Die Berliner Wirtschaft im Fokus

Tourismushauptstadt, Gründerhauptstadt, echte Metropole – Berlin fasziniert die Welt. Gesellschaftlich und kulturell beeindruckt Berlin wie kaum eine zweite Stadt. Motor und zentraler Erfolgsfaktor für die Entwicklung einer Stadt ist jedoch die Wirtschaft. Nicht selten wird Berlin in dieser Hinsicht kritisch betrachtet. Wie steht es nun tatsächlich um die Konjunktur der Berliner Wirtschaft, insbesondere der klein- und mittelständischen Unternehmen (KMU), die die Stadt in besonderer Weise prägen? Dieser komplexen Fragestellung geht in aktueller Neuauflage eine umfassende Untersuchung nach.

Die Stimmung ist gut, das belegen Zuwächse bei den Umsatzzahlen, unverminderte Nachfrage nach Arbeitskräften, verbesserte Ertragslage und Finanzierungsbedingungen und beachtliche Gründungsaktivitäten. Das ist der Kern der Ergebnisse, die die Verantwortlichen der gemeinsamen Untersuchung, Investitionsbank Berlin und Creditreform Berlin Wolfram KG, Anfang Juni als „KMU-Report“ zum zweiten Mal nach 2011 der Öffentlichkeit präsentierten. Auskunft gaben über 1300 Berliner klein- und mittelständische Unternehmen aller Branchen, Rechtsformen und Größen. Die Auswertungen bündeln zwei Perspektiven: Der Status quo zeigt, wie die Berliner Unternehmen ihre derzeitige finanzielle und wirtschaftliche Situation einschätzen. Und der Ausblick gibt Auskunft darüber, mit welchen Erwartungen und Planungen die Zukunft verbunden wird.

Geschäftslage und Umsatzentwicklung

Im Sog der guten Konjunktur ist die Wirtschaftsleistung in Berlin 2011 um 2,1% gewachsen. Weit mehr als die Hälfte der befragten Unternehmen (57,9%) beantworteten die Frage nach der aktuellen Geschäftslage mit „sehr gut“ oder „gut“ (Vorjahr 55,4%). Diese positiven Bewertungen liegen im bundesweiten Trend. Am besten wird die Geschäftslage im Berliner Bausektor und im Dienstleistungsbereich beurteilt. Schwächere Einschätzungen zur Geschäftslage weisen die beiden anderen Hauptwirtschaftsbereiche auf, das Verarbeitende Gewerbe und der Handel. Die insgesamt positive konjunkturelle Lage der Berliner Wirtschaft spiegelt sich auch deutlich in der Umsatzentwicklung wider: 60,3% der befragten Unternehmen verzeichnen einen höheren Umsatz als im vergangenen Jahr (50,1%). Diese Zahl liegt deutlich über dem Bundeswert (25,4%), wo der Anteil der Unternehmen mit Umsatzsteigerungen gegenüber dem Vorjahr sogar gefallen ist.

Personalplanung

Die Personalnachfrage folgt der robusten konjunkturellen Entwicklung: Vier von zehn Berliner Unternehmen (39,3%) haben im Verlauf des Jahres ihren Personalbestand aufgestockt. Im Vorjahr war dies noch bei jedem dritten Unternehmen (28,5%) der Fall. Verglichen mit der letztjährigen Befragung sind mehr Menschen in Berlin eingestellt als entlassen worden. Der regionale Arbeitsmarkt ist weiter auf Expansionskurs.

Ertragslage und Finanzierung

Die Ertragslage im Berliner Mittelstand zeigt sich im Frühjahr 2012 erneut deutlich verbessert. Mehr als die Hälfte der befragten Unternehmen (52,2%) berichten über gestiegene Erträge, während dies im Vorjahr lediglich 42,7% und im Jahr 2010 sogar nur 32,8% waren. Damit geht die Schere zwischen der Berliner und der bundesdeutschen Entwicklung weiter auseinander. Bundesweit vermeldeten nur noch 18,4% der Betriebe ein Ertragsplus, nachdem es vor Jahresfrist noch 22,9% waren. Besonders die Berliner Baufirmen zeichnen sich durch eine hervorragende Ertragslage aus. Die Eigenkapitalbasis im Berliner Mittelstand ist generell durch die hohe Ertragskraft gestärkt. Bei der im Durchschnitt deutlich verbesserten Ertragslage der Unternehmen, die von vielen auch zum Ausbau ihres Eigenkapitals genutzt wurde, ist es nicht erstaunlich, dass auch die Finanzierungsbedingungen für Investitionen besser bewertet wurden als im vergangenen Jahr. Bei der Frage nach den Finanzierungsquellen zeigt sich, dass der Berliner Mittelstand zuerst auf die Möglichkeiten der Innenfinanzierung setzt. Die Einnahmen aus dem laufenden Geschäft sind mit Abstand die wichtigste Finanzierungsquelle, die mehr als drei Viertel der Befragten (76,2%) schon einmal eingesetzt haben. Aber auch eingebrachte Eigenmittel (46,1%) und Rücklagen aus Gewinnen (37,1%) rangieren als Finanzierungsquelle ganz oben. Dagegen scheinen die Möglichkeiten der Fremdfinanzierung nur für rund die Hälfte der befragten Unternehmen von Bedeutung zu sein.

Gründungsgeschehen

Unternehmensgründungen gehören zu den wichtigsten Antriebskräften für wirtschaftliches Wachstum und damit für die Schaffung neuer Arbeitsplätze. Berlin hat sich unter anderem zum kreativen Zentrum der Internetwelt entwickelt. Nirgends in Europa inves-tieren Kapitalgeber so viel Geld in Start-ups wie in Berlin. Darüber hinaus gibt es Gründungen in den Zukunftsbranchen wie Medien, Kreativwirtschaft, Gesundheit, Energie, Verkehr und Optik. „Umfang und Dynamik des Berliner Gründungsgeschehens geben Anlass zu vielen Hoffnungen“, so Wirtschaftssenatorin von Obernitz anlässlich der Vorstellung der neuen Studie.

Edith Döhring

 

51 - Sommer 2012