Prinz Louis Ferdinand von Preußen wurde hier geboren. Marlene Dietrich war zu Gast beim Sommerfest, und Tierparkdirektor Heinrich Dathe setzte sich viele Jahre für den Erhalt und die Sanierung von Schloss Friedrichsfelde ein. Heute ist das frühklassizistische Kleinod im Tierpark Friedrichsfelde für jedermann zugänglich – als Museum, Konzertstätte und sogar Standesamt.
Für Theodor Fontane lag das Schloss weitab vom Zentrum. „Die Fahrt nach Friedrichsfelde, wenn man zu den ‚Westendern‘ zählt, erfordert freilich einen Entschluss“, schrieb der Schriftsteller in seinen „Wanderungen durch die Mark Brandenburg“. „Durch die ganze Steinmasse des alten und neuen Berlins hin sich mutig durchzuschlagen, um dann schließlich in einem fuchsroten Omnibus (...) die Fahrt zu Ende zu führen, ist nicht jedermanns Sache.“ Die weite Reise lohne sich aber, meinte Fontane – denn das „Charlottenburg des Ostends“ (Ostend als Gegenpol zu Westend) biete ein „reiches Stück Geschichte“. Schloss Friedrichsfelde ist heute wieder ein wunderbarer Ort. Und alle Charlottenburger, Wilmersdorfer und anderen Westender, die noch immer das Gefühl haben, es liege irgendwo kurz vor Sibirien, können beruhigt sein: Vom Alexanderplatz ist man in einer Viertelstunde mit der U-Bahn am Tierpark. Zum Schloss, das über Jahrhunderte reichlich Prominenz beherbergt hat und in dem Königin Luise rauschende Feste feierte, führt ein schöner Spazierweg. Erbaut wurde Schloss Friedrichsfelde 1685 für Benjamin Raulé, den Marinedirektor unter dem Großen Kurfürsten. Das ursprünglich recht bescheidene Lustschlösschen wechselte in den folgenden Jahrzehnten häufig den Eigentümer und fast so häufig auch seine Gestalt, da die meisten Besitzer es sich nicht nehmen ließen, das Bauwerk innen und außen dem Zeitgeschmack anzupassen. 1762 hieß der neue Schlossherr Prinz August Ferdinand von Preußen. Er war der jüngste Bruder Friedrichs des Großen, der mehrfach in Friedrichsfelde zu Gast war, und Vater von Prinz Louis Ferdinand (1772-1806), einem der bekanntesten Hohenzollern-Sprösslinge. Unter den folgenden Eigentümern befand sich der Herzog von Kurland, der der Nachwelt vor allem durch das Kurland-Service in Erinnerung geblieben ist. Bis heute produziert die KPM dieses Service, das der Herzog um das Jahr 1790 in Auftrag gab. Im Obergeschoss des Schlosses dokumentiert eine kleine Ausstellung die Erfolgsgeschichte dieses Porzellangeschirrs. 1816 gingen Schloss und Ländereien an die Familie von Treskow über, die Friedrichsfelde zu einem landwirtschaftlichen Mustergut umgestaltete. Im Mai 1945 musste der letzte Schlossherr das Anwesen verlassen. Das klassizistische Bauwerk diente fortan als Verwaltungsschule, Lager und – Tiergehege. Ein im Schloss ausgestelltes Foto zeigt, wie ein Schimpanse neugierig aus dem Schlossfenster blickt. Denn 1954 beschloss der Berliner Magistrat, das Areal rund um Schloss Friedrichsfelde zum Tierpark umzugestalten – und anfangs fehlten eben noch Unterbringungsmöglichkeiten für die Tiere. Die Schaffung des Tierparks bedeutete die Rettung für das mittlerweile arg marode Bauwerk. Denn Tierparkdirektor Heinrich Dathe setzte sich für den Erhalt und die Sanierung des Baudenkmals ein, das 1981 als Museum wiedereröffnet wurde. Öffentlich zugänglich ist es auch heute noch: Nach einem Intermezzo als Dependance der Stiftung Stadtmuseum gehört es seit 2009 wieder zum Tierpark; betreut wird es auf ehrenamtlicher Basis von der Gemeinschaft der Förderer von Tierpark Berlin und Zoologischem Garten Berlin e.V. Dabei zeigt es sich in seiner frühklassizistischen Gestalt aus der Zeit um 1800. „Das Besondere ist, dass das ganze Schloss nutzbar ist“, sagt Vereinsvorsitzender Thomas Ziolko. „Wir wollen keine typische Museumsatmosphäre haben, sondern eine Wohnsituation präsentieren.“
Festsaal im Schloss Friedrichsfelde [Foto: © Hans-Joachim Severin]
Das Schloss ist deshalb zu den Öffnungszeiten ohne Führung begehbar. Allerdings stammen die ausgestellten Möbel, Kunstwerke und Tapeten zum allergrößten Teil aus anderen Schlössern. Original erhalten ist nur wenig, zum Beispiel ein Kerzenständer in einem der Salons im Erdgeschoss. „Den nahm ein kleiner Junge 1945 an sich“, erzählt Ziolko. „Zur Wiedereröffnung des Schlosses im Jahr 1981 brachte er ihn zurück.“ Ebenfalls erhalten ist das Holzgeländer im großzügigen Treppenhaus. Das Prunkstück aber ist der Festsaal im Obergeschoss. Hier finden regelmäßig Konzerte statt. Auch für Empfänge und andere Veranstaltungen werden das ganze Haus oder einzelne Räume vermietet. Beliebt ist Schloss Friedrichsfelde zudem als Drehort für Filmaufnahmen. Und schließlich bietet der Förderverein in Zusammenarbeit mit dem Standesamt Lichtenberg die Möglichkeit, sich im historischen Ambiente trauen zu lassen. Für Ziolko und seine Mitstreiter scheint das Konzept aufzugehen. Immerhin zog das wiedereröffnete Schloss 23 000 Menschen in den ersten sechs Monaten an. Eine Erfolgsgeschichte.
Paul Munzinger
Information
Öffnungszeiten: dienstags, donnerstags, sonnabends und sonntags von 11 bis 17 Uhr.
Am 27./28. August 2011 findet das große Schlossfest im Rokoko-Stil statt.
Weitere Informationen unter: www.schloss-friedrichsfelde.de