Dass Berlin dazu verdammt ist, immerfort zu werden und niemals zu sein, wusste schon im Jahr 1910 der Publizist und Kunstkritiker Karl Scheffler. Ein oft zitierter Satz, der noch heute gilt. Umso mehr sind Menschen gefragt, die vor oder hinter den Kulissen etwas bewegen und die Stadt ein Stück voranbringen. Wir stellen sie in jeder Ausgabe vor, die Berlin-Macher. Diesmal Frank Zander Wenn die Metapher von der harten Schale und dem weichen Kern zutrifft, dann bei Frank Zander. Sein Äußeres ähnelt eher dem eines Trappers aus der kanadischen Wildnis, die er - so er sich etwas wünschen dürfte - noch gerne bereisen würde. Seine langen blonden Haare passen zum wachen wie stechenden Blick seiner stahlblauen Augen. Der Gang wie aus einem Westernklassiker rundet das Bild vom kantigen Burschen ab, dem die typische Eitelkeit eines Stars eher fremd ist. Das ist die eine Seite, die sich einem vordergründig aufdrängt. Die andere ist die, die sich einem erst erschließt, wenn man sich auf diesen Mann einlässt und genauer hinhört. Da kommen dann plötzlich eine Sensibilität und eine Feinsinnigkeit zum Vorschein, die man kaum erwartet bei einem - laut Wikipedia - „deutschen Schlager- und Deutschpop-Musiker, Moderator und Schauspieler, der bekannt für seinen schwarzen Humor und seine rauhe Stimme ist". Ein Beispiel gefällig: Gefragt, ob er denn ein guter Mensch sei, zögert der 67-Jährige zunächst und sagt dann: „Nein, ein Gutmensch bin ich nicht." Das war auch nicht die Frage, auf die er auf Nachfrage schließlich antwortet: „Ich kann unterscheiden, und ich versuche es." Ein Versuch des gebürtigen Berliners darf dabei als durchaus gelungen betrachtet werden. 1995 veranstaltet er mit seiner Familie erstmals ein Weihnachtsessen für Obdachlose. Damals im Schloss Diedersdorf in Brandenburg waren es noch 300. Mittlerweile sind es weit mehr als 2000 Menschen. Als Veranstaltungsort dient Europas größter Convention-, Entertainment- und Hotel-Komplex, das Estrel Berlin. Und in diesem Jahr ist es bereits das 15. Mal, bei dem es heißt: „Weihnachten mit Frank Zander." Die Prominentenschar, die das Unterfangen unterstützt, ist schier endlos und liest sich wie das „Who's who" der Bundesrepublik. Das fängt an mit Bundespräsident Horst Köhler, geht weiter über Axel Schulz, Brigitte Grothum, Heidi Hetzer, Jeanette Biedermann, Hans-Werner Olm, Karl Dall oder Oliver Kalkofe und hört auf bei Wolfgang Bahro und Wolfgang Lippert. Dass er 2002 von Bundespräsident Johannes Rau für sein alljährliches Engagement das Bundesverdienstkreuz erhalten hat, hat ihn „gefreut". Überhaupt nicht erfreut, um nicht zu sagen stinksauer ist Zander allerdings, als ein Jahr später diskutiert wird, ob Dieter Bohlen auf Vorschlag der SPD-Bundestagsabgeordneten Monika Griefahn ebenfalls das Bundesverdienstkreuz erhalten soll. „Dann kann er gleich meins haben. Was hat denn Bohlen für die Allgemeinheit getan? Ich meine, er ist kein Vorbild für die Jugend, sondern er zockt sie finanziell ab mit seinen ,Superstar'-Produktionen", erklärt er in einem Zeitungsinterview. Die Sache verläuft im Sande, und er behält seine Auszeichnung. Wäre es nach Zanders Mutter gegangen, hätte der im Sternzeichen Wassermann geborene Entertainer noch weniger Gemeinsamkeiten und Berührungspunkte mit Bohlen gehabt, als das ohnehin schon der Fall ist. Nach ihrer Vorstellung nämlich wäre er zur AOK und später dann als Quasibeamter in Pension