Neben der Aedes Architekturgalerie auf dem Pfefferberg hat im April dieses Jahres der Aedes Network Campus Berlin (ANCB) eröffnet. Die vier Wortbausteine stehen für das von Kristin Feireiss und Hans-Jürgen Commerell gegründete gemeinnützige Institut zur Entwicklung von „Raum und Designstrategien".
„Wir denken und arbeiten antizyklisch", sagt Kristin Feireiss, die Grande Dame der Architekturkommunikation, wenige Tage vor der Eröffnung des Aedes Network Campus Berlin. Da wurde gerade noch der graufarbene Schriftzug des neuen Instituts für Architektur in Nachbarschaft zur Galerie Aedes auf den roten Backstein geschraubt. Nebenan in den hohen Kappendeckenhallen der Galerie wurden derweil zwei neue Ausstellungen eingerichtet.
Sieben Madrider Architekten laborieren zum Thema Labyrinth, und Innenarchitekturstudenten aus München zurrten und knüpften einen Raum aus über einer Million weißen Kabelbindern. Die Installation „Der Dritte Raum", diese fragil-robuste, immateriell anmutende, stachlig-weiche Lounge, ist eine echte Schönheit. Betrachtet man ihre Technologie, ist sie ein Sinnbild für Netzwerk überhaupt.
„Gerade in Krisenzeiten wächst die Kreativität", sagt Kristin Feireiss, und der Campus ist so ein Ort, an dem im besten Sinne avantgardistisch vorausgedacht weden soll. Hier wird in weltweiter interdisziplinärer Zusammenarbeit von Universitäten, aber unabhängig von deren Forschungsrahmen, die Zukunft sich rasant verändernder urbaner Lebenswelten vorausgedacht, modelliert und debattiert. Das Architekturinstitut auf dem Pfefferberg, jenem Industriekultur-Denkmal, das aufwendig saniert ein Refugium nahe der Stadtmitte bildet, ist „ein anwendungsorientiertes internationales Denklabor für metropolitane Raum- und Designstrategien", so steht es im Pressetext. Es gibt ein jeweiliges Jahresthema - für 2009 heißt es „Globale Demarkationen". Workshops strukturieren die Begegnung von Studenten und Fachkräften mit abschließenden öffentlichen Präsentationen.
Kristin Freireiss, Ehrendoktorin der Universität Braunschweig, und ihr Partner, der Architekturfotograf Hans-Jürgen Commerell, sind die Erfinder des Aedes-Instituts. Finanziert wird die Denkwerkstatt aus internationalen Austauschfonds der Universitäten, mit Hilfe von Sponsoren und dank der Fotografin Ursula Schulz-Dornburg, die das Projekt durch den Kauf des Domizils erst ermöglicht hat.
Die Spreemetropole wiederum, immerhin von der UNESCO als Designstadt deklariert, ist mit ihren vielen Brüchen und Brachen, mit differenzierten sozialen Milieus und urbanen Verschiebungen eine ideale Forschungsstadt, dazu ein international vernetztes Kreativ- und Avantgardezentrum im Prozess, das sich im Galerien- und Institutions-Mikrokosmos des Pfefferbergs widerspiegelt.
Die Aufgabe der Aedes-Galerie war von Beginn an, architektonisch-kulturelle Fragen in die Öffentlichkeit zu tragen, einen Architekturdiskurs im allgemeinen Bewusstsein zu etablieren. „Es ging nie darum zu sagen, Architektur muss so oder so aussehen, sondern um Raum und Umwelt als Kulturbestandteil", erklärt Kristin Feireiss ihre dreißigjährige Galeristinnentätigkeit, auf deren Basis sich die Erfahrung und das Vertrauen für den Campus entwickelt haben. Der Stuttgarter Architekt und Yale-Professor Stefan Behnisch drückt es so aus: „Aedes war für uns Architekten eine Insel der Glückseligkeit." Die Ausstellungen verbinden sich mit einem Namens-verzeichnis, das wesentliche Architekturentwicklungen des ausgehenden zwanzigsten Jahrhunderts bis heute dokumentiert. Es ist zugleich ein Bildkaleidoskop, das einem Familienalbum gleicht, in dem der Werdegang der Newcomer von den ersten Schritten bis zum Pritzker-Preis dokumentiert ist. Eine der ersten Ausstellungen 1981 war Rem Koolhaas gewidmet, damals noch längst nicht der arrivierte Global Player.
Der Campus ist eine logische Weiterentwicklung aus den langjährigen Beziehungen und eine Investition in die Zukunft. Namhafte Architekten von Matthias Sauerbruch bis Zaha Hadid unterstützen als Berater die Institution. Gäste von sechzehn Universitäten aus St. Petersburg, Los Angeles, London, Santiago de Chile, Johannesburg, Gäste der TU Delft oder von der Korea National University of Arts signalisierten ihre Partnerschaft und kamen zum Eröffnungssymposium. Intensität und Inszenierung. Alles schön weiß. Die Stühle von Vitra. Die Küche gesponsert. Palmen auf dem Hof. Es war ein schönes April-Wochenende. Das Wetter hielt sich. Die Hofparty nahm ihren Lauf. Und die von Kristin Feireiss gesprochenen Vernissage-Worte klangen ungebrochen optimistisch. Die Expedition zur Ergründung „urbaner Intelligenz", so Hans-Jürgen Commerell, setzt sich in Gang. Mai-Gast in der Denkwerkstatt ist der Delfter Architekt Winy Maas. Im Sommer treffen sich auf dem Pefferberg Paris und St. Petersburg.
Anita Wünschmann
39 - Sommer 2009