Jetzt bevölkern sie wieder die Wiesen Brandenburgs. Staksend oder auf einem Bein stehend. Wo immer diese großen Vögel auftauchen, verbreiten sie gute Laune. Störche gelten im Volksglauben als Glücksbringer, was die Familienplanung betrifft und ganz allgemein.
Ursprünglich soll die Geschichte, dass der Storch die Kinder bringt, in Skandinavien entstanden sein. Wahrscheinlich hat das fürsorgliche Miteinander der Storcheneltern und ihrer Jungen die Legendenbildung befördert. Hinzu kommt, dass Störche oft an Teichen und Sümpfen gesichtet wurden, wo sich nach altem Glauben die Seelen der ungeborenen Kinder aufhalten. Der erste Storch im Jahr ist immer ein Ereignis, das es zuweilen bis auf die Titelseiten der Zeitungen schafft, denn ihr Kommen kündigt den Frühling an. Eigentlich gehört dieser Vogel und nicht der Adler ins Brandenburger Wappen. Nirgends sonst in Deutschland gibt es so viele Weißstörche wie in der Mark. Von den 4300 Brutpaaren lebt gut ein Viertel in dem Bundesland zwischen Oder und Elbe. „Im Vorjahr waren es in Brandenburg 1268 Brutpaare, sogar in Berlin gibt es zwei Brutpaare“, weiß Torsten Ryslavy vom Landesumweltamt. Bei ihm laufen die Informationen aus den einzelnen Naturschutzstationen zusammen. „Insgesamt ist der Bestand in den letzten 15 Jahren relativ stabil“, stellt der Experte erfreut fest. Die Lieblingsgegenden des Weißstorches sind Flussauen und Niederungen, wie sie vor allem in der Prignitz (Storchendorf Rühstädt), dem Spreewald, dem Rhinluch (mit dem Storchendorf Linum) und dem Oderbruch zu finden sind. Der Naturschutzbund Deutschland betreibt in diesen Regionen Storchen-Informationszentren, genauer in Rühstädt, Linum, Vetschau und Rathsdorf. Durch das Internet berühmt geworden ist ein Storchennest in der Spreewaldstadt Vetschau, wo dank einer Webcam das Heranwachsen der neuen Storchengeneration in aller Welt beobachtet werden kann. Störche leben in Saisonehe und bleiben ihren Brutstätten treu. Jahr für Jahr kehren sie auf denselben Kirchturm, denselben Schornstein zurück. Wehe, der ist schon besetzt, dann kann es zu heftigen Revierkämpfen kommen. Meist ist das Männchen zuerst da. Schnabel klappernd begrüßt es die Partnerin. Oft ist es die gleiche wie im Vorjahr, denn auch sie erinnert sich an den guten Brutplatz. Mit Vorliebe nehmen die Vögel künstliche Nisthilfen wie Wagenräder oder eigens dafür geflochtene Scheiben an, um dort zu bauen. Darunter gibt es auch so groteske Nistplätze wie einen ausrangierten Trabant bei Neuruppin. Ein Witzbold hatte ihn auf einen Pfahl gehoben. Schon von weitem sichtbar, ist er mittlerweile fast eine Art Wahrzeichen geworden. Die Brutzeit dauert von Mitte April bis Ende Juli, wobei das Weibchen drei bis fünf Eier legt. Einen guten Monat brüten beide Partner abwechselnd. Dann schlüpfen die Jungen und werden noch einmal etwa zwei Monate gefüttert, bis sie flügge werden. Bis zu 35 Jahre alt kann so ein Weißstorch werden. Aber das sei wohl eher die Ausnahme, sagt Torsten Ryslavy. In der Regel würden sie 20 bis 30 Jahre alt. Aber auch das ist für einen Vogel ein stattliches Alter. Wenn wir daran denken, wovon sich so ein Storch ernährt, sehen wir einen grasgrünen Frosch in seinem Schnabel zappeln. Dabei ist die Speisekarte der Störche lang. Neben Fröschen sind es auch Insekten, Mäuse und Regenwürmer, die sie mit ihrem spitzen roten Schnabel aufgabeln. Intakte agrarische Kulturlandschaften, frisch gemähte Wiesen erleichtern die Nahrungssuche. Zu viel Naturschutz kann deshalb für den Storch paradoxerweise negative Effekte haben. Mitte August geht der Storchensommer langsam zu Ende. Dann brechen die Tiere in größeren Gruppen und auf mehreren Routen in Richtung Afrika auf. Relativ früh, mag man denken, aber Störche sind Segler, sie brauchen den warmen Aufwind. Erst ziehen die Jungvögel, später folgen ihnen die älteren. Einige Störche sparen sich auch die Mittelmeerüberquerung und bleiben in Spanien, vorausgesetzt, sie finden genügend Nahrung.
Karen Schröder
Die Vetschauer Störche unter www.storchennest.de