Comeback der Klassiker

So wie bestimmte Zeiten wie die zwanziger Jahre oder die sechziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts nie wirklich vorbei sind – das zeigt sich an den ständigen Reminiszenzen –, geraten auch bestimmte Automodelle nicht in Vergessenheit bzw. sind Teil des kollektiven Erinnerungsbewusstseins. Das nutzen natürlich auch die Autofirmen und kreieren ab und an ein sogenanntes R-Modell. Wenn dabei trotz moderner Bauweise der „Rückgriff“ augenscheinlich wird, ist die potentielle Fangemeinde begeistert. So beim neuen VW Bulli, der wahrscheinlich 2015 auf dem Markt kommen wird. Er soll an den legendären T1 erinnern, der von 1950 bis 1967 gebaut wurde und als Fensterbus Samba noch heute Generationen ins Schwärmen bringt. Natürlich ist der VW Bulli zweifarbig, das vorn angedeutete „V“ trägt das große VW-Logo, und die vordere Sitzbank ist durchgehend. Zudem sind beide Sitzbänke klappbar. Mehr Erinnerung ist nicht nötig. Beeindruckendes Design und Elektroantrieb machen den Rest des Minibusses aus. Seine Serienproduktion wird mit Benzin- und Dieselmotoren starten, aber selbstverständlich auch zeitgemäß mit Elektroantrieb. Der steckt in der Vorderachse und beschleunigt den „Bulli“ in elf Sekunden von null auf Tempo 100. Die Höchstgeschwindigkeit beträgt 140 Kilometer pro Stunde, die Reichweite mit einer Akkuladung etwa 300 Kilometer. Zur „Bulli“-Fangemeinde gehört auch der Berliner Oldtimerverleih „Berlin Bulli“. VW hat gegen die Verwendung dieses Namens als Firmenbezeichnung geklagt. Ein sicheres Indiz dafür, dass der Konzern mit dem neuen VW Bulli ernst machen will. Und weil die Resonanz auf die Bulli-Studie bereits in Genf alle Erwartungen übertraf, erfuhr bei VW auch der Käfer eine Renaissance. Bereits im Herbst kommt er als neuer Beetle in den Handel und erinnert tatsächlich eher an die Form des Ur-Käfers denn an seinen Vorgänger, aber auch an den Golf. Ausschlaggebend dafür sind seine markante Vorderfront und die flachere, coupéartige Dachlinie. Untenherum, innen und bei der Motorisierung orientierte man sich bei VW am Golf. So wirkt der neue Beetle ein wenig wie ein Konglomerat, gewinnt aber dafür an Sportlichkeit und Leistungsstärke. Selbst der kleinste Motor bringt es auf 180 Kilometer pro Stunde, bei nur 4,3 Litern Verbrauch.

Klar zur Wende

Dieses Jahr steht vielerorts im Zeichen eines besonderen Jubiläums. Vor 125 Jahren ließ Carl Benz in Berlin das erste Automobil, den Benz Patent-Motorwagen, patentieren. Baden-Württemberg, die Wiege des Automobilbaus, feiert das Jubiläum im Sommer mit mehr als dreihundert Veranstaltungen. Die Erfindung des Automobils hat wie keine andere unser
modernes Leben geprägt. Allerdings in einer Weise, dass dessen massenhafte Verbreitung längst an Grenzen stieß und jetzt das Auto wieder neu erfunden werden muss. In den nächsten dreißig Jahren wird sich der weltweite Fahrzeugbestand verdoppelt haben. So zeigen sich in diesem Jahr auch deutlicher denn je die Herausforderungen an die zukünftigen Autos, um weiter die Mobilität von Menschen und Gütern zu garantieren.

[Fotos: michelinchallengebibendum.com]

Parallel zum Autojubiläum fanden deshalb nicht von ungefähr wichtige Veranstaltungen statt, die für ein mobiles Umdenken warben, wie beispielsweise kürzlich die elfte Michelin Challenge Bibendum in Berlin. Auf dem Flughafen Tempelhof präsentierten Autohersteller, Zulieferer, Behörden und Forschungsinstitute aus der ganzen Welt den Besuchern zahlreiche Serienfahrzeuge, Prototypen und neue Modelle, von Elektrorädern über Elektroautos, brennstoffzellenbetrieben oder rein elektrisch, bis hin zu Bussen und Nutzfahrzeugen mit alternativen Antrieben. Auf dem Gelände des Flughafens konnten sich selbstfahrenderweise Fachleute und Besucher von der Leistungsfähigkeit der neuen Autogeneration überzeugen. Einige Modelle sind bereits als Serienfahrzeug unterwegs. Die deutschen Autohersteller werden erst 2013 ihre Offensive beginnen. Die Michelin Challenge Bibendum als internationales Forum hatte sich zum Ziel gesetzt, sowohl autobegeisterten und interessierten Besucher als auch Entscheidungsträgern aus Politik und Wirtschaft zu zeigen, dass es bereits schnell umsetzbare Lösungen für nachhaltige Mobilität im Straßenverkehr gibt, dafür nur noch die entscheidenden Impulse für ein sichtbares Wendemanöver fehlen.

