Alles neu

Die City West verändert sich und bekommt neue Konturen. Besonders dynamisch verläuft die Entwicklung zwischen Breitscheidplatz und Bahnhof Zoo: Das Zoofenster mit dem Hotel Waldorf Astoria nähert sich seiner Fertigstellung, der Umbau des Bikini-Hauses läuft auf Hochtouren, und das Neue Kranzler Eck gewinnt mit neuen Mietern an Profil.

Wann wird das Waldorf Astoria Hotel im Zoofenster eröffnet? Diese Frage bewegt die Hotelszene wie nur wenige andere. Zunächst hieß es, im Jahr 2011 würden die ersten Gäste in der Luxusherberge einchecken; dann war die Rede vom zweiten Quartal des Jahres 2012; doch auf der Website des Hotelkonzerns ist die Buchungsfunktion erst für September 2012 freigeschaltet.

350 Euro, so zeigt eine Stichprobe, kostet die günstigste Übernachtung an einem zufällig ausgewählten Septemberdatum. Wer lieber in der Suite im 30. Stock nächtigt, muss dafür 4.350 Euro hinlegen. Damit bewegt sich das Waldorf Astoria in Sphären, die für Berliner Verhältnisse ungewohnt hoch sind. Allerdings verspricht Hoteldirektor Friedrich W. Niemann, selbst höchsten Ansprüchen zu genügen: „Wir sind das einzige echte Luxushotel in der City West.“

232 Zimmer und Suiten wird das Waldorf Astoria haben. Hinzu kommen ein Spa-Bereich und ein hochwertiges gastronomisches Angebot. „Les Solistes by Pierre Gagnaire“ heißt das Restaurant, für dessen Konzept der Sternekoch Pierre Gagnaire verantwortlich ist. Außerdem kündigen die Verantwortlichen die im Art-déco-Stil gehaltene Lang-Bar (benannt nach dem Filmregisseur Fritz Lang) und das Romanische Café an. Dieses soll an das legendäre Café gleichen Namens erinnern, das zu Beginn des 20. Jahrhunderts ein berühmter Treffpunkt von Künstlern und Möchtegernkünstlern war. Allerdings befand sich das Original dort, wo heute das Europa-Center steht.

Das Waldorf Astoria ist Teil des Zoofensters, eines 118 Meter hohen Turms, den ein Investor aus dem arabischen Raum nach Plänen des Architekten Christoph Mäckler errichtet und der auch Einzelhandels- und Büroflächen umfasst. Dass der Turm jetzt so gut wie fertig ist, grenzt an ein Wunder: Ein anderer Investor hatte nämlich bereits 1999 einen symbolischen ersten Spatenstich gefeiert. In der Folge wechselten mehrfach die Eigentümer, und lange schien es, als ob das Projekt niemals realisiert werden würde.

Dass es jetzt doch Gestalt angenommen hat, zeugt vom Aufschwung der City West. Ebenso haben sich neue Kultlabels wie das amerikanisch anmutende Café FroYoCake oder die Münchener Salatbar dean & david mit Filialen am Ku‘damm niedergelassen. Zum Aufschwung trägt auch ein zweites Bauvorhaben bei, an dessen Verwirklichung viele Beobachter ebenfalls zweifelten: der Umbau des Bikini-Hauses. Dieser Komplex – auch Zoobogen oder Zentrum am Zoo genannt – erstreckt sich neben dem Bahnhof Zoo entlang der Budapester Straße. Bereits 2002 erwarb ihn die Bayerische Hausbau; doch erst Ende 2010 begann sie mit dem Umbau, dessen Kosten die Münchner Investoren auf einen dreistelligen Millionenbetrag beziffern.

Obwohl die Bauarbeiten erst 2013 abgeschlossen sein sollen, zeichnen sich die Konturen des Bikini Berlin, wie das Projekt jetzt genannt wird, bereits ab. Architektonisch akzentuiert der Umbau die ursprüngliche Gestalt des 1955-57 von Paul Schwebes und Hans Schoszberger errichteten Ensembles. Indem die Planer das 1978 geschlossene Luftgeschoss wieder transparent gestalten, machen sie deutlich, warum das Gebäude Bikini-Haus genannt wurde: Es erinnerte die Betrachter mit seiner zweigeteilten Fassade an einen Bikini. Neu hinzu kommt ein zum Zoo gelegener Anbau, der eine Dachlandschaft und den sogenannten Bikinipool – einen Marktplatz mit innovativen Läden – umfassen wird.

Insgesamt wird es auf einer Geschossfläche von 54 000 Quadratmetern Büros, Geschäfte, ein Kino und ein Hotel geben. Entstehen soll dabei nicht ein herkömmliches Einkaufszentrum, wie Jürgen Büllesbach, Vorsitzender der Geschäftsführung der Bayerischen Hausbau, betont, sondern ein „urbaner Marktplatz“ mit einer Mischung aus etablierten Premiummarken und jungen Labels. Zu den Mietern zählt der Design-Anbieter Andreas Murkudis, der seine Accessoires, Kleidungsstücke und Designobjekte bis vor kurzem noch am Hackeschen Markt verkaufte, dem bevorzugten Standort trendbewusster Einzelhändler. Dass die City West dem Hackeschen Markt einmal Konkurrenz machen würde, war lange Zeit nicht zu erwarten.

Für den Anspruch des Bikini Berlin stehen zwei weitere Mieter: Im Kleinen Hochhaus am östlichen Ende des Ensembles wird die Kette 25hours im nächsten Jahr ein design-orientiertes Hotel mit 149 Zimmern eröffnen. Und der traditionsreiche Zoo-Palast, einst zentrale Spielstätte der Berlinale, kommt unter die Fittiche des Kinospezialisten Hans-Joachim Flebbe. Dieser betreibt am Kurfürstendamm bereits die Astor Film Lounge, die anspruchsvollen Kinogängern Annehmlichkeiten wie Garderobe, Bedienung am Platz und Valet-Park-Service bietet. Nur ein Gebäude will so gar nicht ins Bild des Aufschwungs passen: das Aschinger- oder Botag-Haus neben dem Bahnhof Zoo. In ihm befinden sich Sex-Shops, ein Pfandleihhaus und Billigimbisse – kein schöner Anblick für die anspruchsvollen Gäste des benachbarten Waldorf Astoria. Doch vielleicht wird sich auch hier in absehbarer Zeit etwas ändern: Gut informierte Kreise munkeln, ein Eigentümerwechsel und ein Abriss des Botag-Hauses seien nicht auszuschließen.

Emil Schweizer

 

50 - Frühjahr 2012