sein, der sich nach dem Drücken der „Sport“-Taste noch steigern lässt, denn der Wagen beschleunigt nicht nur von null auf Tempo 100 in 4,6 Sekunden, der Motor klingt dann auch so, wie ein sportlich ambitionierter Quattro klingen muss. Seine Höchstgeschwindigkeit ist auf 250 km/h elektronisch begrenzt.
Der neue Mercedes SLK [Foto: Daimler AG]
Catwalk der Autoindustrie
Der Genfer Automobilsalon wäre nicht ein solcher Höhepunkt in der Auto-branche, würden die Veranstalter dort nicht auch das Auto als Faszinations-objekt zelebrieren.
Eine Überraschung bot Ferrari mit dem neuen FF. Das Kürzel steht für „Ferrari Four“ und impliziert gleich die erste Neuheit: den Viersitzer. Dass aber auch seine Form absolut nicht zur legendären Luxusmarke passt, gleicht fast einer Sensation. Tatsächlich bietet Ferrari mit dem FF ein völlig neues Sportwagenkonzept. Nicht ein weiterer extravaganter Extrem-Sportwagen verlässt also ab Sommer die Autoschmiede in Maranello, sondern ein Sportwagen mit „souveräner Eleganz“ und mit durchaus alltagstauglicher Attitüde. Dafür sorgen nicht nur die vier Sitze, kostbarer Stauraum und umklappbare Rückbank, auch ein Allradantrieb – zum ersten Mal in der Firmengeschichte. Dank des V12-Motors mit 660 PS und eines Gewichts von nur 1,7 Tonnen kommt dennoch die extreme Sportlichkeit nicht etwa zu kurz. Immerhin ist der FF maximal 335 km/h schnell.
links: Pagani Huayra [Foto: Pagani] rechts: Ferrari FF [Foto: Daimler AG]
Noch leistungsstärker und mit 1350 kg Gewicht noch etwas leichter ist der aus Carbon und Aluminium bestehende Pagani Huayra, Nachfolger des legendären italienischen Supersportwagens Zonda, der 1999 in Serie ging und den Pagani bislang achtzigmal verkaufte. Stand beim Zonda lediglich der gleichnamige argentinische Föhnwind Pate, ist es beim Huayra gleich eine Gottheit. Im Verständnis des Aymara-Volkes in Bolivien und Peru der Gott des Windes. So scheint der Sportwagen tatsächlich vom Himmel gefallen zu sein, denn sein Design fordert bedingungslose Ehrfurcht. Kleine, fast unsichtbare Flügel kontrollieren und steuern die Fahrdynamik in jeder Situation, und die durchweg fein ausgeklügelte Technik verleiht jedem Detail des Pagani Huayra Glanz und Perfektion.
Reinhard Wahren