gegangen. Doch es kommt anders, und eine im Showgeschäft etablierte „Marke" entsteht mit ihm, der im besten Berliner Sinn 'ne Marke ist. Angefangen hat er seine Karriere als Sänger und Gitarrist der „Gloomy-Moon-Singers" (später Gloomys). Mitte der 70er Jahre startet er seine Solokarriere und wird mit Liedern wie „Der Ur-Ur-Enkel von Frankenstein", „Ich trink auf dein Wohl, Marie" und „Oh, Susi" bekannt. Ab 1978 singt er unter dem Pseudonym Fred Sonnenschein und seine Freunde und erhält 1981 für die Single „Ja, wenn wir alle Englein wären" seine erste Goldene Schallplatte. Und es geht immer weiter. Der Erfolg setzt sich bis heute fort. Im Dezember 2008 wählen ihn die Leser der Berliner Morgenpost und die Hörer des Radiosenders 104.6 RTL zum Berliner des Jahres 2008. Einer der bekanntesten, wenn nicht der bekannteste Song überregional ist der Titel „Hier kommt Kurt", mit dem er wochenlang in den Charts steht. Und hier in Berlin hat er sich unsterblich gemacht mit der Hymne für Hertha BSC: „Nur nach Hause, nur nach Hause, nur nach Hause geh'n wir nicht." Seine unverwechselbare Stimme verdankt der Sänger einer Mandelentzündung, die er erst einmal ignoriert und weiter munter drauflos singt. Irgendwann ist die Stimme dann (da)hin und das Markenzeichen und damit der ganz große Erfolg da. „Ich habe in meinem Job viel Glück gehabt. Da hätten auch Sachen schief gehen können", erinnert sich Zander, ohne konkreter zu werden. Dass seine Familie - Ehefrau Evy und Sohn Marcus - für ihn der Rückhalt ist, glaubt man sofort, wenn man die vertraute Art und Weise bemerkt, wie er und seine Frau miteinander umgehen. Und so funktioniert auch der Familienbetrieb mit ihm als „Frontschwein", das sich so seine Gedanken darüber macht, wie sehr sich die Branche verändert hat. „Es ist kälter und härter geworden. Alles geht schneller", so seine Analyse. Und als Bauchmensch hört er auch auf sein Gefühl. „Ich möchte nicht verheizt werden." Was die aktuelle Finanz- und Wirtschaftskrise betrifft, sieht er die Ursache bei denen, „die den Hals nicht voll kriegen können". Und als die Sprache auf Dubais Skihalle in der Wüste und dem damit zusammenhängenden Temperaturunterschied von 50 Grad inklusive Energiebedarf kommt, macht er aus seinem Herzen keine Mördergrube: „Das ist doch Scheiße! " Wahrscheinlich sind es derartige Exzesse, die den Sänger mit einer Grafikerausbildung auch zum Maler werden lassen. Demnächst steht wieder eine Ausstellung an, in Hamburg. 40 farbgewaltige Bilder sind es mit Motiven aus Berlin und von der Insel Ibiza, auf der er eine Ferienwohnung besitzt. Dorthin zieht er sich mit seiner Frau gerne mal zurück und heckt neue Geschäftsideen aus. Eine solche ist sicher auch die, die in Kürze auf den Markt kommt. Seit 1997 besingt Zander ganz persönliche Geburtstags-CDs mit einem Geburtstagslied für einen bestimmten Vornamen und vertreibt sie über die von ihm gegründete Firma „Handgebrannt", in der sein Sohn und er zusammen mit Thomas Müller Geschäftsführer sind. Derzeit produziert er einen Stamm von rund 1500 Pflicht-Vornamen sowie nach der Audio-CD auch die Film-DVD, auf der Zanders rauchige Stimme krächzt: „Herzlichen Glückwunsch, ...". Da kann es nun wirklich nicht verwundern, dass, wenn die Leute ihn irgendwo sehen und ansprechen, er nicht mit Herr Zander angesprochen wird, sondern mit: „Hey Franky, alles klar?".
Detlef Untermann
Berlin-Macher
39 - Sommer 2009