Ein Ort, wo man sich trifft

Lebensmittel- statt Discounterkultur. Immer freitags und samstags in der Markthalle IX

Die historischen Berliner Markthallen sind durchnumeriert, vierzehn gab es an der Zahl. In fünf von ihnen kann man auch heute noch einkaufen. In der Gründerzeit gebaut, ähneln sich alle Gebäude optisch ein wenig. Mit ihren gemauerten Backstein-Fassaden, mit gelben oder roten Schmuckelementen verziert und einem großen Eingangsportal.


[Fotos: © Markthalle IX]


An diese Berliner Tradition wollten die Initiatoren der Markthalle an der Kreuzberger Eisenbahnstraße bewusst anknüpfen, als sie ihr Projekt schlicht „Markthalle IX“ nannten.
Immer Freitag und Samstag ist jetzt wieder Markt in der Halle. Es gibt frisches Gemüse, Butter, Käse und Wein. Viele Händler kommen aus dem Kiez oder aus dem nahen Brandenburg. „Regionalität und Internationalität müssen keine Widersprüche sein, beides ist in Kreuzberg ja vereint“, sagt Nikolaus Driessen von der Markthalle IX GmbH.
So sind hier Teltower Rübchen zu finden, genauso wie Ziegenkäse aus Ogrosen, Büffelfleisch aus Werneuchen, aber auch griechischer Wein, türkische Gözleme und italienisches Pesto.

Fotos: © Markthalle IX]


Bis es dazu kam, dass Anfang Oktober 2011 der erste Markt abgehalten werden konnte, war es ein langer Weg. Dass es die Halle so wieder gibt, ist vor allem den Anwohnern zu verdanken. Denn statt eines wirklichen Marktes waren dort drei Discounter eingezogen. Die Berliner Großmarkt GmbH plante schließlich 2009 den Verkauf an einen Investor. Doch die Anwohner wehrten sich. Sie wollten Marktstände, so wie es früher einst gewesen war. Eine Zeit, an die sich viele noch gut erinnern konnten.
„An dieser Anwohnerinitiative habe ich mich damals auch beteiligt, und wir konnten erreichen, dass die Halle nicht an den Meistbietenden versteigert wurde, sondern dass das Konzept mitentscheidet“, erinnert sich Nikolaus Driessen. Der 34-jährige Kreuzberger gehört heute zusammen mit zwei Mitstreitern zur Markthalle IX GmbH, die eng mit der Anwohnerinitiative zusammenarbeitet.
Für gute 1,1 Millionen Euro kauften sie mit einem Kredit der GLS Bank das Gebäude. Die drei Freunde ergänzen sich gut. Ist Nikolaus Driessen als gelernter Volkswirt vor allem für das Geschäftliche zuständig, kümmern sich die Einzelhändler und Gastronomen Bernd Maier und Florian Niedermeier um das Inhaltliche. Sie wählen die Händler aus und halten zu ihnen Kontakt. Etwa 30 Anbieter sind mittlerweile dabei. Das Motto ist Qualität: Klein statt Groß, Bauernhof statt Agrarindustrie. Eine gute Zusammenarbeit gibt es auch mit der Organisation „Slowfood“, dem Kreuzberger „Prinzessinnengarten“ und dem sozio-kulturellen Projekt „Schlesische 27“.
So sollen in Zukunft auch regelmäßig Kochkurse für Kinder stattfinden. „Das Pädagogische dabei ist durchaus gewollt. Wir wollen die Sensibilität für das gesunde Essen und gute Produkte entwickeln“, erklärt Nikolaus Driessen. Projektgelder würden gerade beantragt.

Die Initiatoren der Markthalle IX: Florian Niedermeier, Bernd Maier, Nikolaus Driessen (Bild 2. Reihe, 1. Bild v.l.) setzen auf kleine lokale Händler und auf frische Lebensmittel aus der Region [Fotos: © Markthalle IX ]


Überhaupt ist den Initiatoren der „Markthalle IX“ die soziale Komponente ihrer Arbeit sehr wichtig. Ein Markt ist eben immer auch ein Ort, wo man sich trifft, um sich auszutauschen. So wolle man wieder langsam in den Kiez hineinwachsen. Später, wenn die Mietverträge der Discounter ausgelaufen sind, hätte man Schritt für Schritt auch Platz für mehr Händler. Dann soll die Markthalle sechs Tage in der Woche geöffnet sein, aber überstürzt wird an der Eisenbahnstraße gar nichts.

Karen Schröder

 

Information
Markthalle IX in Berlin-Kreuzberg,
Eisenbahnstraße 42/43, Pückler-
straße 34, 10997 Berlin
geöffnet Freitag von 12 bis 19 Uhr
und Samstag von 9 bis 16 Uhr

Am 18.12.2011 findet der 2. Naschmarkt Berlin statt, von 12 bis 18 Uhr

49 - Winter 2011/12