Dass Berlin dazu verdammt ist, immerfort zu werden und niemals zu sein, wusste schon im Jahr 1910 der Publizist und Kunstkritiker KarlScheffler. Ein oft zitierter Satz, der noch heute gilt. Umso mehr sind Menschen gefragt, die vor oder hinter den Kulissen etwas bewegen und die Stadt ein Stück voranbringen. Wir stellen sie in jeder Ausgabe vor, die Berlin-Macher. Diesmal Monika Grütters.
Es gab einmal eine Zeit, da wurde Monika Grütters noch ziemlich respektlos mit den Worten empfangen: „Ich weiß, wer Sie sind: Sie sind unsere Kulturtante.“ Doch das ist lange her, und die Zeiten haben sich geändert. Heute erzählt sie lächelnd und selbstbewusst diese Begebenheit als Anekdote. Das kann sie auch – wird sie doch inzwischen „in der gesamten Kunstszene als Gesprächspartnerin überaus geschätzt“, wie es der Informationsdienst Kunst in seiner vornehm-zurückhaltenden Art im Jahr 2009 einmal schrieb.
Ihr heutiges Renommee hat sich Monika Grütters, das kann man wohl so sagen, hart erarbeitet. 1962 im westfälischen Münster geboren, wollte sie nach dem Abitur am Bischöflichen Mädchengymnasium Marienschule in ihrer Geburtsstadt ursprünglich in die Fußstapfen ihres Vaters treten und Ärztin werden. Als sie jedoch ob des damaligen Andrangs keinen Studienplatz bekam, absolvierte sie zunächst ein freiwilliges Soziales Jahr und widmete sich dann an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster und der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn ihren Lieblingsfächern: Germanistik, Kunstgeschichte und Politikwissenschaften, deren Studium sie mit Magister Artium (M.A.) abschloss.
Dass die heutige Bundestagsabgeordnete dabei, wie sie einmal offenbarte, nie das Ziel hatte, Politikerin zu werden, darf man getrost glauben. Ihre ersten beruflichen Stationen waren denn auch die Bonner Oper, das Museum für Verkehr und Technik in Berlin sowie die Berliner Verlags- und Buchhandelsgesellschaft Bouvier, in denen sie in der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit tätig war. Erst 1992 dann hatte sie die ersten Berührungspunkte mit der Politik, als sie die Funktion als Pressesprecherin der Senatsverwaltung für Wissenschaft und Forschung des Landes Berlin übernahm.
Das Jahr 1995 markiert vermutlich den eigentlichen Beginn sowohl einer beispielhaften Karriere als auch eines bewundernswerten Kraftaktes. Während Monika Grütters auf der einen Seite ihr berufliches Fortkommen in der Öffentlichkeitsarbeit der Bankgesellschaft Berlin suchte und zwei Jahre später mit der Berufung als Sprecherin des Vorstandes der von der Bank gegründeten Stiftung Brandenburger Tor ihren verdienten Lohn erfuhr, zog sie auf der anderen Seite erstmals in das Abgeordnetenhaus von Berlin ein, in dem sie hiernach zehn Jahre Mitglied war und sich einen Namen als wissenschafts- und kulturpolitische Sprecherin der CDU-Fraktion machte.
Nur der Vollständigkeit halber sei an dieser Stelle noch erwähnt, dass Monika Grütters seit 1991 auch noch einen Lehrauftrag – seit 1999 als Honorarprofessorin – für Öffentlichkeitsarbeit im Studiengang Kulturmanagement an der Berliner Hochschule für Musik „Hanns Eisler“ hat. Darüber hinaus ist sie seit 2005 Honorarprofessorin an der Freien Universität Berlin im Institut für Kultur- und Medienmanagement.