[Fotos: michelinchallengebibendum.com]

 

Starke Sportcoupés

Der stärkste 1er aller Zeiten – das BMW 1er M Coupé [Foto: © BMW]

Im Vorfeld wurde er als „stärkster 1er aller Zeiten“ bejubelt, jetzt kann man es kaufen: das BMW 1er M Coupé. Ein Sportcoupé, das mit außergewöhnlichen Fahreigenschaften zum Nonplusultra der M-Reihe avanciert. Geschuldet u.a. seinem niedrigen Leistungsgewicht von 4,4 Kilogramm pro PS, 340 PS starkem Sechszylinder, direkteinspritzendem Dreiliter-Triebwerk mit TwinPower Turbo und extrem breiter Spurweite. So beschleunigt das BMW 1er M Coupé in beeindruckender Sportwagenmanier in 4,7 Sekunden von null auf 100. Würde die Elektronik das Sportcoupé nicht auf 250 Kilometer pro Stunde begrenzen, läge seine Höchstgeschwindigkeit sicher noch darüber. Um 50.000 Euro kostet die Basisversion des neuen Stars der M-Klasse.
Neben BMW hat jetzt auch Mercedes Interesse an der sportlichen Mittelklasse gefunden. Deshalb bereicherten die Stuttgarter die C-Klasse mit einem Coupé. Es ist mit rund 33.000 Euro wesentlich billiger als das BMW 1er M Coupé. Versucht aber mit sportlicher Attitüde eine Alternative zu sein. Im stärksten Fall mit dem neuen V6-Benzin-Direkteinspritzer, dessen 306 PS in 6 Sekunden von null auf Tempo 100 beschleunigen. Die Höchstgeschwindigkeit beträgt ebenso 250 Kilometer pro Stunde. Es gibt aber auch eine interessante kleine Variante mit 156 PS. Ab Juni beginnt der Verkauf.

 

Abgang in Weiß

Beim letzten Modell der 911er-Baureihe, die im September auf der Internationalen Automobilausstellung in Frankfurt der neuen Generation weicht, hat Porsche noch einmal alle Register gezogen, um einen würdigen Abgang der Automobil-Legende zu zelebrieren. Im Juli kommt es als 911 GT3 RS 4.0 auf den Markt, mit einem 500 PS starken Sechszylindermotor. Kein Modell der Baureihe hatte bislang eine solche Leistung. Damit erreicht das Coupé die Einhundertmarke in 3,9 Sekunden. Die Höchstgeschwindigkeit von 310 Kilometern pro Stunde verwundert deshalb nicht. Allerdings ist es nicht die Kraft des Motors allein, die den Sportwagen so schnell macht. Auch sein Gewicht, im Vergleich zu allen bisherigen 911er Modellen das geringste, und eine aerodynamische Besonderheit tragen dazu bei. Die zeigt sich in Form von seitlich am Bug eingesetzten Luftleitschaufeln, sogenannten Flics. Erstmals bei einem Serien-Porsche eingesetzt, bewirken sie einen erhöhten Abtrieb an der Vorderachse. Im Zusammenwirken mit dem Heckflügel wird der 911 GT3 RS 4.0 bei Höchstgeschwindigkeit so zusätzlich auf die Straße gepresst. Porsche spricht also nur zu Recht von einem rennsportnahen Straßenfahrzeug und setzt mit dem GT3 RS 4.0 einen würdigen Schlusspunkt unter die legendäre Sportwagengeneration. Der allerletzte Porsche 911 ist auf 600 Stück limitiert und wird ausschließlich in Weiß ausgeliefert.

Von null auf hundert in 3,9 Sekunden: der Porsche 911 GT3 RS 4.0 [Foto: © Porsche]

Autotexte: Reinhard Wahren

 

 

47 - Sommer 2011