In der hochkarätigen Ausstellung „Gesichter der Renaissance“ zeigt das Berliner Bode-Museum bedeutende Meisterwerke der italienischen Porträtkunst.
Ohne die Kunst der Renaissance gäbe es keine Kunstgeschichte, wie wir sie heute kennen. Gäbe es nicht einmal den Begriff der Renaissance als Kunstepoche. Vermutlich hätten wir auch nicht den modernen Geniebegriff verinnerlicht. Sogar die Autonomie der Kunst und der Künstler wäre in Frage gestellt. Und ohne die Kunst der Renaissance gäbe es auch nicht die großartigen Porträts ihrer Zeitgenossenen, dargestellt in edlen Gewändern, mit phantasievoll gestaltetem Kopfschmuck, so stolz oder geheimnisvoll anmutend, dass sie bis heute faszinieren.
Links: Andrea d‘Assisi: „Bildnis eines Knaben“,
um 1495/1500 [© Gemäldegalerie Dresden]; Rechts: Leonardo da Vinci: „Dame mit dem Hermlin“ (Porträt der Cecilia Gallerani), 1489/90 [© bpk / Scala]
Das Bode-Museum hat dieser einzigartigen Porträtkunst eine Ausstellung gewidmet, die ganz und gar im Sinne Wilhelm von Bodes, des Museumsgründers, ist, der „sein Museum“ ausdrücklich als Renaissance-Bau entwarf. Darin sind derzeit Leihgaben aus den großen Museen versammelt, die für diese wunderbare Epoche stehen und noch nach fünfhundert Jahren die Menschen in Scharen an ihre angestammten Plätze nach Florenz in die Uffizien, nach Paris in den Louvre, nach London in die National Gallery, nach New York in das Metropolitan Museum, nach Berlin in die Staatlichen Museen oder nach Krakau ins Nationalmuseum ziehen. Von dort kam die „Dame mit dem Hermelin“ nach Berlin, jenes weltberühmte Bild, das Leonardo da Vinci noch vor der „Mona Lisa“ malte. Das Porträt zeigt Cecilia Gallerani, die langjährige Mätresse des Herzogs Ludovico Sforza. Ihre rechte Hand streicht über das Hermelin, während ihr Blick geheimnisvolle Erwartung verrät. Mit dem Tier als Symbol der Reinheit, Mäßigung und Ehrenhaftigkeit – und wohl auch Emblem der Sforza – schuf Leonardo eine Bildnis-Allegorie, die zugleich den Anspruch an die Porträtkunst der Renaissance schlechthin offenbart: „Wenn die Figuren nicht lebendige und derartige Gebärden machen, dass sie damit in ihren Gliedern die Absichten der Seele ausdrücken, so sind sie doppelt tot…“ Eine andere Ikone der Kunstgeschichte, Domenico Ghirlandaios „Porträt eines Greises mit einem Knaben“, kam aus dem Louvre ins Bode-Museum. Das Tafelbild zieht den Betrachter fast suggestiv an, dominiert doch der Blickkontakt der beiden derart, dass die Vertrautheit ihrer Begegnung, sei es Großvater und Enkel, eindringlicher nicht sein kann.
Links: Gentile Bellini: „Bildnis eines Mannes“ (Selbstporträt Bellinis?), um 1496 [© Kupferstichkabinett, Staatliche Museen zu Berlin, Jörg P. Andersn]; Rechts: Francesco Laurana: „Büste der Beatrice von Aragon“, Marmor, 40,6 cm [Foto: Berlin vis-à-vis]
So zeigen die Porträts der Renaissance einerseits den Einfluss antiker und humanistischer Tradition, andererseits das neue Bestreben, Tugenden und innere Werte in äußerer Schönheit und Intimität auszudrücken. Mit der Wiedergeburt der Antike trat der Mensch in den Mittelpunkt des Inter-esses, authentisch, selbstbewusst –sowie auch erhaben und edel. Denn ebenso trug ein neues bürgerliches und höfisches Repräsentationsbedürfnis dazu bei, Bildnisse in Auftrag zu geben, die das eigene Haus oder den Palazzo eindrucksvoll mit seinem Erbauer oder Besitzer in Verbindung bringen sollten. Dabei ging es weniger um idealisierte Darstellungen, wie sie im Mittelalter üblich waren, sondern stets um eine natürliche, der Wirklichkeit nachempfundene Wiedergabe der Personen. Das Prinzip der Ähnlichkeit entschied über die Qualität eines Bildes. Wenn allerdings dann soziale Stellung oder Machtanspruch des Auftraggebers im Bild besonderen Ausdruck fanden, war oftmals die Grenze der künstlerischen Wahrhaftigkeit erreicht.
Beispielsweise führte der frühe Tod von Guilliano de’ Medici als Folge eines Mordanschlages 1478 zu einem wahren Bildniskult. Florenz war im 15. Jahrhundert das mächtigste Zentrum in Mittelitalien. In dieser Stadtrepublik sicherten sich die Medicis den uneingeschränkten Führungsanspruch, was sich auch in ihrer Selbstdarstellung in zahlreichen Porträts ausdrückte. Gleichwohl gehörten die Medicis, besonders in der Person Lorenzo de’ Medicis, zu den wichtigsten Förderern von Kunst und Architektur und beauftragten Künstler wie Michelangelo, Botticelli, Leonardo, Donatello oder Lippi.
Desiderio da Settignano (?): „Bildnis des Niccolò da Uzzano“, um 1450-55 [Foto: Berlin vis-à-vis]
Dass die Entstehung des italienischen Porträts als neue Gattung erstmals in einer Ausstellung gezeigt werden kann, ist den Staatlichen Museen zu Berlin und dem Metropolitan Museum of Art zu verdanken, die diese spektakuläre Publikumsschau im Bode-Museum veranstalten. Aus ihren Beständen, den Sammlungen großer Museen sowie von internationalen Leihgebern werden über 170 Tafelbilder, Skulpturen, Handzeichnungen und Medaillen von Künstlern gezeigt, die die italienische Porträtkunst maßgeblich prägten. Da die Kunstwerke vor Tageslicht geschützt werden müssen, sind die Ausstellungsräume abgedunkelt. Nur von Lichtspots punktgenau angestrahlt, erlebt der Betrachter die Bilder und Skulpturen besonders intensiv, und sie offenbaren so ihre ganze Schönheit. Raumanordnung und Entstehungsorte der Kunstwerke folgen der mehr als acht Jahrzehnte umfassenden Zeitspanne. Florenz bildet den Ausgangspunkt, es folgen die Fürstenhöfe von Ferrara, Mantua, Bologna, Mailand, Urbino, Neapel und Rom. Venedig markiert das Ende.
Dort erlebt die Porträtkunst erst spät ihren Höhepunkt. So erhält der Besucher einen faszinierenden Einblick in die Epoche der Frührenaissance in Italien.
Dort, wo die ersten modernen Porträts der Kunstgeschichte entstanden sind, deren Meisterschaft bis heute unübertroffen ist und die das Bode-Museum mit Hilfe des gelungenen Konzepts der Kuratoren in dieser wunderbaren Ausstellung für wenige Monate vereint.
Reinhard Wahren
Ausstellung
Gesichter der Renaissance –
Meisterwerke italienischer Porträtkunst
Bis 20. November 2011
Bode-Museum, Am Kupfergraben 1, 10178 Berlin