Auch Sprecherin des Vorstandes der Stiftung Brandenburger Tor ist Monika Grütters nach wie vor. Politisch allerdings hat sie in der Zwischenzeit die Landes- gegen die Bundespolitik getauscht. Seit 2005 ist sie Mitglied des Deutschen Bundestages und seit 2009 Vorsitzende des Ausschusses für Kultur und Medien. Bereits erwähntem Informationsdienst Kunst kam es „einer kleinen Sensation gleich“, dass sie am 12. November von der eigenen Fraktion mit 94 Prozent als Vorsitzende nominiert wurde – obwohl sie sich, zwar ehrlich, politisch vermutlich aber zur Unzeit, kurz vor der Bundestagswahl für Schwarz-Grün ausgesprochen hatte.
Seitdem ist ihr Ansehen noch gewachsen – Partei übergreifend. Als Monika Grütters im Januar dieses Jahres ihren 50. Geburtstag feierte, war es wie ein Familientreffen der Kunst- und Kulturszene des Landes. Alles, was Rang und Namen hat, gab sich die Klinke in die Hand. Doch so sehr sie den großen Bahnhof als An-erkennung ihrer Arbeit auch genoss, ihre eigene Familie, die ebenfalls angereist war, verlor sie nicht aus dem Blick. Mehr noch: Vor allem diese Familie und ihr katholischer Glaube bilden das Wertefundament, von dem aus die liberale Wertkonservative aus Westfalen ihre Aufgaben angeht. Und so richtig in ihrem Element scheint sie erst zu sein, wenn sie dicke Bretter bohren kann.
Und diese Bretter, so sieht es aus, werden immer dicker. Die mehr oder minder seit 2001 sich abwechselnden bzw. andauernden Wirtschafts- und Finanzkrisen machen es der „Interessensvertreterin der Kultur“, wie Monika Grütters sich selbst bezeichnet, nicht gerade leicht, ihren Job zu tun. Wie viele andere auch in diesem Bereich hat sie bitter lernen müssen, dass die Suche nach Geld „zu unser aller Alltag“ gehört. Das gilt im Parlament, in dem sie sich bei den Haushaltsberatungen gegen alle anderen behaupten muss, die auch an das Geld des Finanzministers heran wollen, ebenso wie in der Stiftung, die wie alle anderen auch zusehen muss, wo sie bei Renditen unterhalb der Inflationsrate bleibt.
Aber Monika Grütters wäre nicht Monika Grütters, wenn sie sich von so etwas unterkriegen ließe. Dabei hilft ihr wahrscheinlich das, was sie im ersten Semester beim damaligen Direktor des Instituts für Kunstgeschichte in Münster und 2010 verstorbenen Kunsthistoriker Georg Kauffmann in der „Übung im vergleichenden Sehen“ gelernt hat: Gute von schlechter Kunst zu unterscheiden und den Blick auf das Wesentliche zu konzentrieren.
Das ist und bleibt für Monika Grütters die inhaltliche Auseinandersetzung mit Kunst und Kultur. So kommt es denn auch, dass einem in ihrem Abgeordnetenbüro nicht die „Börsenzeitung“ oder das „Handelsblatt“ ins Auge springen, sondern der „KulturSPIEGEL“, und auf ihrem Schreibtisch sich eben Titel finden wie „Kirchen in Brandenburg und ihre Hüter“ von Kara Huber oder „Walküre in Detmold“ von Ralph Bollmann. Die Liste ließe sich beliebig verlängern.
Und so bleibt zu hoffen, dass der Informationsdienst Kunst, um ihn ein letztes Mal zu zitieren, mit der abschließenden Prognose seiner eingangs erwähnten Meldung recht behält: „Mit Monika Grütters als Kulturausschuss-Dirigentin hat die CDU die richtige Frau in die kulturpolitische Debatte geschickt, letztlich die Fachfrau, die eines Tages auch als Kulturstaatsministerin eine sehr gute Figur machen wird.“ Sie muss sich nur noch ein wenig gedulden.
Detlef Untermann